Johannes Bitter ist die Lebensversicherung des HSV Hamburg. Seit der ehemalige Nationalkeeper nach seinem Kreuzbandriss zurück ist, hat der Ex-Meister kein Spiel mehr verloren.

Hamburg. Johannes Bitter schwört auf Grünkohl. „Wenn es draußen so richtig kalt ist, schmeckt mir eigentlich nichts besser als ein Teller Grünkohl mit Kartoffeln, Kassler und ganz viel Senf“, sagt Bitter. Aus dem typischen Wintergemüse schöpft der Nationalkeeper a.D. die nötige Kraft nach seiner schweren Verletzung. Seit Bitter vor drei Monaten ins Tor des HSV Hamburg zurückgekehrt ist, hat der Ex-Meister kein Spiel mehr verloren. Sogar die Nationalmannschaft könnte bald wieder ein Thema sein. „Wenn die Leistung stimmt und der Bundestrainer mich haben will, kann ich mir das durchaus vorstellen“, sagte Bitter.

Über die Leistung braucht sich der 30-Jährige zurzeit keine Sorgen zu machen. In zwölf Spielen kam er seit seinem Comeback Mitte Dezember zum Einsatz - keines ging verloren. Bitter überragt regelmäßig mit Fangquoten zwischen 40 und 55 Prozent. Nicht wenige Handball-Experten sprechen vom besten Bitter aller Zeiten. „Das müssen andere beurteilen“, sagt der so Gelobte bescheiden. Der Torwart-Hüne stellt sich ungern selbst in den Mittelpunkt, lässt lieber Taten auf dem Feld sprechen. Mit ihm hat sich der HSV, der die Meisterschaft nach fünf Pleiten bereits vor Weihnachten verloren hatte, deutlich stabilisiert. Auch im DHB-Pokal und in der Champions League liegt der Klub aussichtsreich im Rennen. Eine 2,05-Meter-Erscheinung, 103 Kilogramm schwer, markante Gesichtszüge - Bitter ist seit Jahren eine der großen Marken des deutschen Handballs. Beim „Wintermärchen“ 2007 trug er einen Löwenanteil zum Weltmeistertitel im eigenen Land bei, als Henning Fritz, die damalige Nummer eins im deutschen Tor, verletzt ausschied. Vier Jahre später erklärte Bitter nach einer völlig misslungenen WM im Frühjahr 2011 vorerst seinen Abschied von der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB). Er wollte mehr Zeit mit der Familie verbringen.

13 Monate später, am 25. März 2012, geriet das Sportlerleben von Jogi Bitter schlagartig aus den Fugen: Es läuft die 56. Minute im Champions-League-Spiel gegen die Füchse Berlin. Füchse-Angreifer Sven-Sören Christophersen bricht über die halblinke Position durch die Hamburger Abwehr. Bitter fliegt wie immer quer durch die Luft, fährt Arme und Beine aus. Der Ball knallt an den Pfosten, doch Bitter sinkt zu Boden, krümmt sich vor Schmerzen. „Zunächst war mir überhaupt nicht bewusst, was gerade passiert war“, erinnert sich der Torwart an den „schlimmsten Moment“ seiner Karriere.

266 Tage schuftete Bitter fortan für sein Comeback, schob etliche Überstunden im Kraftraum. „In der ersten Zeit fiel es mir schwer, an eine Rückkehr zu glauben“, sagt er. Doch die Familie mit den beiden Kindern gab ihm während der neun Monate Rückhalt und Energie. Am 16. Dezember 2012 kehrte Bitter zurück - und ist mit dem HSV noch immer ungeschlagen. Doch übertriebene Erwartungen an seine Person erstickt er im Keim. Er freue sich zwar über die guten Leistungen der letzten Wochen. „Aber auch ein Tief wäre ganz normal, wenn die Euphorie ein bisschen zurückgeht“, sagte Bitter. Zumal auch die Grünkohlzeit nicht ewig andauert.