Heidelberg. Der neue Bundestrainer Álex Mumbrú exklusiv über seine Pläne mit dem Nationalteam, einen berühmten Freund und woran er glaubt.

Das Foyer im Hilton Heidelberg ist proppenvoll. Von den deutschen Basketballern nichts zu sehen. Unter den Studenten der „Shanghai Traffic University/Medical School“, die sich dort versammelt haben, geht Álex Mumbrú trotzdem nicht unter. 2,02 Meter Körpergröße sei Dank.

Groß ist auch die Aufgabe, die den 45 Jahre alten Spanier als neuer Bundestrainer erwartet. Nicht weniger als der EM-Titel 2025 wird vom Weltmeister erwartet. Zuvor steht aber erstmal die Qualifikation in Stockholm (22. November) und Heidelberg (25. November) jeweils gegen Schweden an – und davor für Mumbrú noch ein Gespräch mit der Funke Mediengruppe.

Señor Mumbrú, Heidelberg ist eine der schönsten deutsche Städte, geprägt von Geschichte und Poesie. Hat der Ort schon eine Wirkung auf Sie entfaltet, oder sind Sie dafür zu sehr Basketball-Trainer?

Álex Mumbrú: Es ist wunderschön hier, so wie in einigen deutschen Städten wie Hamburg beispielsweise. Aber ehrlicherweise habe ich zu wenig Zeit, mir alles anzusehen und mich inspirieren zu lassen.

Darf man Ihnen drei Monate nach Ihrer offiziellen Vorstellung immer noch zum neuen Job gratulieren?

Ich glaube schon, schließlich genieße ich das Privileg, den Weltmeister trainieren zu dürfen. Ich bin sehr aufgeregt, dass es jetzt losgeht. Das Spiel in Schweden wird vielleicht das schwierigste für mich, weil ich zum ersten Mal mit meiner Mannschaft zusammenarbeite, und wir auf einen guten Gegner treffen.

Sind Sie mit 45 Jahren nicht ein wenig zu jung, um ausschließlich als Bundestrainer zu arbeiten?

Über so etwas denke ich nicht nach. Mir geht es um Herausforderungen und Möglichkeiten. Als Spieler war ich Teil einer der erfolgreichsten Generationen im spanischen Basketball, habe es geliebt, für die Nationalmannschaft zu spielen. Diese Erfahrung hilft mir nun als Nationaltrainer, ich weiß haargenau, wie die Spieler fühlen.

Ihr Vorgänger Gordon Herbert hatte bei seiner Amtsübernahme drei Medaillen in drei Jahren als Ziel ausgegeben. Warum gab es von Ihnen bislang keine mutige Vision dieser Art?

Sie müssen verstehen, dass „Gordie“ damals mehr junge Spieler im Team hatte, es standen drei Turniere in drei Jahren an. Mittlerweile haben wir ein paar Jungs, die die 30 überschritten haben, die Situation ist eine andere. Ich möchte meine Aufgabe Jahr für Jahr angehen und natürlich die EM 2025 gewinnen, was auch sonst? Es hängt aber auch davon ab, wie gesund die Routiniers sind. Was mich schon mal sehr positiv stimmt: Alle wollen für Deutschland spielen, das ist durchaus ungewöhnlich.

Wo wir schon bei älteren Spielern sind: Nach Olympia war zu hören, dass Daniel Theis, Johannes Voigtmann und Maodo Lo aus dem Nationalteam zurücktreten wollen. Nach unseren Informationen haben sich Theis und Voigtmann nun dazu entschieden, die EM noch zu spielen, Lo überlegt noch.

Bei Maodo hängt es davon ab, ob er nach einer verletzungsgeplagten Saison nun in Paris wieder besser in die Gänge kommt, er wird erst kommendes Frühjahr entscheiden. Daniel spielt viele Spiele in der NBA, aber für ihn ist es völlig klar, dass er dabei ist. Was Jo betrifft, hat es ihm nicht gepasst, dass dieses so erfolgreiche Team in Paris nur Vierter geworden ist. Er möchte nicht, dass seine Zeit für die Nationalmannschaft so endet.

