Hamburg. Die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune enttäuschte und muss einen herben Rückschlag im Kampf um die Bundesliga hinnehmen.

Es wirkte fast so, als konnten die Profis des Hamburger SV selbst nicht glauben, was am Donnerstagabend im Hardtwaldstadion passiert war. Nach einer katastrophalen Leistung unterlag die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune (43) beim SV Sandhausen mit 1:2 (0:0).

Durch die hochverdiente Niederlage gegen den Abstiegskandidaten, der erst zu Wochenbeginn aus der Corona-Quarantäne durfte, haben die Hamburger einen weiteren Rückschlag im Kampf um die Bundesliga-Rückkehr erlitten. Allerdings: Der Auftritt des HSV war der eines Aufstiegskandidaten unwürdig. "Wir haben die ersten 60 Minuten nicht stattgefunden, die Zweikämpfe nicht bestritten, die man bestreiten muss. Im Großen und Ganzen war es enttäuschend", bilanzierte Torhüter Sven Ulreich.

Und auch Trainer Thioune stimmte in den enttäuschten Tenor ein. "Eine Mannschaft hat es mehr gewollt. Wir sind nicht in unsere Abläufe gekommen. Ich hätte zur Pause zehnmal wechseln können. Als das Spiel bei 0:2 verloren war, haben wir erst angefangen, Fußball zu spielen. Entsprechend war es zu wenig. Die Sandhäuser wollten ihr Leben auf dem Platz lassen", sagte der Coach.

Dieser desolate Auftritt hat sogar Weltmeister Toni Kroos von Real Madrid aufgeregt. Bei Twitter schrieb der Mittelfeldstar: "Meine Güte HSV ...ehrlich ..." Und brachte damit die Stimmungslage der Hamburger Fans auf den Punkt.

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HSV merkte man die Spielpause mehr an

In den vergangenen zwei Wochen war der HSV zum Zuschauen verdammt gewesen. Wegen Corona-Fällen bei Sandhausen und beim Karlsruher SC trug die Mannschaft von Trainer Daniel Thioune die schmerzhafte 1:2-Heimniederlage gegen Darmstadt 98 mit sich herum.

Und so ganz nebenbei sahen die Hamburger, wie Spitzenreiter VfL Bochum, der bereits zehn Punkte mehr auf dem Konto hat, mit einem Bein in der Bundesliga steht. Auch der Tabellenzweite Fürth festigte mit konstant guten Leistungen seine Aufstiegsambitionen. Die Franken, die am Sonntag beim FC St. Pauli antreten müssen, liegen vier Punkte vor dem HSV.

Das HSV-Spiel im Liveticker zum Nachlesen

Somit war klar: Wollte das Thioune-Team noch einen direkten Aufstiegsplatz ergattern, konnte man sich keine weiteren Rückschläge erlauben. Schon gar nicht bei einer Mannschaft wie Sandhausen, die erst zu Wochenbeginn wieder ins Mannschaftstraining einsteigen durften. Doch es wirkte so, als hätte der HSV mehr mit der knapp zweiwöchigen Pause zu kämpfen gehabt.

Thioune verändert Startelf auf drei Positionen

Trainer Thioune veränderte die Startformation im Vergleich zum Darmstadt-Spiel vor 13 Tagen auf drei Positionen. Für Jeremy Dudziak, Klaus Gjasula und Manuel Wintzheimer kamen Bakery Jatta, Jan Gyamerah und David Kinsombi in die Partie. Auf der Bank nahm erstmals nach seiner schweren Muskel- und Sehnenverletzung wieder Abwehrchef Toni Leistner Platz. Die Gäste spielten in einem variablen 3-4-3-System.

Von Beginn an merkte man Sandhausen die fehlende Trainings- und Spielpraxis nicht an. Die Gastgeber versuchten, aus einer kompakten Defensive heraus, den HSV vom eigenen Tor fernzuhalten. Da überraschte es nicht, dass die Hamburger von Beginn an viel Ballbesitz hatten. Die erste Riesenchance hatten aber die Gastgeber in der fünften Minute, als Nikolas Nartey zunächst David Kinsombi auf der linken Seite düpierte und in der Mitte Stürmer Daniel Keita-Ruel fand. Doch der Schuss des Torjägers wurde in letzter Sekunde von Moritz Heyer zur Ecke geblockt.

Jatta muss früh mit Kopfverletzung vom Platz

Nicht der erste Schreckmoment für den HSV. In der neunten Minute bekam Bakery Jatta den Ball aus kurzer Distanz von Julius Biada derart unglücklich ins Gesicht, dass der Gambier k.o. ging und apathisch liegenlieb.

Nach knapp vierminütiger Behandlungspause war die Startelfrückkehr schon wieder beendet. Für Jatta, der das Feld eigenständig verlassen konnte, kam Amadou Onana in die Partie. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut und er ist ansprechbar“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel.

Auch in der Folge war Sandhausen die bessere Mannschaft. Nach einem langen Ball von Ex-HSV-Profi Dennis Diekmeier stand Kevin Behrens in Minute 17 plötzlich vor Torwart Sven Ulreich, doch der Stürmer, der noch von Stephan Ambrosius bedrängt wurde, schoss etwas überhastet über den Kasten. Ein erneuter Weckruf, der dieses Mal gehört wurde. Direkt im Gegenzug hatte Sonny Kittel aus spitzem Winkel die erste Hamburger Chance, die SVS-Torhüter Stefanos Kapino entschärfen konnte.

