Präsident Matthias Rudolph erhebt schwere Vorwürfe. Nach der Trennung beginnt eine Schlammschlacht zwischen Club und dem Ex-Fußballtorwart.
Hamburg. Der HSV Hamburg hat seinen Geschäftsführer Frank Rost mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben und Tätigkeiten freigestellt. So lautet der Inhalt der Presseerklärung von Dienstagmittag. Vorausgangen war ein Streit zwischen Rost und Präsident Matthias Rudolph. Rost, 40, hatte am Montagabend bereits die Konsequenzen aus seinen Differenzen mit der Führung des Vereins gezogen. Der Geschäftsführer der HSV Handball Betriebsgesellschaft mbh & Co. KG bat Rudolph, 55, in einem Telefongespräch um die Auflösung seines Vertrages. Der ehemalige Fußballtorhüter des Hamburger SV hatte erst am 1. Juli seinen Dienst beim Champions-League-Sieger angetreten.
Es folgte ein peinliches Possenspiel aller Beteiligten. Nachdem Rudolph bereits am späten Montagabend den Rücktritt seines höchsten Angestellten bestätigt hatte, kam Rost am Dienstag regulär ins Büro und bestritt die Version seines freiwilligen Abgangs vehement. Am Mittag fasste der Verein schließlich den Entschluss, Rost zu beurlauben. „Ich sitze hier in meinem Büro und habe ein bisschen Arbeit vor mir“, sagte der 40-Jährige plötzlich. Nach Mailverkehr und Telefonaten verließ Rost, der von den Mitarbeitern den Spitznamen “Frosti“ bekommen hatte, die Geschäftsstelle jedoch wieder.
Nun ist er vom HSV Handball offiziell beurlaubt, es droht ein Nachspiel vor dem Arbeitsgericht. Rudolph hatte zuvor klargestellt, dass es definitiv keine weitere Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Frank Rost geben wird. „Sein Verhalten ist eine Frechheit. Mir hat er gestern gesagt, dass er sein Amt niederlegt und ich ihn beurlauben soll. Aber warum soll ich ihn dann beurlauben? Der will doch jetzt nur Geld haben“, sagte Rudolph am Dienstagmorgen gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
„Wir haben mit Christoph Wendt einen weiteren Geschäftsführer, dem wir und seiner Geschäftsstellen-Crew voll vertrauen. Zudem deckt unser Trainer Martin Schwalb viele der Aufgaben im sportlichen Bereich bereits ab“, erklärte Rudolph. Ob ein Nachfolger geholt werden soll, ließ der HSV-Präsident offen: „So können wir in die neue Saison starten.“
Letzter Anlass für die Trennung war der kurzfristige Transfer des Linkshänders Zarko Markovic. Der 27 Jahre alte Montenegriner, der zuletzt bei Frisch Auf Göppingen spielte und dort vergangene Woche seinen Vertrag kündigte, ist der neunte Neuzugang der Hamburger für diese Saison. Er soll Adrian Pfahl, 31, im rechten Rückraum ersetzen. Der ehemalige Gummersbacher laboriert seit drei Wochen an einer Entzündung im linken Ellenbogen. Er muss jetzt operiert werden und droht danach mehrere Monate auszufallen. Beim Heide-Cup am vergangenen Wochenende in Schneverdingen, bei dem der HSV nur Fünfter wurde, hatte Pfahl die schmerzhafte Verletzung sichtbar behindert.
Weil die Hamburger am 21. und 23. August die wichtigen Champions-League-Qualifikations-Spiele gegen die Füchse Berlin bestreiten müssen, sahen sich Matthias Rudolph und sein Bruder Andreas, 58, zum Handeln gezwungen. Das erste Saisonziel, so die Intention beider, sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden; alle weiteren, wie der Gewinn der deutschen Meisterschaft, auch nicht. Dafür war Vereinsfinanzier Andreas Rudolph bereit, dem Club ein weiteres Darlehen zu geben.
Nationalspieler Pfahl war zuletzt der einzige Linkshänder im rechten Rückraum. „Ohne einen Linkshänder auf Halbrechts kannst du vielleicht ein, zwei Spiele erfolgreich bestreiten. Auf Dauer ist das keine Lösung. Du wirst als Mannschaft dann zu ausrechenbar“, sagte Matthias Rudolph.
