Hamburg. Nach dem Weltrekordspiel gegen den DHK Flensborg denken die HSV-Handballer über Verstärkungen im Winter nach.

Die Spieluhr stand bei 41:16 Minuten, als Stefan Schröder seinen Mitspielern vom Handball-Sport-Verein Hamburg ganz tief in die Augen schaute. Trainer Jens Häusler hatte gerade beim Stand von 21:23 eine Auszeit beantragt, weil das Spiel gegen den DHK Flensborg überhaupt nicht laufen wollte wie geplant. Die Spieler hörten, was Häusler ihnen zu sagen hatte. Aber sie hörten auch, wie Hallensprecher Marco Heinsohn die offizielle Zuschauerzahl durchsagte: 8555. Mehr, als je bei einem Drittligaspiel in dieser Sportart gezählt worden waren. Mehr auch, als sie beim HSV zu hoffen gewagt hatten. In diesem Moment also erkannte Schröder „ein Glänzen in den Augen bei jedem von uns. Die Zahl hat noch einmal Kräfte freigesetzt und uns zum Sieg getragen.“

Fünf Tore warf der HSV in den folgenden vier Minuten, die Flensburger keines. Das sollte entscheidend sein, um das Spiel mit 37:32 (17:16) zu gewinnen und die festliche Stimmung am zweiten Weihnachtstag zu retten. Am Ende wurde der HSV wie zu besten Bundesligazeiten von den Fans, unter ihnen Sportsenator Andy Grote und Staatsrat Christoph Holstein, mit stehenden Ovationen und Humba-Täterä-Ritualen in den Kurzurlaub verabschiedet.

Schröder spricht von Denkmal

Es war ein Sieg, der wohl weit mehr wert war als zwei Punkte für die Tabelle der Nordstaffel. „Wir haben uns mit diesem Spiel ein Denkmal gesetzt“, sagte Schröder. Er war einer der wenigen im Team, die ermessen konnten, was da in der Barclaycard Arena auf den HSV zukommen würde.

Schröder (35), der Weltmeister von 2007, gehörte zur insolventen Bundesligamannschaft, die sich exakt 365 Tage zuvor an gleicher Stelle mit einem 36:24-Sieg gegen Göppingen gegen das Aus aufbäumte. Inzwischen wirkt der Rechtsaußen zusätzlich auf der Geschäftsstelle als Aufbauhelfer beim einstigen deutschen Meister. Aber auch er war kaum weniger aufgeregt als seine Mitspieler. „Wir haben ein halbes Jahr für dieses Spiel gearbeitet“, sagte Schröder, „der Sieg war die Belohnung.“

Kapitän Sebastian Bütow schwärmte von „einem unbezahlbaren Tag“. Auch der frühere Meistertrainer und jetzige Vizepräsident Martin Schwalb verspürte bei der Rückkehr an seinen langjährigen Arbeitsplatz „Gänsehaupt pur, ein ganz besonderes Erlebnis“.

HSV-Präsident denkt an Wiederholung

Es bleibt vorerst einmalig. Die weiteren Heimspiele finden wie schon die bisherigen in der Sporthalle Hamburg statt. Aber Präsident Marc Evermann dachte angesichts des großen Erfolgs bereits über eine Wiederholung nach: „Das war eine schöne Bestätigung für die Arbeit der vergangenen Monate. Wir haben die Option, über weitere Spiele in der Arena zu reden. Aber das hängt auch vom sportlichen Saisonverlauf ab.“

Dank des gelungenen Rückrundenstarts bleiben die Aufstiegschancen jedenfalls gewahrt. Die Topmannschaften Norderstedt/Henstedt-Ulzburg und Altenholz müssen ja noch in Hamburg treten. Und dass sie eine mögliche Aufstiegsoption überhaupt wahrnehmen würden, ist keinesfalls sicher.

HSV-Handballer noch nicht zweitligatauglich

Das Spiel hat allerdings bei aller Euphorie auch deutlich gemacht, dass der HSV derzeit nur bedingt zweitligatauglich ist. Dass am Anfang manches danebengeriet, sei verziehen. „Das war der Aufregung geschuldet“, sagte HSV-Trainer Häusler. Seine Mannschaft tat sich allerdings auch mit fortschreitender Spielzeit schwer, fand gegen die Flensburger Deckung mit einem vorgezogenen Spieler kaum spielerische Lösungen, sondern musste sich auf ihre Konterqualitäten verlassen – und auf ihre Leistungsträger.

Wie so oft ragte Lukas Ossenkopp heraus, der Spielmacher traf zehnmal, davon viermal per Siebenmeter. Auch auf Kreisläufer Niklas Weller und Rechtsaußen Schröder mit jeweils sieben Toren konnte sich Häusler verlassen.

HSV erwägt Verstärkungen

Was aber, wenn sie ausfallen? Häuslers Kader ist zwar groß, aber nicht auf allen Positionen auch tief. Deshalb erwägen sie jetzt beim HSV, sich noch in der laufenden Saison weiter zu verstärken. Vor allem Weller ist derzeit nicht gleichwertig zu ersetzen. „Wenn wir bis zum Ende der Wechselfrist am 15. Februar jemanden finden, der uns weiterhilft, dann werden wir tätig“, sagte Häusler, „aber wir werden sicher nicht in Aktionismus verfallen.“

Seine Spieler können sowieso vorerst ausspannen. Bis 5. Januar geht es in den verspäteten Weihnachtsurlaub, danach ins Trainingslager nach Hollenstedt. Am 14. Januar dann darf sich der HSV noch einmal auf großer Handballbühne präsentieren: Beim Vorbereitungsturnier um den Benthack-Cup spielt unter anderem Bundesligist TBV Lemgo in der Sporthalle Hamburg vor.