Hamburg/Chemnitz. St. Paulis Funktionär echauffiert sich. Positive Nachrichten von DFB und DFL – doch dem HSV-Sportvorstand geht das nicht weit genug.
Bakery Jatta musste gar nicht reden. Das übernahmen andere für den ehemaligen Flüchtling: Die Fans, die Teamkollegen, der Trainer. "Wir wissen beim HSV, was wir an diesem Spieler haben", sagte Trainer Dieter Hecking. "Sollte etwas Negatives rauskommen, werden wir als Verein alles dafür tun, dass er aufgefangen wird und alles für ihn gemacht wird. Dass er alles erfährt, was er braucht, nämlich Vertrauen", betonte der 54-Jährige. "Baka ist einer von uns. Das ist ein Top-Junge. Es ist klar, dass wir hinter ihm stehen", sagte Jattas Mitspieler Adrian Fein.
Es war kein Spiel wie jedes andere – nicht für den HSV, nicht für Jatta. Die Hamburger Fans demonstrierten vor und nach dem 6:5 im Elfmeterschießen am Sonntagabend beim Drittligisten Chemnitzer FC ihre Solidarität mit dem jungen Afrikaner. "Er bekommt viel Unterstützung von jedem, der HSV ist", betonte Mitspieler Rick van Drongelen: "Er kann sich auf uns verlassen. Es macht uns auch glücklich, dass er bereit war zu spielen."
DFB und DFL bekräftigen Jattas Spielerlaubnis
Coach Hecking hatte schon keinen Grund gesehen, Jatta nicht mit nach Chemnitz zu nehmen. Er sah auch keinen Grund, den Außenbahnspieler nicht in der Startformation des Zweitligisten auflaufen zu lassen.
Zumal Jattas Spielerlaubnis unverändert gültig ist. Der HSV beruft sich auf die gültige Spielgenehmigung für Jatta und hatte schon vor Tagen Bestätigung durch die Verbände erhalten. "Da es bisher keinen Beweis für eine falsche Identität des Spielers gibt, behält die Spielberechtigung für Bakery Jatta, geboren am 6. Juni 1998, aktuell ihre Gültigkeit", teilten DFB und DFL dazu am Montag mit.
So hat der HSV auch nach Jattas Einsatz gegen Chemnitz trotz laufender Prüfung keine negativen Folgen zu befürchten. "Das ändert aktuell nichts an der Situation", schrieb der DFB. Gegen Jatta läuft derzeit ein Anhörungsverfahren durch das Bezirksamt Hamburg-Mitte. Auch der DFB-Kontrollausschuss lädt den Gambier zu einer Anhörung. Der Spieler hat zwei Wochen Zeit, sich zu äußern.
Boldt wünscht sich Statement von DFB und DFL
Hamburgs Sportvorstand Jonas Boldt hofft indes auf weitere positive Nachrichten der Verbände, die auch über formelle Wasserstände hinaus gehen. Ich glaube, dass der DFB und die DFL sich immer sehr stark gemacht haben für Integration", sagte Boldt bei Sky nach dem Sieg in Chemnitz. "Es gibt eine Ethikkomission, es wird immer gegen Rassismus gearbeitet. Ich würde mich sehr freuen und ich würde mir wünschen, dass da vielleicht auch mal ein Statement kommt, das sagt, 'Ihr habt das richtig gemacht, HSV'."
So warteten möglicherweise alle weiter auf wie auch immer gerartete Beweise, die so möglicherweise nie erbracht werden könnten. "Denn im Prinzip werden wir ja so ein bisschen im Regen stehen gelassen", sagte Boldt auch angesichts des noch nicht aufgearbeiteten Protests aus Nürnberg gegen die Wertung der 0:4-Niederlage aus dem Ligabetrieb: "Vielleicht kann man da einfach mal Klarheit schaffen."
Jatta spielte gegen Chemnitz unbeeindruckt
In dem Pokalspiel von Chemnitz indes, in dem die Hamburger sich schwer taten, Chancen gegen die aufopferungsvoll kämpfenden und immer selbstbewusster werdenden Gastgeber herauszuspielen, konnte Jatta auf dem Flügel einige Male sein Können andeuten. Außergewöhnlich verunsichert oder übernervös ob der unruhigen Tage vor dem Pokalspiel wirkte der 21-Jährige aus Gambia nicht.
