Hamburg. Linksaußen Mortensen spricht Klartext: „Das war richtig schlecht von uns!“ War die Mannschaft nicht bereit?

Es war eine echte Party, die die Fans in der Sporthalle Hamburg feierten. Sprechchöre, Freudentänze, eigentlich waren alle Zutaten für einen schönen Sonntagnachmittag gegeben. Das Problem war, dass es nur die rund 20 mitgereisten Anhänger des SC DHfK Leipzig waren, die fröhlich den Sieg bejubelten. Im weitaus größeren Lager des HSV Hamburg (HSVH) herrschte nach der 24:33 (12:19)-Pleite Katerstimmung.

„Wenn man nicht bereit ist, kann man in der Bundesliga kein Spiel gewinnen. Das war richtig schlecht von uns, nur wenig hat geklappt“, resümierte HSVH-Linksaußen Casper Mortensen nach der 13. Saisonniederlage in der Handball-Bundesliga. „Wir sind super enttäuscht, dass wir in der vollen Halle nicht besser gespielt haben.“ Bester HSVH-Werfer war Kreisläufer Niklas Weller mit sechs Toren.

HSV Hamburg taktisch unterlegen

Mit Rückraumspieler Jan Kleineidam (Bänderverletzung in der Hand), Rechtsaußen Thies Bergemann (Haarriss im Fuß) und Kapitän Lukas Ossenkopp (Schultereckgelenksprengung) musste HSVH-Trainer Torsten Jansen auf drei Akteure verzichten. Nachdem Ossenkopp als Co-Trainer der Hamburger U 19 drei Stunden vor dem Profispiel noch einen 33:31-Hinspielerfolg im Achtelfinale der deutschen Meisterschaft über die MT Melsungen feiern durfte, sah der verletzte Kapitän einen völlig missratenen Start seiner Mannschaft.

Leipzigs Abwehrstärke war vor dem Spiel bekannt – einen passenden Angriffsplan hatte der HSVH dennoch nicht. Die Deckung der Gäste wirkte nicht nur einen Schritt schneller und einen Kopf größer, sie war es auch. Gerade einmal zehn Minuten waren gespielt, da rief Jansen sein Team entnervt zur ersten Auszeit. 1:6 stand es da, Leipzigs Rückraumschützen bekamen zu viel Platz und HSVH-Keeper Jens Vortmann keinen Ball an die Hand.

Jogi Bitter war nur zweite Wahl

Etwas überraschend hatte Vortmann, der vergangenen Sonntag beim 27:23-Sieg in Minden ein gutes Spiel gemacht hatte, den Vorzug vor Stammtorhüter Johannes Bitter erhalten. Nach elf Minuten beendete Jansen den Versuch, beorderte Bitter zwischen die Pfosten. Beim HSVH lief es offensiv jetzt etwas besser, wobei „besser“ weit entfernt von „gut“ war. Viele der 3213 Zuschauer stöhnten vor allem angesichts der indiskutablen Defensivleistung.

Bezeichnend, dass Bitter erst in der 22. Minute die erste Parade verzeichnen konnte, der Abpraller jedoch sofort wieder bei den Sachsen und anschließend zum 7:15 in seinem Tor landete. Jansen nahm die nächste Auszeit, Bitter wirkte, als würde er vor Tobsucht den Torpfosten durchtreten wollen. „Es ist mega nervig, wenn man eine Halbzeit lang nur freie Bälle aufs Tor kriegt. Da mache ich mir null Vorwurf, dass ich da nichts halte“, sagte der 39-Jährige.

HSVH-Keeper Jogi Bitter war zunächst überraschend nur Ersatz, dann wurde er im Stich gelassen.
HSVH-Keeper Jogi Bitter war zunächst überraschend nur Ersatz, dann wurde er im Stich gelassen. © Witters | Unbekannt

HSVH-Gegner vom Circus Europa inspiriert?

Nur weil Leipzigs Offensive nun wirkte, als hätte sie sich am Sonnabend bei einem Mannschaftsausflug von den Zauberern des Circus Europa am Dammtor inspirieren lassen, und Bälle leichtfertig abschenkte, baute sie den Vorsprung nicht weiter aus. Richtig bestrafen konnte der HSVH die verunglückten Trickpässe jedoch nicht, sodass zum Seitenwechsel die ernüchternde Bilanz von zwei Bitter-Paraden (insgesamt neun) und einem 12:19-Rückstand stand.

Wer sich zu Beginn der zweiten Halbzeit eine furiose Aufholjagd erhofft hatte, wurde enttäuscht. Das Hamburger Offensivspiel wirkte ideenlos, immer wieder rannten sich die körperlich unterlegenen Rückraumspieler im Leipziger Bollwerk fest. Mitleid konnte man fast mit den HSVH-Außen bekommen, die ähnlich viele Wurfchancen erhielten wie das Hamburger Seebär-Maskottchen „Fiete“ – nämlich so gut wie gar keine. „Im Angriff haben uns die Lösungen gefehlt, insgesamt aber auch die Intensität und Konzentration“, sagte Mortensen.

Am Ende gab selbst Jogi Bitter auf

Richtig spannend wurde es auch in der Schlussviertelstunde nicht mehr. Immer, wenn sich die Hamburger wieder auf fünf Tore herangekämpft hatten, schaltete Leipzig einen Gang hoch. Emotional waren die Hausherren spätestens dann gebrochen, als Leipzig erst einen lehrbuchhaften Kempa-Trick auspackte und wenig später nach einem erneuten technischen Fehler des HSVH auf 20:28 (52.) erhöhte. Während Bitter in der ersten Halbzeit noch regelmäßig fluchte, holte er in den Schlussminuten nur noch resignierend die Bälle aus dem Netz. Eine „positive“ Erkenntnis gab es dennoch: Noch höher als das 23:32 gegen den THW Kiel fiel die Niederlage nicht aus.

Sorgen bereitete Trainer Jansen der Blick auf den Tabellenkeller, wo GWD Minden und die HBW Balingen-Weilstetten den Abstand auf den HSVH verkürzen konnten. „Wenn wir hier Sonntag gegen Balingen spielen und gewinnen müssen, ist das eine Scheißsituation“, sagte Jansen mit Blick auf den noch nicht überstandenen Abstiegskampf.

Die Statistik:

  • Tore HSVH: Weller 6, Bauer 4, Mortensen 3, Tissier 3, Valiullin 2, Axmann 2, Forstbauer 2, Andersen 1, Wullenweber 1, Späth, Schimmelbauer, Gertges, Theilinger.
  • Tore Leipzig: Ivic 8, Witzke 5, Larsen 4, Gebala 3, Mamic 3, Binder 3, Sunnefeldt 2, Milosevic 2, Jotic 2, Remke 1, Ernst, Esche.
  • Schiedsrichter: Blümel/Loppaschewski