Hamburg. Als letzter Zweitligist beginnt der HSV mit der Vorbereitung – ohne Publikumsliebling Kittel, der wohl seinen neuen Club gefunden hat.

Für den heutigen Start in die Saisonvorbereitung hat sich die Medienabteilung des HSV etwas ganz Besonderes überlegt. Wenn Trainer Tim Walter mit seiner Mannschaft um 14 Uhr erstmals wieder den Trainingsplatz im Volkspark betritt, bietet die Pressestelle des Clubs einen Livestream der Einheit an. Sportvorstand Jonas Boldt wird interviewt, und natürlich wird auch Coach Walter seine ersten Eindrücke der digitalen Fangemeinde zum Besten geben.

Der ganz große Tusch vom ersten Training der Spielzeit dürfte aber trotz aller Kosten und Mühen ausbleiben. Denn auf neue Stars müssen die Anhänger beim Neustart genauso verzichten wie auf alte Stars.

HSV-Kandidat Benes wird von Star-Agentur beraten

Stichwort neue Stars: Zwei Neuzugänge werden an diesem Montag Premiere im Volkspark feiern. Doch weder Linksaußen Filip Bilbija (22), der ablösefrei von Absteiger Ingolstadt verpflichtet wurde, noch Ersatztorhüter Matheo Raab (23), der ebenfalls zum Nulltarif von Aufsteiger Kaiserslautern kam, dürften den Trikotverkauf in Asien ankurbeln.

Ähnliches gilt für Gladbachs Mittelfeldmann Laszlo Benes (24), den der HSV nur allzu gerne noch vor dem Trainingslagerstart am kommenden Sonnabend verpflichten möchte. Immerhin: Der Slowake darf mit Fug und Recht behaupten, von der gleichen Berateragentur wie Bayerns neuer Superstar Sadio Mané, Chelseas Blockbusterstar Kai Havertz oder Münchens Millionenmann Serge Gnabry vertreten zu werden – dummerweise genauso wie 138 andere mehr oder weniger talentierte Fußballer.

HSV stellt Kittel vom Training frei

Stichwort alte Stars: Auch auf die müssen die Nutzer des Livestreams verzichten, sofern man überhaupt beim HSV von Stars sprechen und schreiben darf. Den größten Starappeal hat wahrscheinlich noch immer Sonny Kittel (29), der fürs Erste vom Training freigestellt ist. Der Mittelfeldregisseur will in diesen Tagen seinen angestrebten Wechsel in die USA forcieren. Dem Vernehmen nach soll eine Einigung mit DC United aus Washington unmittelbar bevorstehen.

Geht der Transfer wie geplant über die Bühne, dürfte der HSV bis zum Start des Trainingslagers am kommenden Sonnabend um eine Million Euro reicher sein und um einen Star – oder zumindest ein Sternchen – ärmer. Da auch Bakery Jatta (24), der zweite HSV-Profi mit Starpotenzial, verletzungsbedingt (Muskelbündelriss) fehlt, muss ein eher trauriger Start ohne große Stars befürchtet werden.

Am Sonntag absolvierten Jonas Meffert (vorne) und HSV-Kapitän Sebastian Schonlau (hinten) ihre Laktattests im Campus im Volkspark. Bereits am Sonnabend waren die beiden wegen ihrer Routinekontrollen (unter anderem auch Augen und Zähne) im Athleticum des UKE.
Am Sonntag absolvierten Jonas Meffert (vorne) und HSV-Kapitän Sebastian Schonlau (hinten) ihre Laktattests im Campus im Volkspark. Bereits am Sonnabend waren die beiden wegen ihrer Routinekontrollen (unter anderem auch Augen und Zähne) im Athleticum des UKE. © WITTERS/TimGroothuis | Unbekannt

Nimmt man es ganz genau, ist es noch nicht einmal ein Start. Denn trainiert wurde bereits am Wochenende. Am Sonnabend und Sonntag wurden zwei Gruppen gebildet, die abwechselnd im Athleticum des UKE und im Campus im Volkspark unter Anleitung jeweils in Zweierteams schwitzen mussten. Jonas Meffert (27) und Sebastian Schonlau (27) bildeten ein Pärchen, ein anderes Duo bestand aus Robert Glatzel (28) und Ludovit Reis (22), und auch Moritz Heyer (27) und Robin Meißner (22) mussten Laktatmessungen über sich ergehen lassen. Gar nicht dabei waren die Sternchen Mario Vuskovic (20) und Josha Vagnoman (21), die nach ihren U-21-Länderspielen noch ein paar Tage Extraurlaub erhielten.

Ohne Stars, ohne Kittel, ohne Jatta, ohne Vuskovic und Vagnoman – und auch ohne Michael Mutzel startet der HSV in seinen fünften Versuch, in die Bundesliga zurückzukehren. Der Sportdirektor ist zwar noch immer dabei, aber längst nicht mehr mittendrin. Sportvorstand Boldt hatte Mutzel öffentlich degradiert und ihm untersagt, sich Mannschaft und Trainerteam zu nähern. Die krasse Begründung: Die Chemie zwischen Mutzel und der Mannschaft habe nicht mehr gestimmt. „Michael funktioniert in einer Führungsrolle um die Mannschaft nicht“, hatte Boldt gesagt. „Michael hat seit dem Kiel-Spiel keine Rolle mehr gespielt. Es gab kein Vertrauensverhältnis mehr.“

Start in die neue Saison: Leihprofis kehren zum HSV zurück

Die „Ohnes“ sind somit klar benannt – ein paar „Mits“ gibt es allerdings auch. Mit dabei beim ersten Training der Saison sind die Leihprofis Aaron Opoku (23/VfL Osnabrück), Xavier Amaechi (21/Bolton Wanderers), Meißner (22/Hansa Rostock) und Ogechika Heil (21/Go Ahead Eagles). Ob tatsächlich einer aus dem Quartett eine ernstzunehmende Chance unter Walter erhält, bleibt allerdings abzuwarten. Mittrainieren sollen zudem auch die Talente Maximilian Großer (20) und Jonah Fabisch (20), die sich auch Hoffnungen machen dürfen, mit ins Trainingslager zu reisen. Genauso wie Abwehrtalent Valon Zumberi (19), der allerdings nach seinen Länderspielen noch ein paar Tage Sonderurlaub bekommt.

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Und noch ein „Mit“, aus dem aber schon bald ein „Ohne“ werden soll, gibt es. Weiterhin mit dabei wird fürs Erste Ersatztorhüter Marko Johansson sein, ohne den der HSV aber am liebsten ins Steiermark-Trainingslager nach Bad Loipersdorf (25. Juni bis 2. Juli) reisen will. Der Schwede hat beim HSV nach der Verpflichtung von Lauterns Raab nicht mal mehr eine realistische Chance auf die Nummer drei. Mit Johanssons Management wird über einen Auflösungsvertrag (inklusive Abfindung) verhandelt.

Wer in den kommenden Tagen genau mit wem verhandelt, ist auch noch so eine Frage, die zeitnah beantwortet werden dürfte. Denn ohne einen präsenten Mutzel, aber mit Sportvorstand Boldt, der die Transferentscheidungen an sich zieht, wird es sich erst zeigen, wie schnell der zusammengeschrumpfte Kader – auf dem Trainingsplatz heute werden fünf Torhüter, aber nur 14 Profi-Feldspieler erwartet – qualitativ, aber auch quantitativ verstärkt werden kann. Immerhin: Unnötiges Stargehabe braucht Trainer Walter in der kommenden Saison nicht zu befürchten.