Die HSV-Profis in der Einzelkritik
Die Situation belaste Jatta nicht so sehr, dass er nicht spielen könne, betonte HSV-Kapitän van Drongelen. Kollege David Kinsombi wiegelte auf Nachfrage generell ab. "Wir tun uns allen einen Gefallen damit, wenn wir uns auf den Fußball konzentrieren", sagte der Neuzugang aus Kiel über den Fall seines Mitspielers: "So ein großes Thema ist das nicht."
Bakery Jatta schweigt in der Interviewzone
In der 72. Minute, als der HSV zum zweiten Mal zurücklag, hatte Hecking Jatta vom Platz genommen. Das Spiel der Hanseaten brauchte neuen Schwung. Die Gäste retteten sich in die Verlängerung, ins Elfmeterschießen und letztlich in die zweite Runde des DFB-Pokals.
Nach der Partie ging die Mannschaft zu den Fans, die während des Spiels mit dem mehrfachen Abbrennen von Pyrotechnik auch negativ aufgefallen waren. Als die erschöpften Profis nebeneinander vor dem feiernden Gästeblock standen, skandierten die Anhänger lautstark "Bakery, Bakery", bis dieser einen Schritt nach vorn machte, die Hände in die Höhe streckte und sich applaudierend bei den Anhängern für deren Unterstützung bedankte.
Die Bilder vom HSV-Sieg in Chemnitz:
HSV: Elfmeter-Drama in Chemnitz
Jatta habe das überragend hinbekommen, lobte Hecking den Afrikaner für dessen Leistung, nachdem die "Sport Bild" über angebliche Zweifel an der Echtheit der Identität des Afrikaners berichtet hatte. Sich in der Interviewzone zu der Situation äußern wollte Jatta nicht.
Hecking versicherte unterdessen, dass der Verein die Sache so schnell klären wolle wie möglich. Im Moment gebe es allerdings nur "viele, viele Vermutungen", betonte der HSV-Coach: "Ich bin kein Freund davon, was da abgegangen ist."
Lienen echauffiert sich über den Fall Jatta
Mit dieser Meinung steht Hecking in der Fußballszene längst nicht alleine da. Auch vom FC St. Pauli gab es bereits Solidaritätsbekundungen. Am Sonntagabend etwa artikulierte Ewald Lienen sein Unverständnis für die Causa Jatta. "Wenn das das größte Problem wäre, was wir in der Gesellschaft haben, dann können wir uns beglückwünschen", urteilte der Technische Direktor des Stadtrivalen im NDR-"Sportclub".
Mit dem "vermeintlichen Konflikt" versuche eine Zeitung lediglich, Auflage zu generieren. "Ich weiß es nicht, ob das richtig ist, was der Junge gesagt hat", sagte Lienen über Jatta. "Aber das ist jemand, der integriert ist, der hier sein Geld verdient, der Steuern zahlt und alle sind glücklich. Warum muss man da nachhaken und eine solche Geschichte daraus machen?"
Ewald Lienen: "Wo gibt es ein Problem?"
Artikel über Straftäter wären ungleich wichtiger, meinte Lienen. "Aber über so einen Spieler? Das ist lächerlich, finde ich." Ebenso unwirsch kommentierte der 65-Jährige den Protest des 1. FC Nürnberg gegen die 0:4-Schmach gegen den HSV. "Es wirkt ein bisschen peinlich, nach einer wirklich verdienten Niederlage aufgrund eines solchen Verdachts."
Am Ende drückte Lienen das aus, was sich auch im Umfeld des HSV die meisten wünschen. "Ich hoffe, dass wir zur Normalität zurückkehren werden", sagte der ehemalige Profi und Trainer: "Diese ganze Thematik wird über Gebühr strapaziert. Wer ist geschädigt und wo gibt es ein Problem? Das ist ein Fußballer, der einen Vertrag hier unterschreibt, da ist es mir doch egal, wie alt der ist."