Als erster Spieler überhaupt schafft es der 19-Jährige aus der HSV-Jugend in den Profikader von Martin Schwalb. Dort muss sich der Youngster bewähren. Hohe Ziele hat er allemal.
Hamburg. Seit dem neunten Lebensjahr ist sein Traumberuf Handballspieler. Welcher Verein ihn aus seiner Heimatstadt Hamburg weglocken könnte? „Eigentlich gar keiner“, antwortet Neu-Profi Kevin Herbst selbstbewusst. „Mein Ziel ist es, mich hier zu beweisen und solange es geht in Hamburg spielen.“
Herbst ist ein Novum beim HSV Handball. Noch nie zuvor hat es ein Spieler aus der eigenen Jugend in den Profikader geschafft. Zu wenig Erfahrung, zu wenig Muskelmasse, zu wenig Durchschlagskraft. Den hohen Ansprüchen der stärksten Liga der Welt genügte bisher keiner der gut ausgebildeten HSV-Junioren.
Dabei steht es nicht schlecht um den Nachwuchs im eigenen Haus, die Infrastruktur ist da. Die A-Jugend in der Bundesliga und die U23 in der Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein bieten Talenten wie Herbst eine Ausbildung auf höchstem Niveau und zugleich viel Spielpraxis. Die DKB Handball Bundesliga zeichnete den HSV wiederholt mit dem Jugendzertifikat aus, das Vereinen eine optimale Förderung von Spitzensportlern bescheinigt. An der Spitze angekommen, ist bisher allerdings kein einziges HSV-Eigengewächs.
Mit Kevin Herbst soll es nun endlich einer schaffen. „Die Planung ist, dass er die Jungs hier eines Tages mal beerbt“, sagt Trainer Martin Schwalb. Doch er sagt auch: „Wenn du ganz nach oben willst, wird das sehr schwierig. Du musst ein Ausnahmetalent sein. Das schaffen nur ganz wenige.“
Ausgestattet mit einem Profivertrag steht für Herbst vom 9. bis 23. August die U19-WM in Ungarn vor der Tür. Vom Mittwoch (19. Juni) an haben DHB-Jugendkoordinator Christian Schwarzer und DHB-Trainer Heiko Karrer zum Lehrgang in Hamburg geladen. In drei Testspielen wird gegen Dänemark die Form getestet, danach folgen die endgültigen Nominierungen. An Herbst’ Teilnahme zweifelt keiner, auch wenn er durch die WM die komplette Vorbereitung des HSV verpasst. „Die Nationalmannschaft geht vor. Das ist ein absolutes Highlight für einen so jungen Spieler“, sagt HSV-Jugendkoordinator Gunnar Sadewater. Neben Herbst hat der HSV mit Tim Stefan und Justin Rundt bei der U19 zwei weitere Eisen im Feuer. Die beiden A-Jugend-Bundesligisten dürfen zunächst bei den Trainingseinheiten mitwirken und hoffen gegen Dänemark auf ihr Nationalmannschaftsdebüt.
Der Aufbau von Kevin Herbst war beim HSV ein zielgerichtetes Projekt. Der gebürtige Hamburger, 19 Jahre jung, lernte sein Handwerk bei Hamburg Nord. Als die A-Jugend dort den Sprung zur Qualifikation für die Jugend-Bundesliga verpasste, wollte der 1,84 Meter große Linkshänder höher hinaus. Der HSV erkannte sein Talent. Schon beim ersten Gespräch mit Sadewater stellte man ihm bei einer guten Entwicklung Chancen auf den Profi-Kader in Aussicht.
“Mit Kevin Herbst zeigt unsere Jugendarbeit erste zarte Triebe”, sagt U23-Coach und Co-Trainer neben Martin Schwalb, Jens Häusler. “Er hat in den letzten Jahren eine ganz starke Entwicklung hingelegt.” Auf diese Entwicklung setzt der HSV bei seinen Junioren zunehmend. Vor allem ins Krafttraining wird investiert, um die jungen Spieler körperlich fit und vor allem konkurrenzfähig für die Bundesliga zu machen. Bei der A-Jugend sei die positive Entwicklung bereits sichtbar, so Häusler. Das Problem: Für die Talente ist allein der Sprung ins Oberhaus eine riesige Herausforderung. Krafteinsatz und Schnelligkeit sind ungleich höher als sie es aus den Jugendligen je gewohnt sind. Hinzu kommt die Konkurrenz im eigenen Team. Topclubs wie der HSV, die sowohl in der Liga, als auch international hohe Ziele verfolgen, müssen ob der starken Belastung und des großen Pensums auf nahezu allen Positionen doppelt mit Spielern auf höchstem Niveau besetzt sein. Für den Nachwuchs bieten sich kaum Gelegenheiten zum Einsatz. Oft bleibt ihnen nur der Weg in die zweite Liga oder zu schwächeren Bundesligisten, um Erfahrungen im Profihandball zu sammeln und sich körperlich für die Spitze zu entwickeln. Die meisten der einst erkannten Talente seien erst mit etwa 22 Jahren soweit, um ganz oben mitzumischen, sagt Häusler.
Kevin Herbst traut er den Sprung dennoch zu. “Er ist gut aufgebaut, fix und hat die nötige Verrücktheit. Er glaubt an das, was er will. Das ist ein wichtiger Faktor”, so Häusler. Den Rest zu formen sei nicht zuletzt Trainersache. Der wird Herbst auf der Rechtsaußenposition eine Chance gewähren – hinter den erfahrenen Hans Lindberg und Stefan Schröder. Bisher kam Herbst auch im rechten Rückraum zum Einsatz, damit wird in der Bundesliga vorerst zumindest Schluss sein.
Für Herbst spielt das kaum eine Rolle. „Seitdem ich mit Handball anfing, habe ich davon geträumt, für den HSV aufzulaufen.“ Ausgerechnet der erste der Junioren zu sein, empfindet der 19-Jährige als eine besondere Auszeichnung, fühlt zugleich aber auch die hohe Drucksituation. „Die lastet auf einem, klar. Aber ich versuche das auszublenden“, sagt Herbst.
Dass der Sprung in den Profi-Kader noch lange nicht der Durchbruch ist, weiß auch er. „Der Wille zählt“, so Herbst. „Und ich will das auf jeden Fall.“ Fester Bestandteil im Kader der HSV-Profis werden, es an die Spitze des deutschen Handballs schaffen, ein Aushängeschild werden, für dieses Ziel trainiert er seit Jahren. Für den Verein wäre das ein riesiger Erfolg, wenn er es packt. Kein normaler Handballer sei er, bescheinigten ihm seine bisherigen Trainer. Vielmehr ein Straßenhandballer, ohne Tricksereien, gradlinig und mit einem außergewöhnlich guten Eins-gegen-Eins Verhalten. Über ein mögliches Scheitern bei den Profis denkt er nicht nach. „Wenn man nicht hundertprozentig überzeugt ist, hat man sein Ziel nicht vor Augen. Ich will den Erfolg zu hundert Prozent.“
Einige Male ist der 19-Jährige das Einlaufen in „seiner“ neuen Heimhalle, der O2 World, schon im Kopf durchgegangen. Als Zuschauer hat er das Prozedere unzählige Male erlebt. Nervös wird er sein, doch auf die Anspannung freut er sich. Angst vor seinem ersten Auftritt in der Saison 2013/2014 hat er keine, Respekt schon. „Wenn ich aufs Feld darf, wird das Herz ganz schön anfangen zu pochen“, so Herbst.