Hamburg. Der Durststrecke in der Liga folgt ein klarer 36:26-Sieg im EHF-Pokal gegen Haslum – Torwart Bitter überragt mit 25 Paraden

Selbst der notorisch nette HSV-Trainer Jens Häusler kann das Wort „Wundertüte“ langsam nicht mehr hören. „Das ist so eine kleine Tüte am Kiosk“, meinte er im grauen Kabinengang der Sporthalle Hamburg, „aber so beschreibt man keine Mannschaft“. Doch dann blieb auch er in der populärsten HSV-Metapher der letzten Wochen und sagte nach dem 36:26 (17:8)-Kantersieg im EHF-Pokal-Gruppenspiel gegen Haslum HK aus Norwegen: „Wenn man eine Wundertüte öffnet, kann ja auch etwas zum Freuen rauskommen.“

Ja, zur Abwechselung bereitete der Handball-Sport-Verein Hamburg den immerhin 1623 Zuschauern mal wieder Freude. Keeper Johannes Bitter, den Hallensprecher Christian Stübinger gemäß der kreischenden Trikotfarbe als „gelbe Wand“ hochleben ließ, formulierte es schnörkelloser: „Wir hatten viel Ärger und wollten das Spiel schnell klarstellen. Wir haben den Hammer rausgeholt!“ Das war auch nötig nach den „weggeschenkten Spielen mit Kollektivausfällen“ (Häusler) am Vorsonntag beim No-Name-Club Haslum (32:34) und am Mittwoch beim Bundesliga-Abstiegskandidaten TSG Ludwigshafen-Friesenheim (23:30).

„Jogi“ Bitter wäre aber nicht „Jogi“ Bitter, wenn er den Sieg im vierten Gruppenspiel verklären würde. Seine 25 (!) Paraden – schon in der ersten Halbzeit hielt er 17 von 25 Bällen – ordnete er so ein: „Haslum war keine richtige Messlatte, natürlich werfen die viel aufs Tor, aber ich habe da auch den Anspruch, viel zu halten.“ Tatsächlich waren die Torwürfe der von Amateuren gespickten Skandinavier oft unpräzise. Coach Häusler hob aber auch hervor, dass die HSV-Abwehr diesmal schon viele Würfe entschärfte: „Das Zusammenspiel zwischen Jogi und der Abwehr war toll!“

Auch der 47-Jährige suchte nach Erklärungen für die schier unerklärlichen Schwankungen des Bundesliga-Zehnten. Er sprach vom „ganz großen Kräfteverschleiß“ in diesen englischen Wochen. Zwischen dem vom Flugpersonalstreik überschatteten Norwegen-Horrortrip am Vorwochenende und der Rückkehr aus Friesenheim am Donnerstag „war ich nur 24 Stunden zu Hause. Das hat auch mich geschlaucht, obwohl ich nicht selbst auf der Platte stand“, sagte der frühere Abwehrrecke. Nicht gelten lässt er dagegen die These, die zehn zum Saisonende auslaufenden Verträge würden die betroffenen Profis verunsichern: „Ich war als Spieler selbst in der Situation: Wenn ich um einen neuen Vertrag spiele, was mache ich? Dann bringe ich erst recht gute Leistungen. Sonst werden auch keine anderen Clubs auf mich aufmerksam.“

Einer, dessen Zukunft beim HSV auf der Kippe steht, ist Linksaußen Kevin Schmidt. Er gilt als zu verletzungsanfällig. Endlich mal wieder seit zwei, drei Wochen im Training, machte der 26-Jährige seine Sache als Ersatz von Torsten Jansen (muskuläre Probleme in der Wade am Übergang zur Achillessehne) am Sonnabend aber sehr gut, mit fünf Treffern war er nach Rechtsaußen-Tormaschine Hans Lindberg (acht) der erfolgreichste HSV-Torjäger. „Ich weiß, was ich kann, ich muss mich jetzt im Training und in meinen Einsatzminuten anbieten.“ Die Frage, ob er beim HSV bleiben wolle, beantwortete er klar mit „Ja!“. Schmidt lieferte auch eine stimmige Analyse, was im Rückspiel gegen Haslum besser lief: „Wir haben uns die letzten zwei Spiele auf Video angesehen. Wir hatten uns in Einzelaktionen verstrickt. Jeder war mit sich selbst beschäftigt, das war heute anders. Der Ball lief viel besser. Jetzt wollen wir in der Liga nachlegen.“

Die Chance dazu bekommt der HSV schon an diesem Dienstag im Heimspiel gegen den Tabellendritten SC Magdeburg (20.15 Uhr/O2 World), ehe es dann am Sonnabend in Slowenien bei Gorenje Velenje um Platz eins in EHF-Cup-Gruppe A geht.

Über seinen Ex-Club Magdeburg meinte Bitter: „Ich habe gegen Magdeburg noch nie zu Hause verloren. Allerdings war es wohl auch noch nie so schwer wie diesmal. Die Mannschaft hat sehr viel Selbstbewusstsein und einen qualitativ topbesetzten Kader. Außerdem spielt sie sehr schlau.“ Immerhin gewann der HSV in der Hinrunde in Magdeburg (26:25), und Jansen deutete im Vorbeigehen an, dass er am Dienstag zurück im Kader sein will.

Am Sonnabend waren die HSV-Handballer aber erst einmal erleichtert. Allen war anzumerken, wie angespannt die Nerven im Verein waren. Der französische Weltmeister Kentin Mahé sprach beispielsweise nicht mit der Presse, weil ihn ein Zeitungsbericht verletzt hatte, Geschäftsführer Christian Fitzek wird bei solchen Siegen plötzlich die Gelöstheit in Person. In der Pause griff er sich im Presseraum eine Räucherschinken-Brezel und flötete: „Bei so einer Halbzeitführung geht es einem immer gut.“ Und die Spieler? Die ließen sich nach getaner Arbeit ein großes Tablett mit frischem Pils in die Kabine reichen.