In der Halbzeit und nach der 28:32-Pleite gegen Lemgo knöpft sich Mäzen Andreas Rudolph die HSV-Handballer vor. Nun droht der Abstiegskampf. Wie lange lässt Rudolph Trainer Gaudin noch weiterarbeiten?
Hamburg. Das schwarze Cap und die schwarze Lederjacke von Andreas Rudolph wirkten am Sonntagabend wie ein Trauerflor. Versteinert und versteckt verfolgte der Macher des HSV Handball aus dem Spielertunnel der O2 World das 28:32 (10:15)-Debakel gegen den zu dem Zeitpunkt Bundesligaletzten TBV Lemgo. Mal verschränkte der Mäzen die Arme vor der Brust, mal schüttelte er den Kopf, den Coach Christian Gaudin quer gegenüber hatte er genau im Visier. Ganz still war er, doch das war eine trügerische Stille.
Schon nach der unterirdischen ersten Spielhälfte war er in der Kabine, und „machte die Spieler ganz schön zur Sau“, wie ein Zeuge schilderte. Und nach der Partie knöpfte er sich das Team wieder vor. Öffentlich sprach wieder mal nur sein Bruder, Hauptgesellschafter Matthias Rudolph: „Einige Spieler scheinen nicht bundesligareif“, flüsterte er und rechnete vor, dass man vier der vergangenen fünf Ligaspiele verloren habe. Mit nun 18:20 Punkten droht dem HSV sogar wieder der Abstiegskampf. Da reicht ein Blick auf das Jahresrestprogramm: auswärts in Hannover (20. Dezember), auswärts in Kiel (23. Dezember) und zu Hause gegen die Rhein-Neckar Löwen (27. Dezember).
Was war nur wieder los am Sonntagabend mit dem HSV, der nach dem Saisonfehlstart doch scheinbar schon die Kurve gekriegt hatte? „Das war eine Scheißleistung“, befand Hans Lindberg aufgelöst in der Mixedzone. Der dänische Rechtsaußen war mit zehn Toren (vier Siebenmeter) wieder einmal der beste HSV-Schütze. Aber ein Lindberg reicht eben nicht. Der Hallensprecher bedankte sich bei den 6781 Zuschauern nachher: „Danke, dass Sie unser Team nicht ausgepfiffen haben.“
Es wurde eklatant deutlich, dass der HSV ohne gelernten Kreisläufer und ohne Linkshänder für den rechten Rückraum zu verwundbar ist. Die Ausfälle von Henrik Toft Hansen (Siebbeinbruch) und Adrian Pfahl (Muskelfaserriss im Oberschenkel) waren nicht zu kompensieren. Und als in der zweiten Hälfte auch noch Keeper Johannes Bitter wegen einer Muskelverletzung im Knie draußen bleiben musste, war das Spiel endgültig verloren. Einen Kreuzbandriss schlossen die Verantwortlichen aus, am Montag soll ein MRT gemacht werden. Falls der 32-Jährige nun auch noch ausfällt, wäre das „der SuperGAU“, so Präsident Karl Gladeck.
Wie lange lässt Rudolph Gaudin noch weiterarbeiten?
Aber auch schon mit Bitter in der ersten Halbzeit musste man sich um den HSV Sorgen machen. Der junge Schwede Richard Hanisch blieb als Rechtshänder im rechten Rückraum einen Nachweis seiner Bundesligatauglichkeit schuldig, Allrounder Matthias Flohr ist einfach 20 Zentimeter zu klein am Kreis. Erschütternd einfältig wirkte der HSV im Angriff, das musste sich auch Spielmacher Kentin Mahé ankreiden lassen. Alexandru Simicus Wurfauswahl war wahllos. Ein Toft Hansen wurde auch schmerzlich in der konfusen Deckung vermisst.
Trainer Christian Gaudin versuchte alles mit seinem dünnen Kader, er stellte auch den erst 20 Jahre alten Rahlstedter Kevin Herbst (immerhin ein Linkshänder) in den rechten Rückraum, aber Herbst fiel nur dadurch auf, dass einer seiner vergeblichen Würfe im Gesicht des starken TBV-Keepers Nils Dresrüsse landete. Auch Nachwuchstorhüter Max-Henri Herrmann war im zweiten Abschnitt überfordert. Lemgos neuer Coach Florian Kehrmann, 37, erst seit Freitag im Amt, war „baff über die Leistung meines Teams. Das waren die härtesten 48 Stunden meiner Handballkarriere.“ HSV-Trainer Gaudin saß gespenstisch neben ihm bei der Pressekonferenz und versicherte: „Wir arbeiten weiter.“ Es bleibt abzuwarten, ob ihn Andreas Rudolph auch lässt.
Die Statistik
Tore, HSV Hamburg: Lindberg 10 (4 Siebenmeter), Mahé 6, Simicu 4, Hens 3, Flohr 2, Feld 1; Schmidt 1, Hanisch 1
Lemgo: Hornke 12 (4), Lemke 10, Hermann 3 , Herth 2, Bechtloff 2 , Suton 1, Zieker 1, Pekeler 1
Schiedsrichter: Immel/ Klein
Zuschauer: 6781
Zeitstrafen: 6; 5
Siebenmeter: 5 (4 verwandelt); 4 (4)