Hamburg. Beim 1:2 des HSV gegen Darmstadt 98 wurde nach dem Spiel vor allem über Schiedsrichter Kampka und den VAR gesprochen.

Die Gesichter der HSV-Profis sprachen Bände, als sie durch das nasskalte Volksparkstadion in Richtung Kabine trotteten. Abwehrspieler Stephan Ambrosius zerriss sich aus Frust das eigene Trikot, seine Kollegen schauten gedankenverloren ins leere Rund.

Eine Woche nach dem 3:3 bei Hannover war das bittere 1:2 (0:0) gegen Darmstadt 98 der nächste heftige Rückschlag im Kampf um den Aufstieg. Das Tor von Jeremy Dudziak in der 78. Minute reichte nicht.

"In der ersten Hälfte haben wir es gut gemacht, müssen das 1:0 machen. Dann läufst du in einen Konter, es geht hin und her. Wir haben das Spiel nicht mehr beruhigt. Darmstadt hat verdient gewonnen", bilanzierte Stürmer Simon Terodde und fügte an: "Heute, morgen und Sonntag bin ich sauer, ab Montag geht der Kopf nach oben. Ich bin mir einhundertprozentig sicher, dass wir am Ende etwas zu feiern haben. Vorher gehe ich nicht nach Hause."

Trainer Thioune verändert Startelf auf drei Positionen

HSV-Trainer Daniel Thioune hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er von seiner Mannschaft eine Reaktion nach dem unnötigen Remis Hannover 96 einfordert. Vor allem die mangelnde Cleverness nach der zwischenzeitlichen 3:0-Führung hatte der 46-Jährige angeprangert. Im Vergleich zur Vorwoche hat Thioune auch personell reagiert. Für den gelbgesperrten Amadou Onana (19) und den schwachen Stürmer Bobby Wood kamen Klaus Gjasula (31) und Torjäger Simon Terodde (33) in die Startelf. Auch Jeremy Dudziak (25) kehrte zurück, für ihn musste Jan Gyamerah (25) weichen. Thioune setzte auf ein 4-2-3-1-System.

Für ein emotionales Zeichen sorgten bereits vor dem Anpfiff die HSV-Fans, die auf der Nordtribüne eingroßes Banner aufhängen ließen, auf dem sie des vor acht Tagen im Alter von 89 Jahren verstorbenen Ex-Präsidenten Peter Krohn gedachten. „Visionär, Vater des Erfolgs und bis zum Schluss HSVer. Ruhe in Frieden, Peter“, stand in großen Lettern. Am Oberrang erinnerten die Anhänger zudem an Erwin Piechowiak, der am 31. März verstorben und 1960 Mitglied der HSV-Meistermannschaft war.

Darmstadt konzentrierte sich nur auf das Verteidigen

Meisterlich war das, was der HSV zu Beginn zeigte, nicht. Darmstadt machte die Räume eng, sodass die Hamburger Probleme hatten, in ihre offensiven Abläufe zu kommen. In der achten Minute bekamen die Gastgeber das erste Mal Tempo in ihre Aktionen. Ein öffnender Pass von Terodde fand Dudziak auf der rechten Außenbahn, doch der Spielmacher spielte einen zu unpräzisen Pass auf Sonny Kittel, der bei mehr Genauigkeit nur noch ins leere Tor hätte schießen müssen.

