Die Hamburger standen bereits vor dem Aus. Geschäftsführer Holger Liekefett wollte Insolvenz anmelden. Präsident Andreas Rudolph rettete die Handballer vor dem totalen Abgrund. Nun ist weitere Bessung in Sicht.
Hamburg. Am Gründonnerstag trennten die HSV-Handballer nur noch wenige Meter vom Abgrund. Geschäftsführer Holger Liekefett stand am Mittag beim Amtsgericht am Sievekingplatz vor der Tür. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Spielbetriebs GmbH schien der einzige Ausweg aus der chronischen Finanzmisere des Clubs zu sein. Die entsprechenden Unterlagen hatte Liekefett in der Hand. Erst in letzter Minute wendete Andreas Rudolph das Aus des Champions-League-Siegers ab. Der Präsident, Hauptsponsor (GHD) und Mäzen versprach am Telefon, die Liquidität und damit die Handlungsfähigkeit des Clubs wiederherzustellen. Likefett kehrte wieder um und fuhr auf die Geschäftsstelle der Handballer in der Volksbank-Arena zurück.
Inzwischen sind die überfälligen Gehaltszahlungen der Profis überwiesen. Insgesamt 750.000 Euro soll Rudolph für dringende Forderungen zugesagt und auch gezahlt haben. Am gestrigen Donnerstag nun setzte Liekefett ein Schreiben auf, das in eine positive Zukunft führen könnte. Der Geschäftsführer hielt die Punkte fest, auf die er sich am Vormittag mit Rudolph verständigt hatte. An der Unterredung in Rudolphs Anwesen in Harvestehude hatten auch Trainer Martin Schwalb und Vertreter der Mannschaft teilgenommen.
Sie alle eint die Sorge, ob und wie es beim HSV weitergeht. Weil Zahlungen für Hallennutzung und weitere Dienstleistungen ausstehen, ist der Spielbetrieb akut in Gefahr. Die Betreiber der Hamburger O2 World haben bereits angekündigt, ihre Arena nicht mehr für Spiele der Handballer zu öffnen, sollte bis zur nächsten Bundesliga-Begegnung am 1. Mai (17 Uhr) gegen den deutschen Vizemeister SG Flensburg-Handewitt nicht wenigstens ein Teil der fälligen Hallenmiete überwiesen sein. Rund 500.000 Euro ist der HSV Hamburg der O2 World noch schuldig, davon 300.000 Euro aus dem vergangenen Jahr.
Hinzu kommt: Noch immer ist unklar, wie die Mannschaft künftig aussehen könnte. Gerade zehn Spieler haben bisher einen Vertrag für die nächste Saison. Dass die Teilnahme des momentanen Tabellenvierten an der Champions League (Plätze eins bis drei) sportlich infrage steht, ist da fast schon vernachlässigbar.
Liekefett konnte am Donnerstagnachmittag immerhin wieder ein wenig von dem ihm eigenen Optimismus verbreiten, der ihm zuletzt abhandengekommen war: „Es könnte beim HSV positiv weitergehen, befreiter, mit weniger Druck und Anspannung.“ Mehr als mündliche Zusagen allerdings konnte er Rudolph vorerst nicht entlocken.
HSV bleibt abhängig von Rudolph
Noch am Abend wollte Liekefett dem schwerreichen Medizinunternehmer sein Finanzkonzept zukommen lassen, um es, in Abstimmung mit Schwalb und anderen Vereinsgremien, absegnen zu lassen. Eile ist auch deshalb geboten, weil Liekefett am Wochenende zu einem lange geplanten einwöchigen Urlaub nach Kreta aufbricht. Ein klares Bekenntnis Rudolphs, sich weiter für den HSV zu engagieren, wäre sicher der Entspannung im gesamten Verein zuträglich.
Dass sich Rudolph tatsächlich auf einen geordneten Rückzug einlassen könnte, wie er in Vereinskreisen befürwortet wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Das Ziel, den HSV bis zum Ende von Rudolphs Amtszeit 2015 von seinem Gönner unabhängig zu machen, ist angesichts rückläufiger Zuschauerzahlen und ausbleibender Sponsoring-Verträge nicht aufrechtzuerhalten. Allein bis zum Saisonende am 30. Juni fehlen den Handballern noch mehr als zwei Millionen Euro.
Umso wichtiger wäre es, den Knoten im eigenen Haus zu lösen, um wieder seriös mit anderen Geldgebern in Verhandlungen treten zu können. Auch auf dem Transfermarkt kann der HSV so lange nicht aktiv werden, wie unklar ist, ob überhaupt die Bundesligazugehörigkeit gesichert ist. Die Lizenzen werden von der Handball-Bundesliga (HBL) Mitte Mai erteilt. Der HSV bekommt seine seit Jahren nur unter der Voraussetzung, dass Rudolph eine Patronatserklärung für alle finanziellen Verpflichtungen abgibt. Es gibt allerdings keinen Zweifel, dass Rudolph allen seinen Versprechungen nachkommen wird. Er hat das bislang immer getan, wenn auch oft erst in letzter Minute, seine Lust, das weiter zu tun, hat jedoch in den vergangenen Monaten stark gelitten.