Was ist mit den Wagner-Brüdern Moritz und Franz? Es wurde darüber spekuliert, dass sie im kommenden Sommer pausieren wollen.

Das würde wenig Sinn ergeben. Die EM ist erst im Herbst, es bleibt genug Zeit zur Regeneration, 2026 steht kein Turnier an. Außerdem sind die beiden Basketball-Verrückte. Man kann sich mit ihnen über kaum etwas anderes unterhalten.

Dennis Schröder bekam von Herbert viele Freiheiten. Er hatte sein Kamerateam dabei, seinen Frisör, die Familie wohnte im Teamhotel. Wie handhaben Sie das?

Die Spieler kommen zur Nationalmannschaft, weil sie wollen, nicht weil sie müssen. Sie verdienen keinen Cent damit. Ich glaube an die Kraft von Kompromissen und gegenseitigem Respekt. Warum sollte ich ein Problem damit haben, wenn die Familien dabei sind? Auch sonst gibt es zwar einen Strafenkatalog, aber ich glaube kaum, dass ein Spieler freiwillig zu uns reist, um dann zu spät zum Training zu kommen.

Wer wird Dennis Schröder als Kapitän vertreten?

Ich hatte schon früh Johannes Thiemann im Kopf, wollte vorher aber noch mit den Jungs sprechen. Mein Eindruck hat sich dann verfestigt.

Mit Kenneth Ogbe von den Veolia Towers Hamburg konnten Sie nicht darüber sprechen. Er hat Ihnen abgesagt.

Aus dem bestmöglichen Grund. Seine Frau ist hochschwanger. Ich habe selbst fünf Kinder, drei Töchter und zwei Söhne, und kann das gut verstehen.

Haben Sie weitere Spieler aus Hamburg auf der Liste?

Mir gefällt Osaro Jürgen Rich, er hat sich entwickelt. Aber letztlich geht es nicht nur darum, die besten Spieler aufzustellen, sondern diejenigen, die am besten zusammenpassen.

Wie sehen Sie den Hamburger Justus Hollatz?

Ich wollte ihn gern jetzt dabei haben. Aber er hat in seiner ersten Saison bei Anadolu Efes Istanbul wenig gespielt, war zuletzt verletzt. Er meinte, es sei kein guter Zeitpunkt, seine Mannschaft zu verlassen und weitere Trainings zu verpassen. Aber natürlich ist Justus extrem wichtig, ich setze fest auf ihn auf der Spielmacherposition.

Eine Überraschung war die Nominierung von Tibor Pleiß acht Jahre, nachdem er im Streit mit dem Verband nicht mehr für die Nationalmannschaft gespielt hat.

Das ist nicht mein Thema gewesen. Ich habe ihn angerufen, und er hat nach einer Minute zugesagt. Tibor ist ein fantastischer Basketballer und noch besserer Mensch.

Gordon Herbert hat in Hagen eine Wohnung bezogen. Wie organisieren Sie sich? Bleibt Barcelona Ihr Wohnsitz?

Wir haben Spieler in Deutschland, den USA, Frankreich, Italien, Spanien, der Türkei, Litauen, Serbien und Japan. Ich bin sowieso die ganze Zeit auf Achse, daher bleibt beim Mittelpunkt Barcelona – wenn ich mal da bin. Die deutschen Autobahnen habe ich bereits gut kennengelernt.

Und Ihre große Familie macht das mit?

Sie kennen es nicht anders. Nachdem ich meine Spielerkarriere beendet habe, hatten wir ein Familientreffen und haben besprochen, wie es weitergeht. Ich wollte gern Trainer werden, und für sie war das okay. Es ist immer schön, nach Hause zu kommen und in den eigenen vier Wänden Basketball zu schauen.

Moment, Sie sagen, Sie kommen nach einem Monat auf Reise heim, geben Ihrer Frau einen Kuss und schauen sich dann Vechta gegen Oldenburg an?

