Hamburg. Der künftige HSV-Handball-Trainer Michael Biegler über seine Pläne in Hamburg und seine Doppelfunktion als polnischer Nationalcoach.

Das Spiel der HSV-Handballer am Sonntag (17.15 Uhr) beim TBV Lemgo wird Michael Biegler nur aus der Ferne verfolgen. Der künftige Hamburger Trainer weilt im Familienurlaub auf der Kanareninsel La Gomera. Aber, erzählt er am Telefon, selten sei er so gut vorbereitet an eine Aufgabe herangegangen wie diesmal.

Hamburger Abendblatt: Herr Biegler, haben Sie schon eine Wohnung in Hamburg?

Michael Biegler: Es ist alles in Arbeit. Trainingsauftakt ist am 2. Juli, danach sind wir eh erst einmal unterwegs. Ich habe Bekannte in und um Hamburg, außerdem unterstützt mich der HSV dabei. Wichtiger ist mir, dass ich mich arbeitstechnisch schnell einfüge.

Sie haben den HSV des Öfteren beobachtet. Mit welchem Eindruck?

Biegler : Es steht mir nicht zu, etwas zur jetzigen Mannschaft zu sagen. Sie wird sich zur kommenden Saison verändern. Tatsache ist, dass ich viel Zeit hatte, um mich auf meine Aufgabe vorzubereiten.

Neben Ihrer Tätigkeit als polnischer Nationaltrainer, der Sie ja vorerst bleiben. Bis zu den Olympischen Spielen 2016?

Biegler : Wir haben mit der polnischen Föderation ein primäres großes Ziel, und das ist im Januar die EM im eigenen Land. Das Turnier findet in tollen Städten und Arenen vor einem wahnsinnig sportbegeisterten Publikum statt. Ich bin sicherlich kein Fan einer solchen Doppelfunktion. Aber sie ist machbar, wenn sie gut strukturiert ist. Die wenigen Überlagerungen sind mit allen beteiligten Personen besprochen, und ich finde, wir haben adäquate Lösungen gefunden. So wird zum Beispiel die polnische Auswahl Teile der EM-Vorbereitung in Hamburg durchführen, sodass ich in diesem Zeitraum beide Mannschaften betreuen kann.

Sie haben mit Polen Anfang des Jahres WM-Bronze gewonnen, jetzt kommt die EM im eigenen Land. Geben Sie da nicht einen Traumjob für den HSV auf?

Biegler : Diese EM war von meinem Dienstantritt 2012 an unser Ziel. Polen ist eine Nation mit großer Tradition und guten Ergebnissen im Handball. Die Mannschaft befand sich nach den Erfolgen bei der WM 2007 mit Silber und 2009 mit Bronze in einem Umbruch. An dem arbeiten wir, indem wir junge Spieler integriert und auch die Spielweise umgestellt haben. Insofern denke ich, dass das geforderte Profil beim HSV dem sehr nahekommt.

Weil auch diese Mannschaft im Umbruch steckt?

Biegler : Es geht darum, nach der deutschen Meisterschaft 2011 und dem Champions-League-Sieg 2013 eine neue Ära zu entwickeln. Momentan sind solche Erfolge sicher illusorisch. Aber ich glaube, dass in Hamburg großes Potenzial vorhanden ist. Schauen Sie: Ich bin ein absoluter Fan der Lanxess-Arena in Köln. Aber dort ist kein Handball-Bundesligist beheimatet, sodass Hamburg aus meiner Sicht die schönste Handballhalle in Deutschland stellt. Die Stadt ist für mich von den Großstädten die schönste in Deutschland. Der Verein konsolidiert sich, stellt sich strukturell anders auf und bekommt eine neue Mannschaft. Die Trainingsbedingungen sind exzellent. Der Nachwuchs ist aus meinen Beobachtungen heraus dort schon seit längerer Zeit gut beheimatet und somit gut aufgestellt.

Bisher ist es dem HSV allerdings nicht recht gelungen, Talente an den Profikader heranzuführen. Werden Sie sich dieses Themas annehmen?

Biegler : Sehr gerne sogar. In Polen waren viele Leute überrascht, dass sich der Nationaltrainer Jugendspiele und sogar Trainingseinheiten anschaut, um Zusammenhänge besser verstehen zu können. Ich werde meine Tage in Hamburg aus den gleichen Gründen sehr arbeitsintensiv gestalten, genügend Zeit dazu habe ich ja, da ich von meiner Familie erst mal räumlich getrennt bin.

Wird Ihr Vorgänger Jens Häusler Ihr Assistent sein?

Biegler : Er ist Trainer der sehr ambitionierten U23-Mannschaft, die weiterhin hohen Stellenwert genießt. Genaue Absprachen und Arbeitsprozesse werden wir noch treffen und festlegen.

War es schwer, als Deutscher in Polen akzeptiert zu werden?

Biegler : Zu Beginn war es jedenfalls nicht einfach. Auch weil ich mit Bogdan Wenta einen sehr erfolgreichen Vorgänger hatte. Aber letztlich haben wir mit viel Unterstützung der Föderation einen Weg mit guten Ergebnissen eingeschlagen. Wir haben die Nationalmannschaft von Beginn an für junge Spieler geöffnet. Es zeichnet sich schon ab, dass Teile der jetzigen Nationalmannschaft das Korsett der künftigen für die Zeit nach 2016 bilden werden.

Sie haben an der Sporthochschule studiert und gearbeitet. Mussten Sie sich selbst immer wieder neu erfinden, um sich über einen so langen Zeitraum in dem Geschäft halten zu können?

Biegler : Mein Augenmerk liegt auf der Entwicklung neuer Trainingsmethodiken. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich für den Weltverband IHF Vorträge halten darf. Dies ist vielleicht den zahlreichen von mir veröffentlichten Lehrvideos geschuldet. Einige Ideen habe ich noch für Gegenstoß und Angriffsspiel, die ich gern umsetzen würde. Die tägliche Arbeit beim HSV gibt mir dazu eine gute Gelegenheit, die es mit einer Nationalmannschaft aufgrund nur weniger Lehrgangstage nicht gibt. Wobei ich sehr dankbar dafür bin, dass ich mithilfe der polnischen Mannschaft eine Methodik zum handballspezifischen Athletiktraining entwickeln konnte.

Was macht Ihr Polnisch?

Biegler : Ich verstehe die Sprache immer besser. Aber sprechen werde ich sie nicht können, dafür ist sie zu komplex und zu weit weg vom Englischen oder Französischen. Bei einer Pressekonferenz habe ich einen vorgefertigten Text auf Polnisch verlesen. Es dauerte nur 58 Sekunden, ich habe trotzdem mehrere Fehler gemacht, die mich geärgert haben. Aber ich wollte es als Verbeugung vor der gezeigten Trainingsleistung meiner Mannschaft verstanden wissen. Und das ist hoffentlich angekommen.

Für Johannes Bitter ist die Saison beendet. Der HSV-Torwart wird am Mittwoch in Berlin an der Leiste operiert und fällt etwa sechs Wochen aus.