Sotogrande. Der HSV-Verteidiger spricht über das Duell gegen Vuskovic, sein Studium, eine Anfrage von Nigeria und Rassismus im Fußball.
Das erste direkte Duell hatte Jonas David verloren. Gegen seinen Abwehrkonkurrenten Mario Vuskovic unterlag der 21-Jährige im Trainingslager des HSV im spanischen Andalusien beim Paddle-Tennis im Viertelfinale gegen den späteren Turniersieger. Als Anfänger in der Sportart war David aber ohnehin nur als Außenseiter gestartet.
Ähnlich wie vor einem halben Jahr, als der Innenverteidiger zu Beginn der HSV-Vorbereitung noch als Kandidat für einen Wechsel galt – und dann zur großen Überraschung der Hinrunde wurde. Bis zu seinem Muskelfaserriss im November hatte David als einziger Feldspieler der Liga keine einzige Spielminute verpasst. „Es war mit Abstand die beste Halbserie meiner Karriere. Da gibt es nichts Vergleichbares“, sagt David.
HSV-Profi Jonas David: „Wir haben ein hohes Trainingslevel“
Der HSV-Profi sitzt im spanischen Sotogrande auf der Terrasse des Teamhotels, im Hintergrund rauschen die Palmen. Unter Einhaltung des Abstands, mit frischer Luft und strengen Hygieneregeln spricht David im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“ über seine spannenden Monate, die hinter ihm liegen – und ihm jetzt wieder bevorstehen. Seit Beginn der Wintervorbereitung ist David zurück im Mannschaftstraining und hat bislang noch keine Einheit verpasst. „Ich fühle mich sehr gut. Wir haben hier ein hohes Trainingslevel.“
David ist bereit für das nächste Duell gegen Vuskovic. Die beiden Abwehrspieler streiten sich aktuell um den Platz an der Seite von Kapitän Sebastian Schonlau. Den hatte David an den ersten 13 Spieltagen sicher. Nach seiner Verletzung übernahm Vuskovic und machte seine Sache nicht weniger gut. Im Gegenteil: Mit dem Kroaten in der Startelf holte der HSV zehn Punkte aus fünf Spielen, bekam nur drei Gegentore. Vuskovic überzeugte mit der ligaweit drittbesten Zweikampfquote (68 Prozent) und der höchsten Passsicherheit (94 Prozent) aller HSV-Spieler.
David gab 2018 sein Profidebüt
Es wird spannend, wem Trainer Tim Walter das Vertrauen schenkt. Nach den erfolgreichen Spielen vor der Winterpause wäre es überraschend, müsste Vuskovic zurück auf die Bank. Das ist auch David klar. „Ich muss keine Ansagen machen. Für mich ist es nichts Neues, Konkurrenz zu haben. Jeder wird gebraucht.“
David weiß, dass es sich lohnt, auf seine Chance zu warten. Im August 2018 gab er unter Christian Titz im ersten Saisonspiel gegen Kiel sein Profidebüt, doch erst drei Jahre später durfte er im letzten Saisonspiel gegen Braunschweig erstmals von Beginn an spielen, als es um nichts mehr ging. Vor der Sommervorbereitung dachte David an eine erneute Leihe, um Spielpraxis zu sammeln. Die bekam er dann unter Walter. „Wir haben schnell entschieden, dass ich bleibe.“
David und sein Vater leben nah beieinander
Vor allem seinen Vater Fabian machte Jonas David mit seinem Durchbruch glücklich. Der Meiendorfer hat seinen Sohn über all die Jahre auf alle Fußballplätze begleitet. Als David im September beim Derbysieg in Bremen sein wohl größtes Karrierehighlight erlebte, saß der Papa auf der Tribüne und feierte ausgelassen. „Er hat mir das Video geschickt. Es war sehr lustig“, sagt David und lacht.
Er lacht sehr viel im Laufe des Gesprächs, vor allem als um seinen Vater geht, der ihn im Podcast mit einer Sprachnachricht überrascht. „Er hat mich immer gefördert und bei meinem Traum unterstützt. Ich bin meinem Vater sehr dankbar“, sagt David.
Sein Vater kommt ursprünglich aus Nigeria. Heute leben beide in verschiedenen Häusern, aber noch nah beisammen zwischen Volksdorf und Meiendorf. Im Land seines Vaters war David junior bislang noch nicht. Schon mehrfach planten die beiden in den vergangenen Jahren eine Reise in das Land am Golf von Guinea. Doch entweder stoppten verkürzte Winterpausen oder die Corona-Pandemie das Vorhaben. Im kommenden Winter soll es nun endlich so weit sein. „Man braucht schon zwei bis drei Wochen, weil wir eine große Familie dort haben und ich alle kennenlernen will“, sagt David. „Die nächste Winterpause bietet sich an. Da haben wir länger frei, weil dann die WM ist. Es sei denn, man ist nominiert“, sagt David und lacht erneut.
Jonas David träumt von einer WM
Ihm ist klar, dass eine Nominierung für die deutsche A-Nationalmannschaft trotz seiner Vergangenheit beim DFB-Nachwuchs noch in weiter Ferne liegt. Doch auch eine Zukunft in der Nationalauswahl Nigerias könnte ein Thema werden. Vor der U-20-WM in Polen 2019 hatte David eine Anfrage vom nigerianischen Verband, wie er erzählt. „Wir haben uns aber zusammen dagegen entschieden.“ Aktuell macht er sich über das Thema Deutschland oder Nigeria nicht viele Gedanken. Aber: „Den Traum, mal eine WM zu spielen, hat jeder.“
David spricht reflektiert über seine noch junge Karriere. Der Einser-Abiturient guckt auch über den Tellerrand des Fußballgeschäfts hinaus. Gerade erst hat er ein Fernstudium in Wirtschaftsinformatik begonnen. In Sotogrande hat er seinen Laptop dabei, um sich digitale Vorlesungen anzuschauen. „Es tut gut, ab und an etwas für den Kopf zu machen und abzuschalten vom Fußball.“
HSV: Rassismus im Fußball immer noch ein Thema
Auch über gesellschaftliche Themen macht sich David Gedanken. Rassismus im Fußball zum Beispiel. Vor Weihnachten war sein langjähriger Freund und Mitspieler Aaron Opoku, aktuell an den VfL Osnabrück verliehen, beim Drittligaspiel in Duisburg rassistisch beleidigt worden. Das Spiel wurde abgebrochen, weil die Mannschaften nicht weiterspielen wollten. David und Opoku hatten anschließend Kontakt.
„Es ist leider immer noch ein präsentes Thema. Vielleicht wurde mit der Aktion das richtige Zeichen gesetzt, indem man eine Null-Toleranz-Richtlinie setzt“, sagt David. „Ich hoffe, dass sich durch diese Aktionen solche Vorfälle deutlich minimieren. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber leider noch lange nicht am Ziel.“ Und auch Jonas David ist trotz der besten Halbserie seiner Karriere noch lange nicht am Ziel. Sein Weg beim HSV fängt gerade erst wieder an.
Das für Freitag geplante Testspiel gegen Nijmegen wurde von den Niederländern kurzfristig abgesagt.