Rost verweigerte die Unterschrift
Rost hatte von Markovics Verpflichtung erst am Montagmorgen auf der Geschäftsstelle erfahren – als nur noch letzte Vertragsdetails zu klären waren und Markovics Berater von Rost die Unterschrift unter den Vertrag erbat. Rost verweigerte sie. Trainer Martin Schwalb, 50, und der zweite Geschäftsführer Christoph Wendt, 38, hatten den Deal eingefädelt.
Es war nicht das erste Mal in den vergangenen sechs Wochen, dass Rost vor vollendete Tatsachen gestellt und in Verhandlungen nicht eingebunden wurde. Aber gerade das hatte er sich verbeten. Als Hauptgeschäftsführer des Clubs, hatte er bei seiner Einstellung gefordert, erwarte er, dass er in alle Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse einbezogen wird. Nur auf diese Weise könne er für ein geordnetes Erscheinungsbild des Vereins in der Öffentlichkeit sorgen. Andernfalls wolle er nicht die Gesamtverantwortung übernehmen. Zudem sei das Saisonbudget von rund neun Millionen Euro längst ausgereizt. Und ein Darlehen sein nun mal ein Darlehen, das irgendwann zurückgezahlt werden muss.
Rosts ehrgeiziges Ziel war es, beim HSV Hamburg mittelfristig Einnahmen und Ausgaben auf hohem Niveau zur Deckung zu bringen und die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Rudolphs auf ein vertretbares Maß zu verringern. Das hatte er zumindest als seinen Auftrag angesehen, abgesprochen mit Andreas und Matthias Rudolph. In den vergangenen Wochen hatte Rost wiederholt betont, dass er auf den Job bei den Handballern nicht angewiesen sei. Er könne den Vertrag jederzeit zerreißen, ließ er wissen, wenn der Verein nicht gewillt sei, die dringend nötigen Strukturreformen mitzutragen. Als erste durchgreifende Maßnahme hatte Rost vor acht Tagen Pressesprecher Christian Pöhls freigestellt.
Rosts erster Impuls an diesem Morgen war, sofort alles hinzuschmeißen. Er tat es erst nach reiflicher Überlegung am Abend. Am Montagmittag stand die Präsentation der neuen Mannschaft bei der AOK Rheinland/Hamburg auf deren Geschäftsstelle Wandsbek in der Pappelallee an. Die AOK ist einer der größten Sponsoren der Hamburger Handballer, der sich darüber hinaus in mehreren gemeinsamen Jugend-Gesundheitsprojekten engagiert. Rost fühlte sich ein letztes Mal in der Pflicht. Andere Termine für diese Woche sagte er noch am Montagmorgen ab.
Auf der AOK-Veranstaltung wirkte Rost bereits auffällig schmallippig, sagte nur das Nötigste und verschwand nach dem offiziellen Teil als Erster. „Gemessen an unserem Saisonetat, der zu den Top fünf der Bundesliga gehört, müssten wir die Titel nur so reinholen“, sagte er zuvor auf Nachfrage und sprach von einer „Verpflichtung“ für das Team und Trainer Schwalb. „Wer mit diesem Druck nicht umgehen kann, ist im Profisport fehl am Platz“, fügte er noch hinzu. Diese Sätze bleiben als Rosts Vermächtnis an den HSV stehen.
Präsident Matthias Rudolph hatte am Dienstagmorgen bereits reichlich angesäuert reagiert: „Wenn da einer ist, der sich beleidigt fühlt und gleich wieder hinschmeißen will, dann ist das eine Sache, die wir uns nicht bieten lassen können“, sagte Rudolph dem Radiosender „NDR 90,3“ und ergänzte: „Wenn jemand nicht zu uns passt, dann ist das eben so. Wir haben uns in Frank Rost getäuscht und ich bin sehr erstaunt über sein Verhalten.“
Mit dem deckungsstarken, charakterlich aber schwierigen Markovic, der den HSV Anfang August von sich aus kontaktierte und am Montag schon mittrainierte, stehen momentan 20 Profis beim deutschen Meister von 2011 unter Vertrag. Neben Pfahl muss auch der Dauerverletzte Oscar Carlén, 25, in diesen Tagen wieder unters Skalpell. Der schwedische Halbrechte, der viermal am Kreuzband operiert wurde, hat seit seinem Vertragsbeginn in Hamburg am 1. Juli 2011 noch kein Spiel für den HSV bestritten. Beide Seiten wollen die Beziehung jetzt einvernehmlich auflösen.
Mit Material von sid und dpa