Hamburg. Finanzvorstand Frank Wettstein hört auf. Doch die eigentliche Überraschung kommt aus dem Aufsichtsrat. Das sind die Pläne.
Als sich die Aufsichtsräte des HSV am späten Mittwochnachmittag im Volksparkstadion trafen, war die „Bombe des Tages“ längst gezündet. Frank Wettstein, Finanzvorstand des HSV seit 2014, wird den HSV zum Saisonende verlassen. Das hatte die „Sportbild“ als Erstes am späten Dienstagabend verkündet – und damit am frühen Mittwochmorgen für einen gesteigerten WhatsApp-Verkehr unter sämtlichen Gremienvertretern des HSV gesorgt.
Am Nachmittag bestätigte Wettstein: „Ich denke, nach über sieben Jahren im Vorstand des HSV und mit dem absehbaren Ende der größten Krise in der Nachkriegszeit ist ein geeigneter Zeitpunkt gefunden, an dem beide Seiten neue Wege gehen können. Die Krisenbewältigung im Team mit den Kolleginnen und Kollegen hat deutlich gezeigt, dass der HSV personell und organisatorisch gut gerüstet für die anstehenden Aufgaben ist.“
Wettsteht verlässt den HSV: Aufsichtsrat wusste lange Bescheid
Was er offiziell nicht sagte: Die Entscheidung, seinen auslaufenden Vertrag über den 31. Mai 2022 hinaus nicht zu verlängern, ist keinesfalls neu. Nach Abendblatt-Informationen hat Wettstein, der neben Kontrolleur Felix Goedhart am längsten von allen HSV-Funktionsträgern im Amt ist, bereits vor zwei Monaten den Aufsichtsrat und seinen Vorstandskollegen Jonas Boldt informiert.
Am Dienstag folgten die AG-Anteilseigner, ehe ausführlich auch auf der turnusmäßigen Aufsichtsratssitzung über diese und weitere HSV-Personalien gesprochen wurde.
HSV holt Lena Schrum in den Aufsichtsrat
Und wie das Abendblatt erfuhr, steht neben dem Aus Wettsteins nun auch eine zweite Personalie im Führungszirkel des HSV fest: Lena Schrum soll neben Michael Papenfuß auf der Hauptversammlung der Anteilseigner Ende November als neue Kontrolleurin bestellt werden.
Während Wettsteins Entscheidung innerhalb der HSV-Gremien für wenig Verwunderung sorgte, ist die bevorstehende Wahl Schrums, die auch Sportvereine und Unternehmen berät, eine echte Überraschung. Die frühere Bundesligaspielerin (1. FC Köln und Bayer Leverkusen) und Gründerin der Nachhaltigkeitsplattform Aware war erst vor drei Monaten mit dem HSV in Kontakt getreten, nachdem Präsident Marcell Jansen sie für seinen neuen Impulsgeberrat gewinnen konnte.
Dieses Expertengremium, für das sich auch Online-Marketing-Rockstars-Gründer Philipp Westermeyer, Miniatur-Wunderland-Geschäftsführer Frederik Braun, Hafenchef Jens Meier und Nachwuchsdirektor Horst Hrubesch zur Verfügung gestellt hatten, hat zwar noch nie getagt, aber Schrum konnte Jansen und dessen Präsidiumsmitglieder Papenfuß und Bernd Wehmeyer offenbar so sehr von ihren Ideen überzeugen, dass sie nun ins Kontrollgremium aufrückt.
Jansen wollte Ex-HSV-Ultra im Aufsichtsrat
Dabei darf an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass Schrum ursprünglich gar nicht für den Aufsichtsrat vorgesehen war. Der im August als Präsident wieder gewählte Jansen wollte eigentlich Henrik Köncke neben Vereins-Schatzmeister Papenfuß für das Kontrollgremium gewinnen, das satzungsgemäß auf der nächsten Hauptversammlung von fünf auf sieben Mitglieder komplettiert werden muss.
