Nach dem Pokal-K.-o. wollen die Hamburger Handballer im Bundesliga-Spitzenspiel bei den Füchsen in Berlin am Sonntag ihre Titeltauglichkeit nachweisen und an Tabellenführer THW Kiel dranbleiben.
Hamburg. Mit Adrian Pfahls linkem Ellenbogen ist es eine ganz komische Sache. Bei jedem Wurf schmerzt es ein bisschen. Das habe nichts damit zu tun, dass er sich vor acht Wochen freie Gelenkkörper entfernen ließ, wie man vielleicht vermuten könnte. Im Gegenteil: „Es tut viel weniger weh als vor der Operation“, sagt Pfahl, „sie war unausweichlich.“ Woher die Schmerzen dann kommen, weiß allerdings keiner genau. Fest steht, dass Pfahl nicht in der Form ist wie noch im August, als er die HSV-Handballer bei den Qualifikationsspielen gegen die Füchse Berlin in die Champions League warf.
Etwas überrascht war Pfahl deshalb schon, am Freitagmorgen einen verpassten Anruf des Bundestrainers auf seinem Handy zu entdecken. Martin Heuberger wollte den 31 Jahre alten Linkshänder gern für den Lehrgang der Nationalmannschaft und zum DHB-Supercup in Bremen und Hamburg am kommenden Wochenende nachnominieren – der Flensburger Holger Glandorf hatte sich aufgrund einer Bauchmuskelverletzung abgemeldet.
„Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass ich mit meiner Leistung derzeit nicht zufrieden bin“, erzählt Pfahl. Am Mittwoch beim Pokal-K.-o. gegen Göppingen gingen all seine sechs Würfe daneben. Aber wenn der Ellenbogen am Sonntag mitspielt, dann will er Heuberger zusagen.
Pfahls Befinden steht in gewisser Weise für den des gesamten HSV. Die Mannschaft verspürt einen Phantomschmerz über den ersten entgangenen Titel. Und sie fragt sich jetzt, ob sie tatsächlich bereits tauglich ist für größere Aufgaben. Am Sonntag treten die Hamburger zum zweiten Mal in dieser Saison in Berlin an (17.15 Uhr), diesmal geht es um Bundesligapunkte. Vom übertragenden Sender Sport1 wird das Duell als „Topspiel“ intoniert, der Gewinner wird bis auf zwei Minuspunkte am Tabellenführer und Titelverteidiger THW Kiel dranbleiben.
„Das wäre ein richtig großer Schritt“, sagt Pfahl. Für ihn persönlich, der nach Jahren des Existenzkampfs in Gummersbach im Sommer zum Champions-League-Sieger HSV gewechselt war, um endlich um nationale Titel zu spielen. Und für seine Mannschaft, die noch mit dem Ende ihrer elf Spiele währenden Siegesserie hadert.
Trainer Martin Schwalb hat zwei Lehren daraus gezogen. Man müsse am Konterspiel arbeiten und im positionsgebundenen Angriff mehr Ballgeschwindigkeit und Spielverständnis entwickeln. Den Rückschlag hat er rückwirkend zur Reifeprüfung erklärt: „Am Ende wird sich die Mannschaft durchsetzen, die so etwas verkraftet.“
Derzeit erwecke kein Konkurrent in der Liga den Eindruck, vor bösen Überraschungen gefeit zu sein. Auch die Berliner nicht: Sie verloren zum Saisonauftakt bei MT Melsungen. Inzwischen sind sie Tabellenzweiter, zwei Pluspunkte vor den Hamburgern auf Rang fünf. Füchse-Manager Bob Hanning hat die Rollen dennoch anderweitig verteilt: „Der HSV hat 16 Weltstars in seinen Reihen. Wir sind dagegen gerade dabei, eine Mannschaft aufzubauen.“
Den gleichen Anspruch erhebt der HSV auch. Schwalb hat acht Neulinge in sein System zu integrieren, unter ihnen zwei Spielmacher. Aber er weiß, dass ihm die Zeit, die er dafür bräuchte, nicht unbedingt zugestanden wird. „Ich habe irgendwo gelesen, dass die Kieler im Umbruch seien. Aber dieses Wort darf man bei uns ja nicht benutzen.“
Am Sonntagabend wird er etwas genauer wissen, wie weit dieser Prozess gediehen ist. Der HSV kann in Berlin nicht nur ein wichtiges Spiel gewinnen. Sondern auch wertvolle Zeit.