Bitterer Abend: Der HSV verliert 1:2 gegen Darmstadt 98

Frust pur: Abwehrspieler Stephan Ambrosius zerreißt sich vor Wut sein eigenes Trikot.
Frust pur: Abwehrspieler Stephan Ambrosius zerreißt sich vor Wut sein eigenes Trikot. © witters | Unbekannt
Ein Bild mit Symbolcharakter: Jeremy Dudziak (r.) und Simon Terodde müssen mit dem HSV den nächsten Tiefschlag im Aufstiegsrennen verkraften.
Ein Bild mit Symbolcharakter: Jeremy Dudziak (r.) und Simon Terodde müssen mit dem HSV den nächsten Tiefschlag im Aufstiegsrennen verkraften. © Witters | Unbekannt
Simon Terodde und der HSV taumeln im Aufstiegsrennen. Gegen Darmstadt fehlte das letzte Quäntchen Gier und Glück
Simon Terodde und der HSV taumeln im Aufstiegsrennen. Gegen Darmstadt fehlte das letzte Quäntchen Gier und Glück © dpa | Unbekannt
Am Ende stürmte sogar HSV-Torhüter Sven Ulreich mit. Doch an der Niederlage konnte auch er nichts mehr ändern.
Am Ende stürmte sogar HSV-Torhüter Sven Ulreich mit. Doch an der Niederlage konnte auch er nichts mehr ändern. © Witters | Unbekannt
Jeremy Dudziak sorgte mit seinem Flugkopfball noch einmal für Hoffnung. Doch das 1:2 kam letztlich zu spät.
Jeremy Dudziak sorgte mit seinem Flugkopfball noch einmal für Hoffnung. Doch das 1:2 kam letztlich zu spät. © Witters | Unbekannt
Simon Terodde geigte Schiedsrichter Robert Kampka gehörig die Meinung. Der HSV-Stürmer fühlte sich um einen Elfmeter betrogen.
Simon Terodde geigte Schiedsrichter Robert Kampka gehörig die Meinung. Der HSV-Stürmer fühlte sich um einen Elfmeter betrogen. © Witters | Unbekannt
Simon Terodde kann nicht glauben, dass der von ihm herausgeholte Elfmeter zurückgenommen wurde. Der HSV-Torjäger wurde aber nicht gefoult.
Simon Terodde kann nicht glauben, dass der von ihm herausgeholte Elfmeter zurückgenommen wurde. Der HSV-Torjäger wurde aber nicht gefoult. © dpa | Unbekannt
Der nicht immer souveräne Schiedsrichter Robert Kampka hat dem HSV nach Ansicht der TV-Bilder einen Elfmeter wieder aberkannt.
Der nicht immer souveräne Schiedsrichter Robert Kampka hat dem HSV nach Ansicht der TV-Bilder einen Elfmeter wieder aberkannt. © Witters | Unbekannt
Eiskalt und präzise: Serdar Dursun ist einer der besten Stürmer in der Zweiten Liga.
Eiskalt und präzise: Serdar Dursun ist einer der besten Stürmer in der Zweiten Liga. © Witters | Unbekannt
Serdar Dursun ließ HSV-Keeper Sven Ulreich beim 0:2 im Abschluss keine Chance. Für den Darmstädter war es bereits der 17. Saisontreffer.
Serdar Dursun ließ HSV-Keeper Sven Ulreich beim 0:2 im Abschluss keine Chance. Für den Darmstädter war es bereits der 17. Saisontreffer. © Witters | Unbekannt
Mathias Honsak (l.) und Erich Berko bejubeln die Darmstädter Führung, die zu dem Zeitpunkt äußerst schmeichelhaft war.
Mathias Honsak (l.) und Erich Berko bejubeln die Darmstädter Führung, die zu dem Zeitpunkt äußerst schmeichelhaft war. © Witters | Unbekannt
Das ist doch nicht zu glauben: Der HSV und Manuel Wintzheimer spielen, Darmstadt mauert, trifft aber zur Führung.
Das ist doch nicht zu glauben: Der HSV und Manuel Wintzheimer spielen, Darmstadt mauert, trifft aber zur Führung. © Witters | Unbekannt
Darmstadts Keeper Marcel Schuhen hatte etwas mehr Arbeit als sein Gegenüber Sven Ulreich.
Darmstadts Keeper Marcel Schuhen hatte etwas mehr Arbeit als sein Gegenüber Sven Ulreich. © Witters | Unbekannt
HSV-Kapitän Tim Leibold (M.) rückte von der linken offensiven Außenbahn wieder auf seine angestammte Position in der Viererkette.
HSV-Kapitän Tim Leibold (M.) rückte von der linken offensiven Außenbahn wieder auf seine angestammte Position in der Viererkette. © Witters | Unbekannt
Duell der Toptorjäger: Serdar Dursun (l.) ist mit 16 Toren der zweitbeste Torschütze der Zweiten Liga. Hinter - natürlich: Simon Terode.
Duell der Toptorjäger: Serdar Dursun (l.) ist mit 16 Toren der zweitbeste Torschütze der Zweiten Liga. Hinter - natürlich: Simon Terode. © Witters | Unbekannt
Der gebürtige Hamburger Serdar Dursun (M.) war bei Darmstadt immer gefährlich. Der HSV bekämpfte ihn im Kollektiv.
Der gebürtige Hamburger Serdar Dursun (M.) war bei Darmstadt immer gefährlich. Der HSV bekämpfte ihn im Kollektiv. © Witters | Unbekannt
Simon Terodde (r.) im Duell mit Darmstadts Immanuel Hoehn. Der Torjäger bekam in der ersten Hälfte zu wenig gute Zuspiele.
Simon Terodde (r.) im Duell mit Darmstadts Immanuel Hoehn. Der Torjäger bekam in der ersten Hälfte zu wenig gute Zuspiele. © Unbekannt | Unbekannt
Jeremy Dudizak (r.) kehrte in die Startelf zurück. Auf der Spielmacherposition fehlte es dem Techniker aber zunächst an Präzision
Jeremy Dudizak (r.) kehrte in die Startelf zurück. Auf der Spielmacherposition fehlte es dem Techniker aber zunächst an Präzision © Witters | Unbekannt
Klaus Gjasula hatte schon früh Diskussionsbedarf mit Schiedsrichter Robert Kampka. Der Mittelfeldspieler bekam früh die Gelbe Karte.
Klaus Gjasula hatte schon früh Diskussionsbedarf mit Schiedsrichter Robert Kampka. Der Mittelfeldspieler bekam früh die Gelbe Karte. © Witters | Unbekannt
Konsequent im Herauslaufen: Sven Ulreich klärt den Ball vor Darmstadts Toptorjäger Serdar Dursun (l.).
Konsequent im Herauslaufen: Sven Ulreich klärt den Ball vor Darmstadts Toptorjäger Serdar Dursun (l.). © Witters | Unbekannt
Sonny Kittel (r.) und Aaron Hunt taten sich in der Anfangsphase schwer, das Spiel zu strukturieren
Sonny Kittel (r.) und Aaron Hunt taten sich in der Anfangsphase schwer, das Spiel zu strukturieren © Witters | Unbekannt
Die HSV-Fans gedachten dem jüngst verstorbenen Erwin Piechowiak, der Mitglied der Meistermannschaft 1960 war.
Die HSV-Fans gedachten dem jüngst verstorbenen Erwin Piechowiak, der Mitglied der Meistermannschaft 1960 war. © Witters | Unbekannt
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HSV mit viel Aufwand, aber ohne Ertrag