Der frühere Vorsänger der Ultra-Gruppierung Poptown, der besonders in der aktiven Fanszene hohes Ansehen genießt, hatte sogar schon ein Gespräch mit dem Beirat, der für alle Aufsichtsratskandidaten sein Einverständnis geben muss. Und obwohl Köncke auch in den Gesprächen mit den AG-Verantwortlichen einen sehr guten Eindruck hinterlassen haben soll, waren die Bedenken, einen Ultra für den Aufsichtsrat zu nominieren, zu groß.
Doch aufgeschoben soll in Könckes Fall nicht aufgehoben heißen. Jansens Plan, spätestens im nächsten Jahr auch im Aufsichtsrat den Bereich der Fankultur abgedeckt zu haben, soll weiterhin aktuell sein.
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HSV: Schrum muss Wettstein-Nachfolger finden
Bevor der zweite vor dem ersten Schritt gemacht wird, muss nun zunächst einmal Lena Schrum durch alle Anteilseigner auf der Hauptversammlung Ende November auch offiziell als Aufsichtsrätin bestätigt werden. Da der HSV e.V. mit Präsident Jansen mehr als 75 Prozent der Anteile hält, ist diese Bestätigung aber nur eine Formalie. Schrum hat bereits die Vorstände kennengelernt und wurde vom Beirat auch schon als Kandidatin anerkannt.
Ihre erste Aufgabe im HSV-Aufsichtsrat wird die Suche nach einem Nachfolger Wettsteins sein. Dabei ist noch gar nicht entschieden, ob es tatsächlich nur einen oder vielleicht sogar zwei neue Vorstandsstellen geben soll. Nach der Entlassung des früheren Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmanns im März 2020 haben Wettstein und Sportvorstand Boldt bislang als Doppelspitze gearbeitet.
Der neue Aufsichtsrat will nun prüfen, ob man bei dieser Konstellation bleiben will und man „nur“ einen neuen Finanzvorstand braucht. Oder ob man perspektivisch nicht doch wieder in das alte Dreier-Modell zurückkehren will, das neben einem Finanz- und einen Sportvorstand auch einen klassischen CEO vorsieht.
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Wettstein-Aus: Wofür steht der HSV?
Wettstein, der voraussichtlich in der Länderspielpause die Jahresbilanz des abgelaufenen Geschäftsjahres präsentieren muss, dürfte diese Entscheidung nicht mehr großartig tangieren. Dem Rheinländer aus dem Kreis Düren ist allerdings wichtig, dass er einen geordneten Übergang gewährleisten kann. Sein Vorbild in dieser Hinsicht: DFL-Chef Christian Seifert, der ebenfalls frühzeitig verkündet hatte, seinen am 30. Juni 2022 auslaufenden Vertrag nicht mehr zu verlängern. Dem DFL-Aufsichtsrat wurde somit genügend Zeit eingeräumt, mit Donata Hopfen eine geeignete Nachfolgerin zu finden. Sie wurde von Seifert persönlich eingearbeitet.
Einen ähnlichen Weg strebt auch Jansen für den HSV an. „Wir werden die kommenden Wochen und Monate nutzen, um über die zukünftige Besetzung des Vorstandes zu entscheiden“, sagt der 35-Jährige. Jansen weiß seit Wochen von Wettsteins Entscheidung, wollte diese aber erst nach der Bekanntmachung kommentieren. „Wir haben in den vergangenen Wochen konstruktive Gespräche geführt, respektieren Franks Entscheidung und wissen um seine Verdienste für unseren Verein.“
Wettsteins Nachfolger (oder Nachfolgerin) soll allerdings nicht nur die Finanzen, sondern idealerweise den ganzen Verein im Blick haben. Gesucht wird jemand, der eine ganzheitliche Idee für den HSV mitentwickeln soll. Die Frage, wofür dieser HSV steht, soll beantwortet werden. Und geht es nach Wettstein, dann darf sein Nachfolger diese Frage im kommenden Jahr als Erstliga-Vorstand beantworten.