Der heutige HSV-Handball-Gegner Rhein-Neckar Löwen will künftig auf Hamburgs Krzysztof Lijewski setzen. Doch ob er wirklich dort spielt, ist offen.

Köln/Hamburg. Seine Wunschmannschaft für die nächsten Jahre hat Thorsten Storm bereits im Kopf, und während der Manager der Rhein-Neckar Löwen über ein künftiges deutsches Handball-Spitzenteam spricht, zeichnen seine Finger die taktische Aufstellung in die Luft. Der Däne Niklas Landin soll der große Rückhalt im Tor der Löwen sein. Die Jungnationalspieler Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki machen zusammen mit dem Kroaten Ivan Cupic auf den Außenbahnen das Spiel schnell. Aus dem Rückraum soll der Serbe Zarko Sesum für Impulse sorgen. Und Alexander Petersson, der spätestens 2012 von den Berliner Füchsen kommen wird, hält der Manager schon jetzt für "eine Topverpflichtung".

Heute Abend trifft der Tabellenführer HSV im Bundesliga-Spitzenspiel in Mannheim auf die Löwen (19.15 Uhr/Sport1). Der polnische HSV-Rückraumspieler Krzysztof Lijewski, 27, der schon vor einem Jahr einen ab nächster Saison wirksamen Vertrag mit den Löwen unterzeichnet hatte, will heute seinen letzten Auftritt gegen seine eigene Zukunft absolvieren. Lijewski, 27, war mit dem Isländer Petersson für die rechte Rückraumposition der Löwen gesetzt - als eines der weltbesten Gespanne. Doch ob der Vertrag jemals in Kraft tritt, weiß niemand. Im Moment hängt die künftige Aufstellung der Löwen als deutsches Spitzenteam nur dort, wo Storms Hände sie formen: in der Luft.

Sicher ist nur, dass die isländischen Weltklassespieler Olafur Stefansson und Gudjon Valur Sigurdsson den Verein verlassen und zu AG Kopenhagen wechseln werden, dem zweiten teuren Hobby von Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen. Karol Bielecki und Robert Gunnarsson könnten ihnen folgen - und eben auch Lijewski. Dessen Vertragspartner sind zwar die Löwen und nicht Nielsen. Doch der dänische Schmuckbaron mit Hamburger Wohnsitz hat seinen sportlichen Ehrgeiz zuletzt offenbar auf seine Heimat konzentriert, wie auch Storm eingesteht.

Finanziell würde sich Lijewski nicht verschlechtern. Zwischen beiden Nielsen-Klubs gibt es eine Gehaltsübernahme-Garantie. Lijewskis Gage soll sich auf 400 000 Euro jährlich netto belaufen. Der Linkshänder würde damit zu den Spitzenverdienern seiner Branche aufschließen. Was ihn so wertvoll macht, konnte Lijewski in den vergangenen Wochen nach langer Verletzungspause endlich wieder vorführen: unangemeldete Anspiele, unnachahmliche Alleingänge. Sein Wurf, dem zwei Schulteroperationen die Durchschlagskraft genommen hatten, nähert sich bereits wieder der Höchstgeschwindigkeit, auch wenn Lijewski betont, dass er "noch nicht bei 100 Prozent" sei. Die Schmerzen seien immer noch da, aber eben auch zu ertragen im Wissen, "dass da nichts mehr kaputtgehen kann".

Lijewski ist ein gutes Beispiel, um zu verstehen, worin die neue Kraft des HSV besteht. Sein Bruder Marcin, 33, spielt die Saison seines sportlich erfüllten Lebens. Just zu dem Zeitpunkt, da sein Körper unter der hohen Belastung zu streiken beginnt, springt Krzysztof ein, als gelte es, die versäumten drei Saisonviertel in einem zu kompensieren. Ähnlich verhält es sich im linken Rückraum, wo Pascal Hens den in der Hinrunde überragenden, dann aber maladen Blazenko Lackovic ins zweite Glied verdrängt hat. Und so könnte man die Mannschaft von Trainer Martin Schwalb Position für Position durchgehen und feststellen, dass es für nahezu jede Betriebsstörung einen tragfähigen Notfallplan gab - alternative Energie aus eigenem Personalbestand.

Diese Qualität müsse man anerkennen, sagt Storm: "Der HSV hat es verstanden, die Schlüsselaufgaben auf verschiedene Schultern zu verteilen. Deswegen wird er auch verdient deutscher Meister." Daran, dass der HSV die erforderlichen zwei Siege schafft, zweifelt er nicht. Die eigenen Ansprüche hatten die Löwen früh in der Saison aus der Hand gegeben. Inzwischen harmoniere die Mannschaft von Trainer Gudmundur Gudmundsson endlich so, wie es sich Storm seit Jahren wünscht: "Man merkt, dass jeder für den anderen arbeitet." Zwei Titelchancen verbleiben: im Pokal und in der Champions League.

Der Angriff der Löwen auf die Meisterschaft ist auf die nächste Saison vertagt. Fragt sich nur, mit welcher Mannschaft. Krzysztof Lijewski geht inzwischen davon aus, dass sein neuer Verein Kopenhagen heißt. "Das ist nicht meine Wunschlösung", gesteht er. Immerhin: Die Entfernung zu seinem Bruder, der noch ein Jahr beim HSV bleibt, sei nicht größer als von Mannheim.