In der Folge wurden die Hamburger zunehmend dominanter. Zunächst verzog Kittel aus kurzer Distanz (18.), ehe Manuel Wintzheimer zwei Minuten später eine starke Kombination über den auffälligen Kittel und Josha Vagnoman abschloss. Doch „Lilien“-Keeper Marcel Schuhen reagierte mit einer guten Parade.

Mitte der ersten Halbzeit wagten dann auch mal die Gäste, offensiv in Aktion zu treten. Victor Palsson köpfte eine Ecke von Tobias Kempe knapp über den Kasten (24.), nur eine Minute später ließ HSV-Keeper Sven Ulreich einen harmlosen Flankenball aus den Händen gleiten, der gebürtige Hamburger Serdar Dursun, der bei Darmstadt bereits 16 Saisontore erzielt hat, war aber zu überrascht.

Hunt und Terodde vergeben gute Chancen

An der Spielverteilung änderte sich aber nichts. Der HSV suchte Lücken im engmaschigen Darmstädter Verteidigungsnetz zu finden. Es fehlte aber die letzte Präzision im Passspiel, sodass die Gäste die sonst so gefährliche Hamburger Offensive relativ leicht verteidigen konnte. Erst in der Nachspielzeit kam der HSV noch einmal gefährlich vor das Tor. Zunächst scheiterte Terodde an Darmstadts Torwart Schuhen (45.+1), anschließend strich ein Heber von Aaron Hunt Millimeter am Pfosten vorbei.

So gingen beide Teams mit einem 0:0 in die Kabine. „Es ist eine umkämpfte Zweitligapartie. Wir müssen mehr Flanken. Da sind wir mit Terodde gut besetzt. Wenn wir unsere Außenspieler in Szene kriegen, bin ich mir sicher, dass wir ein oder zwei Tore schießen werden“, analysierte der aktuell verletzte Innenverteidiger Toni Leistner.

Hamburger kommen schwungvoll aus der Kabine

Nach dem Seitenwechsel blieb es für den Aufstiegsaspiranten ein Geduldsspiel. Darmstadt tat weiterhin wenig für das Spiel, igelte sich hinten ein und versuchte so, den HSV zu zermürben. Doch das Thioune-Team kam mit Schwung in die zweite Hälfte. In Minute 48 kombinierten sich die Hamburger über Dudziak und Terodde schnell durch, doch der Abschluss von Wintzheimer wurde vom überragenden Keeper Schuhen entschärft.

Darmstadt brutal effizient vor dem HSV-Tor

Und so kam es, wie es irgendwie kommen musste. Einen der wenigen Konter nutzte Darmstadt zur völlig unverdienten Führung. Mathias Honsak vernascht in der 50. Minute auf der linken Außenbahn Stephan Ambrosius und spielt einen mustergültigen Pass zu Erich Berko, der aus kurzer Distanz nur noch den Ball über die Linie drücken musste. Das 0:1 traf die Hamburger bis ins Mark. Nur eine Minute später war es erneut Honsak, der mit einer Großchance an HSV-Keeper Ulreich scheiterte.

Mit Fortdauer der Partie verdiente sich Darmstadt aber zunehmend die Führung, erst recht, als in der 60. Minute der in Hamburg geborene Serdar Dursun aus kurzer Distanz das 2:0 für die „Lilien“ erzielte. Unmittelbar nach dem Gegentor wechselte HSV-Trainer Thioune doppelt, doch weder David Kinsombi noch Jan Gyamerah konnten neue Impulse setzen.

