Hamburg. Der Trainer des Aufsteigers in die Handball-Bundesliga spricht über Kontinuität, Krafttraining und die Vertragsverlängerung.

Nach 27 Siegen, zwei Unentschieden und sechs Niederlagen steht der Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) als Meister der 2. Liga und Aufsteiger in die Bundesliga fest. An diesem Sonnabend (18 Uhr/sportdeutschland.tv) folgt beim letzten Punktspiel im baden-württembergischen Bietigheim die offizielle Ehrung. Torsten Jansen (44) wurde schon am Dienstagabend nach dem letzten Heimspiel gegen Hamm (32:28) ausgezeichnet, als bester Zweitligatrainer der Saison.

Der Weltmeister von 2007 führte das Team innerhalb von vier Jahren aus Liga drei in Liga eins. „Wir haben das eine oder andere Mal auch großes Glück gehabt, über die Saison gesehen hat sich das jedoch alles ausgeglichen“, sagt Jansen im Gespräch mit Abendblatt. „Wenn man aber die ganze Zeit in der Tabelle vorne steht, kann man nicht ganz so schlecht gewesen sein.“ Von Sonntag an hat die Mannschaft einen Monat Urlaub, Trainingsbeginn ist am 29. Juli.
 

Hamburger Abendblatt: Herr Jansen, Sie haben in Ihrer Karriere als Handballer fast alle nationalen und internationalen Titel gewonnen, wo würden Sie da den Bundesliga-Aufstieg mit dem HSV Hamburg einordnen?
 

Torsten Jansen: Jeder Erfolg hat seine eigene Geschichte, seine spezifischen Umstände und bleibt dadurch auch in der Erinnerung einzigartig. Aber nach dieser speziellen Saison mit Corona-Fällen am Anfang, wiederholter Quarantäne, ständigen Spielverlegungen, immer wieder neuen Verletzten mit einer Mannschaft aufzusteigen, die sich in den vergangenen drei Jahren gegenüber der 3. Liga in ihrer Besetzung nicht großartig verändert hat, das ist schon etwas ganz Besonderes.

Sie hatten oft alle drei Tage ein Spiel, dann wieder zwei Wochen lang keines. Wie haben Sie die Spannung bei den Spielern aufrechterhalten?

Jansen: Mit einer Mischung aus Belastung, Entlastung und freien Tagen. Es war manchmal schon ärgerlich, wenn wir ein Spiel per Video und im Training tagelang vorbereitet hatten, das dann im letzten Moment abgesagt wurde. Die Mannschaft war jedoch stets hochfokussiert, diszipliniert, und spätestens nach unserer Erfolgsserie im Dezember wusste jeder, dass wir um den Aufstieg mitspielen können. Das war noch mal der letzte Schuss Extramotivation, den es bei diesem Team aber gar nicht bedurft hätte. In ihrer ersten Zweitligasaison wurde die Mannschaft 2019 Zwölfter, in der vergangenen abgebrochenen Spielzeit Achter, jetzt Erster.

Sie haben stets das Potenzial des Teams hervorgehoben, hatten Sie aber diese rasante Entwicklung erwartet?

Jansen: Voraussagen sind im Leistungssport schwer zu treffen. Bleiben die Spieler gesund, verkraften sie zusätzliche Belastungen, verändern sich ihre Lebensumstände? Talent ist das eine, Wille, Einstellung, Durchhaltevermögen sind mindestens ebenso wichtig. Für die Entwicklung eines Teams spielen viele unvorhersehbare Faktoren eine Rolle.

Welche waren entscheidend?

Jansen: Dass sich die jungen Spieler verbessert und sich die Leistungen der älteren stabilisiert haben. Dadurch hatten wir in dieser Saison Konstanz auf einem höheren Niveau.

Nach dem Abbruch der vergangenen Serie im März 2020 hatten Sie ein halbes Jahr lang Zeit, die Mannschaft auf diese Spielzeit vorzubereiten. Sie haben das vor allem zum Kraftaufbau genutzt. Ihr Spielmacher Leif Tissier hat in dieser Phase acht Kilogramm Muskelmasse dazugewonnen. Sind in diesen sechs Monaten aus Ihren Jungs Männer geworden?

Jansen: In normalen Zeiten ist ein solcher kontinuierlicher Kraftaufbau über Monate hinweg nicht möglich. Handball ist zwar sehr athletisch geworden, aber eben immer noch ein Spiel, kein reiner Kraftsport. Insofern war es für uns sicherlich von Vorteil, die bei einer jungen Mannschaft immer vorhandenen körperlichen Defizite abbauen zu können. Auch in diesem Bereich haben wir noch Potenzial, doch wir sind jetzt auf einem ganz anderen Level als noch vor einem Jahr.

Reicht das, um auch eine Klasse höher bestehen zu können?

Jansen: Dieselbe Frage wurde uns schon nach dem Aufstieg in die 2. Liga gestellt. Die Antwort haben Sie spätestens in diesem Jahr erhalten.

Der Sprung von der Zweiten in die Erste Liga ist noch mal ein ganz anderer. Die meisten Aufsteiger sind gleich wieder abgestiegen.

Jansen: Jetzt genieße ich erst mal unseren Aufstieg, dann haben wir alle Urlaub, können dabei hoffentlich ein wenig abschalten, und danach beschäftige ich mich intensiv damit, wie wir die Klasse halten können.

Mit dem aktuellen Nationaltorhüter Johannes Bitter, Kreisläufer Manuel Späth und dem Halbrechten Nicolai Theilinger haben Sie bereits drei erfahrene Bundesligaspieler verpflichtet, weitere sollen folgen. Wie stark wird der Umbruch?

Jansen: Ich halte nichts davon, die halbe Mannschaft rauszuschmeißen, weil irgendjemand plötzlich Panik schiebt, der Kader könnte nicht gut genug für den Klassenerhalt sein. Wir haben in den vergangenen Jahren immer auf Kontinuität gesetzt, und Kontinuität, das hat sich gezeigt, kann das Zünglein an der Waage sein. Menschen sind anpassungsfähig, können sich auf neue Herausforderungen einstellen und mit ihnen wachsen. Entwicklungen im Sport sind dynamische Prozesse. Die Jungs, mit denen wir den Aufstieg geschafft haben, sind längt nicht am Ende ihrer Entwicklung. Natürlich brauchen wir in der Bundesliga mehr Erfahrung im Team, aber die bringen unsere drei Neuen im erheblichen Umfang mit. Sie werden, wenn wir sie gut integrieren können, wovon ich ausgehe, uns noch mehr Stabilität geben. Klar ist uns allen: Die Bundesliga wird ein ganz dickes Brett.

Das Sie bohren wollen? Haben Sie nach dem Aufstieg neben zahlreichen Glückwünschen auch Angebote anderer Vereine erhalten?

Jansen: Nein.

Ihr Vertrag beim HSV Hamburg läuft in einem Jahr aus. Wissen Sie schon, was Sie in den Jahren danach machen wollen?

Jansen: Wir führen gerade Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerung. Wer mich kennt, weiß, dass ich hier noch nicht fertig bin, dass meine Familie und ich uns in Hamburg wohlfühlen. Der Verein entwickelt sich gerade in eine Richtung, die wir uns so vorgestellt haben. Und wenn wir dann in der nächsten Saison auch noch eine Halle hätten, in der wir spielen können, spräche wohl viel dafür, dass wir uns auf eine weitere Zusammenarbeit einigen könnten.