Schwacher HSV ohne Kreativität und Gier

Dem HSV fehlte es an Balltempo, Schärfe und Konzentration. Es wirkte so, als wären die Profis mit der ungewohnten 3-4-3-Taktik überfordert gewesen. Der Abstiegskandidat aus Sandhausen schaffte es mit einfachen Mitteln, den Hamburgern das Leben schwer zu machen und ihrerseits offensive Momente zu kreieren.

So wie in der 33. Minute, als Biada gefährlich zum Abschluss kam. Und mit jeder Gelegenheit stieg das Selbstvertrauen bei den Sandhausenern, denen man lediglich vorwerfen musste, aus der deutlichen Überlegenheit kein Kapital geschlagen zu haben. Die dritte Großchance der ersten Halbzeit vergab erneut Keita-Ruel, der an Ulreich scheiterte (36.).

Frustfoul von Terodde zeigt nervlichen Zustand des HSV

Nach 45 Minuten musste man konstatieren, dass der Aufstiegskandidat eine desolate Vorstellung zeigte und mit dem 0:0 noch gut bedient war. Das Offensivspiel lag in Gänze brach. Kaum Bewegung, kaum zusammenhängende Angriff, eine spielerische Minusleistung, wie man sie lange nicht gesehen hatte. Das Torschussverhältnis aus HSV-Sicht: 1:11 (!).

Wie genervt die Hamburger waren, zeigte Topstürmer Simon Terodde, der kaum ins Spiel eingebunden war und kurz vor dem Pausenpfiff nach einem Frustfoul die Gelbe Karte sah. „Wir kommen nicht in unser Spiel. Noch einmal kommen wir nicht mit so viel Glück durch. Die Dominanz von Sandhausen müssen wir brechen und ein anderes Gesicht zeigen. Wir müssen aus dem Negativstrudel kommen und uns mehr wehren“, kritisierte Sportdirektor Mutzel.

Ambrosius leitet Pleite mit Eigentor ein

Doch daraus wurde nichts. 30 Sekunden nach Wiederanpfiff köpfte HSV-Verteidiger Ambrosius eine Flanke von Diekmeier ins eigene Tor. Ein Gegentreffer, der diesen Abend bis zu diesem Zeitpunkt perfekt zusammenfasste

Es war auch ein Wirkungstreffer für die Hamburger, bei denen die Angst vor der Niederlage immer größer wurde. Erst recht, als Keita-Ruel nach sensationeller Flanke von Nartey das 2:0 für die Gastgeber erzielte. Und wie reagierte das Thioune-Team? Überhaupt nicht.

Wintzheimer-Tor kommt zu spät für den HSV

Kein Führungsspieler übernahm Verantwortung, kein Biss, keine Leidenschaft. Eine Kollektivversagen zur Unzeit. Daran änderte auch der schön herausgespielte Treffer zum 1:2 in der 76. Minute durch den eingewechselten Wintzheimer nichts. Erst als Sandhausen zunehmend müde wurde, kamen die Hamburger etwas besser ins Spiel. Terodde hatte in der 88. Minute sogar noch den Ausgleich auf dem Fuß. Doch das wäre des Guten auch zu viel gewesen.

Der Sieg von Sandhausen war hochverdient, und auf die Hamburger kommen vor dem Auswärtsspiel am Sonntag bei Jahn Regensburg mal wieder schwere Zeiten zu. "Uns fehlt derzeit die Stabilität im Kopf und auf dem Platz. Jetzt geht es wohl um den Kopf, die Ohren auf Durchzug zu stellen und wieder Spaß auf dem Platz haben", erklärte Thioune, der nach dem Spiel aber auch versuchte, so etwas wie Kampfgeist zu demonstrieren. "Wir sind wieder auf die Bretter gegangen gegangen. Wer mich kennt, weiß, dass ich der Letzte bin, der aufgibt. Wir werden bis zum 34. Spieltag kämpfen. Abschreiben sollte man uns auf keinen Fall", sagte Thione.

Doch nach dem Auftritt von Sandhausen klang das ein wenig wie das Pfeifen im Walde.

  • Sandhausen: Kapino - Nauber, Kister (73. Paurevic), Zhirov - Diekmeier, Taffertshofer, Zenga (73. Bachmann), Nartey (73. Contento) - Biada (80. Linsmayer) - Keita-Ruel (73. Esswein), Behrens. - Trainer: KleppingerHSV: Ulreich - Gyamerah (63. Wintzheimer), Ambrosius, Heyer (85. Narey), Vagnoman - Hunt, Kinsombi (85. Dudziak) - Jatta (15. Onana), Kittel (85. Meißner), Leibold - Terodde. - Trainer: Thioune Schiedsrichter: Harm Osmers (Hannover)Tore: 1:0 Ambrosius (46., Eigentor), 2:0 Keita-Ruel (52.), 2:1 Wintzheimer (76.) Zuschauer: keine Gelbe Karten: - Terodde (3), Heyer (4), Onana (6), NareyErweiterte Statistik (Quelle: deltatre): Torschüsse: 19:10Ecken: 7:6 Ballbesitz: 44:56 % Zweikämpfe: 112:94