Darmstadt konnte sich im Anschluss auf seine überragende Defensive verlassen. Der HSV versuchte zwar eine Reaktion zu zeigen, doch der letzte Pass wollte partout nicht gelingen. Und die Gäste? Die waren dem dritten Tor deutlich näher als die Gastgeber dem Anschlusstreffer. Erneut war es Berko, der in der 70. Minute an Ulreich scheiterte.

Schiedrichter Kampka nimmt HSV-Elfmeter zurück

Aufregung gab es in der 72. Minute, als Terodde im Strafraum von Dursun gefoult wurde. Nach Überprüfung durch den Video Assistant Referee (VAR) schaute sich Schiedsrichter Kampka die Szene noch einmal in der Review-Area an und nahm den Elfmeter zurück. Der HSV-Torjäger hatte wenig Verständnis und brüllte quer über den Platz: „Ihr habt alle keine Ahnung! Ihr habt doch nie Fußball gespielt“, so der sichtlich entnervte 33-Jährige, der auch nach dem Schlusspfiff kaum zu halten war:

Der nicht immer souveräne Schiedsrichter Robert Kampka hat dem HSV nach Ansicht der TV-Bilder einen Elfmeter wieder aberkannt.
Der nicht immer souveräne Schiedsrichter Robert Kampka hat dem HSV nach Ansicht der TV-Bilder einen Elfmeter wieder aberkannt. © Witters | Unbekannt

"Für mich ist es ein klarer Elfer. Ich spüre den Kontakt von Dursuns Knie. Ich bin ja nicht blöd. Es reicht ein Kontakt, deswegen komme ich nicht zum Schuss. Die Leute zu Hause denken, was erzählt der für einen Scheiß. Aber die Niederlage lag nicht an der Szene", sagte Terodde nach dem Spiel.

Gjasula kritisiert Videoschiedsrichter scharf

Trotzdem war auch Mitspieler Klaus Gjasula nach dem Spiel fassungslos. Vor allem, weil Videoschiedsrichter Arne Aarnink offenbar die Kameraeinstellung von hinter dem Tor nicht zur Verfügung hatte, die eine Berührung von Dursuns Knie offenbart hätte. "Warum ist das so? Es ist doch wie jedes Mal. Die sind dort in Köln irgendwo im Restaurant was essen, während die Spiele laufen. Ich kann es nicht verstehen", ärgerte sich Gjasula.

Auch Trainer Thioune hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. "Hier ist ein Fehler entstanden, wo keiner entstehen sollte. Dem Schiedsrichter sollten alle Perspektiven zur Verfügung stehen", erklärte der Coach.

Dudziak-Tor kommt zu spät für die Hamburger

Immerhin ließ sich der HSV nicht unterkriegen und kämpfte bis zum Ende. Der einwechselte Bakery Jatta bediente in der 78. Minute per Außenrist-Flanke Jeremy Dudziak, der per Flugkopfball für den Anschlusstreffer sorgte. Und eben jener Dudziak trieb die Hamburger noch einmal an. Sein Seitfallzieher in der 80. Minute ging nur knapp am Pfosten vorbei. Der Glaube an das Remis war aber bei der Thioune-Elf zurück, doch die clever verteidigenden Gäste ließen nichts mehr zu. "Wir müssen jetzt Ellenbogenmentalität beweisen. Wir haben einen Niederschlag erlitten, schütteln uns, und stehen wieder auf. Wir kommen wieder", sagte Trainer Thioune nach der Partie.

  • HSV: Ulreich - Vagnoman (61. Gyamerah), Ambrosius, Heyer, Leibold (89. Narey) - Hunt, Gjasula (61. Kinsombi) - Wintzheimer (74. Meißner), Dudziak, Kittel (74. Jatta) - Terodde. - Trainer: Thioune
  • Darmstadt: Schuhen - Bader, Pfeiffer (46. Mai), Höhn, Holland - Palsson, Rapp - Skarke (33. Honsak), Tobias Kempe (90.+2 Patrick Herrmann), Berko (74. Mehlem) - Dursun (74. Platte). - Trainer: Anfang
  • Schiedsrichter: Dr. Robert Kampka (Mainz) 
  • Tore: 0:1 Berko (51.), 0:2 Dursun (60.), 1:2 Dudziak (77.)
  • Gelbe Karten: Gjasula (3), Dudziak (2), Ambrosius (7), Hunt (2) - Rapp (7), Berko (2), Palsson (6)
  • Torschüsse: 20:14 
  • Ecken: 9:5 
  • Ballbesitz: 63:37 % 
  • Zweikämpfe: 108:98