Hamburg. HSV-Talent Faride Alidou wechselt zu Eintracht Frankfurt und verdient spätestens ab Sommer sehr viel Geld. Kann man ihm das übel nehmen?

Der 18. August 2021 war eigentlich kein Tag, der sich durch besondere Ereignisse ins kollektive Gedächtnis der Nation brannte. Robert Redford feierte seinen 85. Geburtstag, in Straßburg rettete eine Katze seinem Besitzer das Leben und Lady Gagas Hundesitterin bat im Netz um Spenden. Aus HSV-Sicht war dieser Sommertag dennoch ein besonderer. Es war der Tag, an dem der Stern von Faride Alidou aufging.

An jenem Mittwochmittag spielte die U 21 des HSV gegen die U 21 von St. Pauli. Obwohl das Spiel offiziell unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, schaute es sich HSV-Cheftrainer Tim Walter im leeren Edmund-Plambeck-Stadion an. Und wie es der Zufall wollte, spielte der kurz zuvor 20 Jahre alt gewordene Alidou als rechter Flügelflitzer in der ersten Halbzeit genau auf der Seite groß auf, vor der Walter Platz genommen hatten.

Der Youngster schoss kein Tor und bereite auch keines vor. In der zweiten Halbzeit wurde er sogar schlechter und schlechter – und schließlich ausgewechselt. Doch in dieser ersten Halbzeit machte Alidou Sachen, die sonst keiner macht: Alidou-Dinge eben. Und er machte sie so überzeugend, dass am Ende der Partie, die der Nachwuchs des HSV mit 1:0 gewann, Walters Entscheidung stand: Diesen jungen Burschen, der noch nie ein Profispiel absolviert hatte, wollte er im Training dabei haben.

HSV: Alidou folgt dem Lockruf des Geldes

Gut vier Monate, neun Zweitligaspiele und zwei Tore später ist aus diesem Burschen das am meisten umworbene Talent Deutschlands geworden. Gemeinsam mit seinem Management hat der gebürtige Hamburger nun am gestrigen Mittwochvormittag die Zukunftsentscheidung getroffen, auf die alle HSV-Verantwortlichen seit Wochen gewartet haben, die aber anders als erhofft ausfiel – und die man in Kurzform so zusammenfassen kann: Alidou, Alida, Aliweg.

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Die ausführlichere Variante: Alidous Berater Dieter Gudel hat den HSV offiziell davon in Kenntnis gesetzt, dass sein Mandant den Club, der ihn ab seinem elften Lebensjahr ausgebildet hat, in Richtung Eintracht Frankfurt verlassen wird. Ablösefrei im Sommer. Oder gegen eine geringe Ablöse noch in diesem Winter. Diese letzte Frage blieb am Mittwoch genauso unbeantwortet wie die Bitte nach einer offiziellen Bestätigung der Clubs.

Alidou schottet sich bei Instagram ab

Doch auch so kam die durchgesickerte Grundsatzentscheidung bei den HSV-Fans naturgemäß weniger gut an. Grund genug für den mitteilungsfreudigen Alidou, seinen Instagram-Account vorerst nicht mehr öffentlich zugänglich zu machen.

In Hamburg sagt man so oder so Tschüs – und fragt sich vor allem, wie es dazu kommen konnte. Und auch hier gibt es eine Kurzform und eine etwas längere Version. Die Kurzform in einem Wort: Geld. In zwei Wörtern: viel Geld.

HSV: Alidou verdient in Frankfurt das 20-fache

Nach Informationen von Sport1 soll Eintracht Frankfurt zuletzt ein Jahresgehalt von 1,4 Millionen Euro geboten haben – was ungefähr das 20-fache von dem sein soll, was der Wilhelmsburger bislang beim HSV verdiente. Noch immer hat der Senkrechtstarter beim HSV einen gering dotierten Vertrag, der ihm lediglich für eine gewisse Anzahl von Profispielen entsprechende Boni sichert.

Erst als der Flügelflitzer zwei Monate nach seinem Alidou-Tag in Norderstedt vor den Augen Walters auch in seinem Profidebüt gegen Fortuna Düsseldorf (1:1) überzeugte, sollen sich die HSV-Verantwortlichen um ein verbessertes Vertragsangebot von rund 350.000 Euro im Jahr bemüht haben. Ein ordentliches Angebot, das Alidou an jenem 18. August wohl mit Kusshand angenommen hätte. Nur hat sich die Fußballwelt in den zwei Monaten weitergedreht – womit man dann auch schon bei der längeren Wie-konnte-das-passieren-Version wäre.

Hat der HSV eine Alidou-Verlängerung verschlafen?

Eine genaue Antwort auf diese Fragen wird es öffentlich wohl nie geben. Hat Sportdirektor Michael Mutzel zu spät reagiert? Hat Sportvorstand Jonas Boldt eine rechtzeitige Verlängerung verschlafen? Oder hätte Nachwuchschef Horst Hrubesch früher Bescheid geben müssen? Man weiß es nicht. Wissen tut man nur, dass der HSV wieder mal ein Top-Talent über Jahre ausgebildet hat, die Profis davon aber nicht profitieren werden. Und dass, anders als beispielsweise bei Jonathan Tah, der einst immerhin acht Millionen Euro einbrachte, man auch finanziell nicht profitieren wird.

Das wird nur Alidou selbst. Ob es ihn allerdings auch glücklich macht, steht auf einem ganz anderem Blatt Papier. Nachfragen könnte er beispielsweise bei Fiete Arp, der 2019 für das obszöne Gehalt von jährlich fünf Millionen Euro zu den Bayern ging – und unlängst in einem sehr tiefgründigen Interview mit dem Magazin „11Freunde“ berichtete, wie es ihm mit diesem neuen Supergehalt so ergangen ist. „Man kann sich auch mit sehr viel Geld alleine fühlen“, sagte Arp. „Erzählen darf ich das aber nicht. Wenn ich sage, es geht mir schlecht, ich habe Schlafprobleme oder bin sonst wie schwach, dann heißt es: Ja, aber der verdient ja so viel Geld ...“

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Alidous Manager berät einen Großteil der HSV-Talente

Dass Alidou nun bald auch sehr viel Geld verdienen wird, hat er seinem eigenen Talent zu verdanken – und seinem Manager Dieter Gudel. Der war vor seiner Zeit als Spielerberater rund sechs Jahre beim HSV tätig. Als Mitarbeiter „Organisation und Projektmanagement Profifußball“, kaufmännischer Leiter Nachwuchs, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums und schließlich als Direktor Sport und Administration. Dass kaum einer die besten HSV-Talente so gut wie er einschätzen kann, liegt in der Natur der Sache.

Zu seinen Klienten gehören auch die HSV-Jungprofis Joshua Vagnoman (21), Jonas David (21) und Anssi Suhonen (20), sowie die HSV-Talente Bryan Hein (20), Juho Kilo (19), Valon Zumberi (19), Arlind Rexhepi, Elijah Krahn, Bennet Wittig, Dimitriy Moor, Fawaz Kassimou und Felix Paschke (alle 18). Sie alle dürften von ähnlichen Verträgen träumen, die Arp und Alidou nun in der Tasche haben.

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Arp hat in dem Interview übrigens noch etwas gesagt: „Ich hätte für den HSV den FC Bayern ausgeschlagen. Aber nach meinem Gefühl kamen vom HSV nicht mehr die richtigen Signale.“ Im Fall von Alidou kamen diese Signale. Nur leider viel zu spät nach Robert Redfords Geburtstag und der Katzenrettung von Straßburg.