So ist es. (lacht) Meine Frau schlägt manchmal ein Abendessen vor, und ich muss ihr dann absagen, weil Alba Berlin gegen Frankfurt spielt. Wir sind seit 20 Jahren zusammen, sie ist es gewohnt und scheint mich ja trotzdem zu mögen.

Interessiert sie sich für Basketball?

Sie mag es und fährt unsere Kinder zu jedem Training, aber sie hat selbst nie gespielt.

Werden Ihre Kinder in Ihre Fußstapfen als Profisportler treten?

Ich würde mich freuen, aber das werden wir sehen. Der Große spielt in der Highschool in Winston, meine älteste Tochter studiert in Madrid, sie hat andere Prioritäten.

Waren Sie schon mal in Deutschland im Urlaub?

Tatsächlich vor zwei Jahren mit meinen Söhnen. Wir waren einen Tag in München und ein paar mehr in Berlin. Eine irre Stadt, dort gibt wortwörtlich alles zu sehen, aber vor allem das Geschichtliche fanden wir interessant.

Stimmt es, dass Sie großer Rockmusik-Fan sind?

Das ist korrekt. Einer meiner besten Freunde ist das spanische Rockstar Leiva, wir kennen uns schon sehr lang. Er kommt öfters mal zu Spielen oder privat vorbei und spielt etwas auf der Gitarre vor. Leider spiele ich kein Instrument. Aber ich habe eine gute Ausrede, weil ich ja nie Zeit habe. (lacht)

Jürgen Klopp hat seine Strategie mal als Heavy-Metal-Fußball bezeichnet. Werden Sie Hard-Rock-Basketball spielen lassen?

Zumindest haben wir ein defensives System, das ich „Rock“ genannt habe. Wenn ich das ansage, wollen wir noch aggressiver verteidigen.

Sie haben sehr viele Tattoos, sogar auf den Händen. Ungewöhnlich für einen Bundestrainer.

Vorhin haben Sie mir noch gesagt, dass ich jung bin. (lacht) Also sollte das nicht allzu überraschend sein. Inzwischen ist es doch eher seltsam, wenn ein Basketballer keine Tattoos hat.

Ihr nächstes könnte ja der EM-Pokal nach dem Titelgewinn im kommenden Jahr werden?

Eher nicht, ich steche meine Tattoos weniger wegen Resultaten, sondern mehr aufgrund von Glaubenssätzen. Natürlich ist das Gewinnen in dieser Branche für uns alle das Wichtigste, aber vielleicht mache ich mir viel eher ein Tattoo, weil sich die Zeit mit dieser Mannschaft so unglaublich gut anfühlt.

Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Ja, ich glaube an Gott, aber kann fast nie in die Kirche, weil am Wochenende immer Spiele sind. Besonders stark ist mein Glaube immer dann, wenn wir verlieren könnten. (lacht)

Haben Sie außer Basketball überhaupt noch andere Interessen? Lesen, Serien, irgendetwas?

Als Spieler habe ich auf Reisen oft Netflix geschaut, heute – Sie ahnen es – läuft dann bei mir lieber noch ein Basketballspiel. Es kommt auch häufiger vor, dass ich mit meiner Frau auf der Couch sitze, bei ihr läuft eine Serie, ich schaue auf dem iPad Basketball. Aber zum Lesen nehme ich mir schon Zeit. Zuletzt habe ich die Biografie von Rafael Nadal gelesen, die von Andre Agassi ist auch sehr empfehlenswert. Mein Lieblingsbuch ist „Cuatro Amigos“ von David Trueba, sehr lustig.

Welche fünf europäischen Basketballer würden Sie in Ihre Startaufstellungen stellen?

Dirk Nowitzki, Pau Gasol, Toni Kukoc, Drazen Petrovic und Tony Parker würden ein starkes Team abgeben.

Spanischer oder deutscher Wein?

Ich bringe Ihnen bei nächster Gelegenheit einen sehr guten spanischen Wein mit. Davon können Sie sich noch besser inspirieren lassen als von einer schönen Stadt wie Heidelberg. (lacht)

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