Lingen (Ems). Die HSV-Handballer scheitern in der ersten Runde in der Verlängerung. Biegler fordert von seinen Spielern, Verantwortung zu übernehmen.

Für einen Moment waren Sieger und Verlierer dieses Pokaldramas nicht zu unterscheiden. Die Handballer der HSG Nordhorn-Lingen und die des HSV Hamburg hatten beide vor einer Schmalseite der Emslandarena Aufstellung genommen und applaudierten ihren Anhängern. Dann aber machten die Hamburger kehrt und verschwanden. Bloß weg von dem Ort, an dem sie gerade zum Opfer einer Sensation geworden waren: Aus in der ersten Runde, 29:30 (15:12, 25:25, 27:27) nach Verlängerung, zum ersten Mal bei einem Zweitligisten gescheitert. Der neue HSV sah bei seiner Premiere ganz alt aus.

„Es ist sehr schade, ein Erfolg hier hätte unserer neu formierten Mannschaft einen Kick für den Start in die Bundesliga gegeben“, sagte der neue Trainer Michael Biegler, „jetzt müssen wir am Sonntag in Leipzig bei null anfangen.“ Bis dahin bleibt noch viel zu tun, das haben die 70 Minuten am Sonntagabend in Lingen (Ems) gezeigt.

HSV und Pokal – das scheint in dieser noch jungen Saison sportartübergreifend nicht zusammenzupassen. Am Sonnabend immerhin hatten sich die Handballer noch beim am Ende lockeren 34:23-(14:11)-Sieg über den Zweitligaaufsteiger Ferndorf schadlos gehalten. Das konnte kein Maßstab sein für einen Verein, der vor zwei Jahren noch den Champions-League-Sieg gefeiert hatte. Das mag sich unbewusst manch Spieler auch vor dem kleinen Finale dieses Pokalturniers gedacht haben, schließlich gehören Ferndorf und Nordhorn-Lingen zur gleichen Liga.

Tore werfen war das große Manko

An der Einstellung seiner Mannschaft aber mochte Biegler nichts aussetzen, als er sich am Sonntagabend auf das Sofa im Presseraum der Emslandarena sinken ließ und über den Fehlstart seines neuen HSV grübelte. „Wir haben es versäumt, uns für die gute Abwehr- und Torwartleistung mit Toren zu belohnen“, sagte Biegler. Schon kurz vor der Halbzeit der regulären Spielzeit hatte sich seine Mannschaft erstmals um zwei, dann sogar um drei Tore abgesetzt und den Vorsprung bis eine Viertelstunde vor Schluss gehalten – aber eben nicht ausgebaut, obwohl allein Torwart Johannes Bitter mit seinen insgesamt 16 Paraden ausreichend Gelegenheiten dazu eröffnete.

Dann geschah Wunderliches: Fünfmal hintereinander traf nur Nordhorn-Lingen, zweimal in Unterzahl, und als Pavel Mickal ins leere HSV-Tor traf – Bitter war zu weit aufgerückt –, führte der Außenseiter 23:18. Noch nach 56 Minuten lag der HSV mit drei Toren in Rückstand (22:25). Dass er sich überhaupt in die Verlängerung rettete, war einer Abwehrumstellung Bieglers und ansonsten ähnlich glücklichen Umständen zu verdanken wie eine Woche zuvor bei den Fußballern in Jena.

Aber, und auch da tat sich eine Parallele auf: Nordhorn-Lingen hörte nicht auf, an sich zu glauben. HSV-Kreisläufer Ilija Brozovic glich 20 Sekunden vor dem Ende der Verlängerung aus. Doch Asbjörn Madsen gelang im Gegenzug aus unmöglichem Winkel der von 1400 Zuschauern umjubelte Siegtreffer.

„Die Jungs müssen jetzt aus dem Quark kommen"

Madsen ist neu in Nordhorn. Das sollte erwähnt werden, weil beim HSV von den vielen Neulingen bis auf Brozovic (sechs Tore) und Abwehrchef Piotr Grabarczyk in diesem Spiel wenig zu sehen war. Jener Daanimaa und Drasko Nenadic auf den Halbpositionen waren ständige Unsicherheitsfaktoren – für die eigene Mannschaft. „Die Jungs müssen jetzt aus dem Quark kommen und Verantwortung übernehmen“, forderte Biegler.

Noch sind es die Alten, die beim neuen HSV den Rhythmus bestimmen: Bitter, auf den wie immer Verlass war; Kapitän Pascal Hens, der bei seinem Comeback nach überstandener Bauchmuskelverletzung für die indisponierten Spielmacher Allan Damgaard und Alexander Feld als Ballverteiler einsprang. Vor allem aber Hans Lindberg. Der Däne hat sich von seiner schweren Nierenverletzung schon so gut erholt, dass ihm Biegler zwei volle Spielzeiten gönnte. Lindberg dankte es mit insgesamt 19 Toren, neun allein gegen Nordhorn-Lingen. Doch auch sie reichten nicht, um zu vermeiden, beim echten Final Four, der Endrunde am 30. April /1. Mai in der heimischen Barclaycard-Arena, wieder zuschauen zu müssen.

Für den SV Henstedt-Ulzburg war die erste Pokalrunde erwartungsgemäß schon am Sonnabend beendet. Der Zweitligist, der die Austragung seines Turniers aufgrund des finanziellen Risikos an den VfL Eintracht Hagen abgetreten hatte, unterlag dem Vorjahresfinalisten SC Magdeburg mit 23:38 (12:15). Überhaupt blieben die großen Überraschungen bei der Premiere des Modus weitgehend aus, was wiederum dessen Kritiker vorausgesagt hatten. Gerade die Underdogs sind die Leidtragenden der Reform, sofern sie nicht das Glück haben, ein Turnier ausrichten zu dürfen. Und für die einheimischen Zuschauer sind die Spiele ohne Beteiligung ihrer Mannschaft uninteressant.

Das Achtelfinale wird am 28. Oktober ausgespielt, dann wieder im althergebrachten K.-o.-Modus. Die Paarungen werden am 6. September in Magdeburg ausgelost.