Hamburg. Nach dem Coup der deutschen Basketballer in Manila ist der 22 Jahre alte Spielmacher in Hamburg und spricht über den Triumph.
Dass es Vorzüge hat, Weltmeister zu sein, und auch Hochachtung durch den Magen geht, durfte Justus Hollatz am Mittwochmittag erleben, als ihm in der Stadtbäckerei ungefragt ein Franzbrötchen aufs Haus serviert wurde. Ansonsten hat der Hamburger – was auch an den Feierorgien liegen mag – noch Schwierigkeiten, den historischen Triumph der deutschen Basketballer bei der Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und auf den Philippinen einzuordnen. „Ich muss das erstmal sacken lassen“, sagt der 22-Jährige, der bei den Titelkämpfen in Fernost in sechs der acht Partien eingesetzt wurde.
Nur wie? Derzeit hetzt Hollatz von Termin zu Termin. Zeit, das Erlebte zu verarbeiten, bleibt kaum. Dienstag wurde die Mannschaft direkt nach der Landung in Frankfurt am Main von etwas mehr als 1000 Fans gefeiert. Am Mittwochabend organisierten die Veolia Towers Hamburg, sein Heimatverein, den er 2019 in die Bundesliga warf, einen Empfang.
Basketball-Weltmeister Hollatz zu Gast im Sportstudio
Sonnabend sind die Weltmeister in Mainz im ZDF-Sportstudio, und am Sonntag hat der FC St. Pauli, Hollatz’ Lieblingsclub, den Champion zum Zweitligaspiel gegen Holstein Kiel ins Millerntor-Stadion eingeladen. Montag fliegt der Aufbauspieler dann in die Türkei, um die Saisonvorbereitung beim EuroLeague-Topclub Anadolu Efes Istanbul, zu dem er in diesem Sommer gewechselt ist, aufzunehmen.
Daran, was er und seine Mitspieler geleistet haben, erinnert Hollatz immerhin seine Goldmedaille, die er derzeit nur zum Duschen ablegt. „Mein Hals beugt sich langsam, da sie ziemlich schwer ist“, sagt der gebürtige Harburger grinsend.
Goldmedaille war das Ziel
Exakt diese Farbe des Edelmetalls hatte sich die deutsche Mannschaft intern vorgenommen. Eigentlich ein absurder Gedanke für eine Nation, die zuvor einmal 2002 WM-Bronze gewonnen hatte, sonst aber immer leer ausgegangen und bei der WM 2019 sogar blamabel in der Vorrunde gescheitert war.
„Ich verstehe, dass das vermessen klingt. Aber wir wussten, dass wir uns nur selbst schlagen können und die stärkste Mannschaft des Turniers sind“, sagt Hollatz. Spätestens der Test in Abu Dhabi in der Vorbereitung gegen die USA ließ den Glauben daran wachsen. Dem Topfavoriten auf den Titel unterlag Deutschland zwar nach zwischenzeitlicher 16-Punkte-Führung noch mit 91:99, agierte aber weitgehend auf Augenhöhe.
Halbfinale gegen USA das beste Spiel der WM-Geschichte
Die Revanche erfolgte im denkwürdigen Halbfinale, dem womöglich besten Spiel der WM-Geschichte, das der amtierende EM-Dritte verdient mit 113:111 gewann. „Das war definitiv das beste Basketballspiel, das ich je gesehen habe. Das Niveau war unfassbar hoch“, sagte Hollatz, der im Anschluss vor lauter Anfeuern keine Stimme mehr hatte.
Vor der Partie waren er und seine Kollegen sich ebenso wie vor dem Finale in Manila gegen Serbien (83:77) sicher, am Ende zu gewinnen. Auf Glücksbringer wollte Hollatz dennoch nicht verzichten, ließ seine Eltern sowie seine Schwester zum Halbfinale und Endspiel einfliegen. „Im Team meinten dann natürlich alle, meine Familie bestünde nur aus Erfolgsfans“, witzelt er.
"Wie ein Urlaub, bei dem wir Weltmeister geworden sind"
Wobei seine eigentliche Familie in den vergangenen sechs Wochen seine Mannschaft war. „Das war die beste Zeit meines Lebens. Nicht wegen der Goldmedaille, sondern wegen des Zusammenseins“, sagt Hollatz, der direkt nach dem Abschied Entzugserscheinungen verspürte.
Das erste Frühstück am Mittwochmorgen ohne die Mannschaftskameraden habe sich so komisch angefühlt, dass er erstmal Weltmeisterkumpel David Krämer (26) anrief. „Die Vorbereitung und die WM waren wie ein langer Urlaub mit meinen Jungs, bei dem wir nebenbei noch Weltmeister geworden sind“, sagt Hamburgs bester Basketballer.
Schröder und Herbert für gute Atmosphäre verantwortlich
Im Team habe einfach alles gepasst. Die zwölf Akteure teilen den gleichen Humor und teilten sich auch stets eng beieinander sitzend einen Essenstisch, obwohl zwei Tafeln zur Verfügung standen. Maßgeblich für die Atmosphäre verantwortlich waren Kapitän Dennis Schröder (29) und Bundestrainer Gordon Herbert (64).
„Dennis ist cool, witzig, hilfsbereit, ganz anders, als er früher mitunter dargestellt worden ist“, sagt Hollatz. Herbert wiederum habe die Spieler nicht nur perfekt vorbereitet und ihre Rollen wertgeschätzt, sondern auch das Vertrauen gegeben, die freie Zeit zwischen den Partien selbstständig zu nutzen, beispielsweise am Strand von Okinawa.
Hollatz: "Mehr Respekt für Randsportarten"
Weltmeister sowie im Jahr zuvor EM-Bronzemedaillengewinner mit erst 22 – was soll da noch kommen? „Olympia“, antwortet Hollatz, ohne zu zögern. Bei den Spielen in Tokio 2021 wurde er noch als letzter Akteur aus dem Kader gestrichen, in Paris 2024 ist das Risiko dafür minimal. „Was wir uns dann vornehmen, haben wir noch nicht entschieden, vielleicht genießen wir es einfach nur“, sagt Hollatz.
Noch etwas ist dem Weltmeister wichtig. „Ich hoffe, dass wir zeigen konnten, was für ein cooler Sport Basketball ist. Vor allem aber wünsche ich mir mehr Respekt, nicht nur für unseren Sport, sondern alle Randsportarten neben dem Fußball“, sagt Hollatz. Mit einem Franzbrötchen allein ist es da nicht getan.