Leipzig. Neun Jahre nach seinem Rücktritt könnte der Weltmeister von 2007 bei der EM im Januar wieder im Tor der DHB-Auswahl stehen.

Das mit der Nachtruhe ist momentan so eine Sache bei Christian Prokop. Doch es sind weniger die kniffligen EM-Entscheidungen, die dem Handball-Bundestrainer kurz vor Bekanntgabe des Kaders am Freitag zu schaffen machen. „Schlaflose Nächte habe ich nicht“, sagt Prokop und lacht: „Aber kurz sind sie, da unsere Kinder jeden Tag sehr früh aufstehen wollen.“

Für Frühaufsteher Prokop gar nicht so schlecht: Der 40-Jährige hat so noch ein bisschen mehr Zeit, um an der perfekten Besetzung für den deutschen Medaillentraum zu tüfteln. Für weiteres Kopfzerbrechen beim Coach sorgte am Mittwoch die bittere Nachricht vom Ausfall Fabian Wiedes. Der Rückraumspieler von den Füchsen Berlin muss sich Ende des Jahres einer Schulteroperation unterziehen und dann für unbestimmte Zeit pausieren.

„Der Eingriff ist unumgänglich“, sagte DHB-Vizepräsident und Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning. Wiede ist nach Spielmacher Martin Strobel (Balingen) sowie dem Berliner Simon Ernst und dem Lemgoer Tim Suton (beide Kreuzbandriss) die vierte prominente Stammkraft im Rückraum, die dem DHB-Team beim Turnier in Norwegen, Österreich und Schweden (9. bis 26. Januar) nicht zur Verfügung steht. Der Linkshänder, den Prokop auch für die Mitteposition fest eingeplant hatte, war bei der Heim-WM vor einem Jahr als einziger deutscher Spieler ins All-Star-Team berufen worden.

Ex-HSV-Torhüter Bitter vor Comeback im Nationalteam

Eine kleine Sensation könnte es unterdessen im Tor geben, wo Johannes Bitter neun Jahre nach seinem Rücktritt womöglich vor einem spektakulären Comeback im DHB-Team steht. Der Weltmeister von 2007 und langjährige Profi des HSV Hamburg darf sich berechtigte Hoffnungen auf ein EM-Ticket machen.

„Jogi Bitter spielt eine Rolle und ist nicht nur eine Backup-Nominierung, auf keinen Fall“, sagte Prokop. Bitter bringe „konstant starke Leistungen in Stuttgart. Zudem ist er ein Spieler mit einer gewissen Aura und großer Erfahrung. Er ist ein ernst zu nehmender Kandidat.“

Am Freitag, knapp drei Wochen vor dem deutschen EM-Auftaktspiel gegen die Niederlande, wird Prokop sein Geheimnis lüften und preisgeben, welche beiden Torhüter das EM-Gespann bilden. Neben Bitter hoffen noch Silvio Heinevetter (Füchse Berlin) und Dario Quenstedt (THW Kiel) auf den Platz an der Seite von 2016-Europameister Andreas Wolff, der für das Turnier gesetzt ist.

Prokop legt sich nicht auf Nummer eins fest

Die Festlegung auf Wolff als klare Nummer eins, quasi als Manuel Neuer des Handballs, wird es im Gegensatz zum vergangenen Jahr diesmal aber nicht geben. Zumindest vorerst nicht. „Das halte ich mir offen. Ich bin froh, dass ich aus vier starken Torhütern wählen kann, die sicherlich noch nicht alle in Topform sind, die wir aber in Topform bei der EM brauchen werden“, sagte Prokop: „Die Jungs geben mir alle ein gutes Gefühl. Am Ende muss ein Gespann funktionieren, und das alle 48 Stunden.“

Bitter war nach der WM 2011 aus familiären Gründen aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, er kehrte im Juni 2014 lediglich für die Play-offs der WM-Qualifikation zurück. Vor den ersten beiden Turnieren (EM 2018, WM 2019) unter Coach Prokop gehörte Bitter jeweils zum erweiterten Kader, stand dann aber beide Male nicht im finalen Aufgebot.

Bitter führt Ligarangliste an

„Das Gros der Mannschaft steht, auf zwei, drei Positionen gibt es noch Entscheidungen zu treffen, die aufgrund der Leistungsdichte sehr eng sind“, sagte Prokop und betonte, dass bei der Beurteilung sogar der Bundesliga-Spieltag am Donnerstag noch eine Rolle spielen könnte.

"Jogi" Bitter wird die letzte Runde des DHB-Castings entspannt verfolgen. Der 37-Jährige hat spielfrei, seine Bewerbung steht: Mit 172 Paraden führt er die Torhüter-Rangliste an. Auch die 21 gehaltenen Siebenmeter sind ligaweit Bestwert. Bitter spielte fast neun Jahre für den HSV Hamburgund gewann in dieser Zeit die deutsche Meisterschaft und die Champions League. Nach der Insolvenz und dem Bundesliga-Rückzug des Clubs wechselte er 2016 zum TVB Stuttgart.