Hamburg. Der neue HSV-Coach setzt auf junge Spieler. Im Training deutet sich ein Systemwechsel an. Wie er dem Team Selbstvertrauen vermitteln will.
Die Trainingseinheit im Volkspark lief seit knapp 50 Minuten, da verteilte Horst Hrubesch bunte Leibchen. Die pinken gingen an die vermeintlichen Startelfspieler des HSV am kommenden Montag gegen den 1. FC Nürnberg (20.30 Uhr/Sky), in Grün wurden die Herausforderer gekleidet. Hrubesch deutete in einem Trainingsspiel erstmals an, auf welche Profis er im Saisonendspurt der 2. Bundesliga setzen könnte – und in welchem System er agieren lässt.
Horst Hrubesch verändert HSV-Elf
Fest steht: Hamburgs Interimscoach wird einige Änderungen im Vergleich zu Vorgänger Daniel Thioune vornehmen, der personell und taktisch viel probierte, am Ende aber meistens auf einen Stoßstürmer setzte. Mit Hrubesch dürfte es nun zur Rückkehr der Doppelspitze in einem 4-4-2 beim HSV kommen.
Als zweiter Angreifer neben dem gesetzten Simon Terodde durfte am Mittwoch überraschend Talent Robin Meißner vorspielen, der in dieser Saison erst 48 Minuten zum Einsatz kam und bei den Profis noch nie von Beginn an stürmte. Der 21-Jährige duelliert sich mit dem ein Jahr älteren Manuel Wintzheimer um die Position als zweite Spitze.
HSV: Warum Hrubesch auf Kinsombi setzt
Zu weiteren Änderungen wird es im Mittelfeld kommen. Hier setzt Hrubesch sowohl auf Rechtsaußen Bakery Jatta als auch eine Doppelsechs mit Youngster Amadou Onana und David Kinsombi, dessen Nominierung sogar noch mehr überrascht als die des 19 Jahre alten Belgiers. Kinsombi hinkt seit seinem Wechsel vor zwei Jahren als vermeintlicher Königstransfer von Holstein Kiel zum HSV den Erwartungen hinterher.
Doch Hrubesch scheint guter Dinge, dem formschwachen Profi zu alter Stärke zu verhelfen. Es ist kein Zufall, da Kinsombi im November 2012 unter dem damaligen U-18-Nationalcoach Hrubesch für den DFB-Nachwuchs debütierte. Die HSV-Ikone schätzt noch immer die Qualitäten des Mittelfeldspielers. Konkurrent Klaus Gjasula muss sich dagegen hinten anstellen. Auch Jeremy Dudziak trainierte nur in der vermeintlichen B-Elf.
Eine Rolle, mit der sich auch Aaron Hunt hätte anfreunden müssen. Nach Abendblatt-Informationen sieht Hrubesch die Leistungen des 34-Jährigen kritisch. Um jüngeren Spielern wie Onana zu mehr Spielzeit zu verhelfen, hätte der Trainer den Routinier ohnehin aus der Elf genommen. Eine Entscheidung, die ihm durch Hunts Muskelfaserriss in der Wade aber abgenommen wurde.
Hrubesch und Kittel – besonderes Verhältnis
Einen festen Platz in Hrubeschs Planspielen hat dagegen Sonny Kittel, zu dem der Coach eine besondere Beziehung pflegt. „Sonny ist sicherlich ein Erstligaspieler. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren“, sagte Hrubesch vor drei Wochen im Vereinspodcast „Pur der HSV“. „Er könnte aber noch mehr vorweglaufen und mehr Verantwortung übernehmen.“
So lief das erste Training von Horst Hrubesch beim HSV
Wohl auch deshalb schüttelte Hrubesch den Flügelstürmer im Training einmal ordentlich durch. Der erfahrene Coach weiß, wann er seine Spieler in dem Arm nehmen oder auch mal etwas härter anpacken muss.
Popp: Horst Hrubesch macht HSV besser
„Seine größte Stärke ist es, die Balance zwischen Empathie und Härte zu finden“, schwärmt Nationalmannschaftskapitänin Alexandra Popp im Gespräch mit dem Abendblatt. Die Stürmerin des VfL Wolfsburg erlebte Hrubesch 2018 für acht Spiele als Interimscoach der DFB-Frauen.
Hrubesch hatte eine völlig verunsicherte Mannschaft übernommen und ihr innerhalb kurzer Zeit wieder Selbstvertrauen und Spielfreude vermittelt. Eine Aufgabe, die er auch beim HSV erfüllen soll. „Er ist ein extrem starker Kommunikator innerhalb einer Mannschaft“, sagt Popp. „Mit dieser Eigenschaft wird er auch dem HSV helfen.“
HSV: Hrubesch braucht nur kurze Anlaufzeit
Es ist auffällig, dass der 70-Jährige bei seinen zahlreichen DFB-Stationen nicht viel Anlaufzeit benötigte, um Erfolg zu haben. Wer sich bei ehemaligen Wegbegleitern des früheren Kopfballungeheuers umhört, der erfährt nur Positives über Hrubeschs Art, eine Mannschaft zu führen und wieder an ihre Stärken zu appellieren.
„Ganz wichtig war, dass er uns das Selbstvertrauen zurückgab, was uns zuvor abhandengekommen war“, erinnert sich Popp. „Er führte viele Einzelgespräche und gab jedem von uns das Gefühl, dass wir Qualität haben und zu Recht Nationalspielerinnen sind. Dadurch gelang es ihm, uns in kurzer Zeit besser zu machen.“
Popp: Hrubesch pflegt Nähe zu HSV-Profis
Es ist genau diese Herangehensweise, auf die nun auch der HSV für die letzten drei Spieltage setzt. Nach fünf Spielen ohne Sieg trauten die Club-Verantwortlichen dem seit Montag freigestellten Daniel Thioune nicht mehr zu, die sportliche Wende zu schaffen. „Die Distanz zwischen Trainer und Spielern ist zu groß geworden“, kritisierte Sportvorstand Jonas Boldt. Unter Hrubesch soll sich die Stimmung nun wieder bessern.
„Er ist ein Kumpeltyp und immer für einen Spaß zu haben“, sagt nicht etwa Boldt, sondern Popp über ihre Erfahrung mit Hrubesch. „Er hatte damals kaum Distanz zur Mannschaft aufgebaut. Diese Nähe kam unserer Mannschaft zugute, und ich persönlich finde diese Art eines Trainers auch besser.“
Doch selbst wenn Hrubesch mit seiner Art als Menschenfänger ein besseres Verhältnis zu den Spielern aufbauen sollte als Vorgänger Thioune: Um den Aufstieg doch noch zu schaffen, braucht der HSV ein mittelgroßes Fußballwunder. Eines, das auch für Hrubesch kaum zu schaffen sein dürfte.