Hamburg. Die Bundesliga-Basketballer absolvieren am Sonnabend bei den Löwen Braunschweig bereits ihre siebte Begegnung binnen 18 Tagen.

Das Klopfen ist durch den Hörer zu verstehen. Helge Beckmann musste das Telefonat eigens dafür wenige Sekunden unterbrechen, um erst mal einen Holztisch zum Pochen zu finden. „Ich hatte Schlimmeres erwartet und bin überrascht, dass es nicht ausgeartet ist“, sagt der Mannschaftsarzt der Hamburg Towers.

47 Pflichtspiele, davon 29 in der Bundesliga, 17 im EuroCup und eines im Pokal, haben die Wilhelmsburger Basketballer in dieser Saison bislang absolviert – und sind von Muskelverletzungen doch weitgehend verschont geblieben. Dennoch ist Beckmann gut beraten, seine Holzvorräte aufzustocken, denn der Spielplan schreitet in halsbrecherischem Tempo voran. An diesem Sonnabend (18 Uhr/MagentaSport) steht bei den Basketball Löwen Braunschweig die siebte Begegnung binnen 18 Tagen an.

Basketball: "Akteure sind der Belastungsgrenze nahe"

Seit dem 2. März bestreiten die Hamburger ununterbrochen englische Wochen. Nur einmal lagen mindestens fünf Tage zwischen zwei Partien. Die Doppelbelastung in dieser Form ist nur einem Bruchteil des Kaders über längere Phasen bekannt. Ab wann werden die Strapazen zu groß?

Laut Beckmann ist diese Sollbruchstelle der Athletenkörper beinahe erreicht. „Die vielen Spiele sind nur ein Teil der Problematik. Dadurch, dass regelmäßig weite Auswärtsreisen durch halb Europa anstehen, verringern sich die Ruhezeiten, weswegen einige Akteure der Belastungsgrenze nahe sind“, so der Orthopäde, der gemeinsam mit dem Trainerstab der Towers, Athletikcoach Melvyn Wiredu und Physiotherapeut  Nico Stempel vorgesorgt hat. „Wir beschäftigen uns seit Saisonbeginn mit der Belastungssteuerung.“

„Wir verfahren nach dem Prinzip des Microdosings"

Entscheidenden Anteil hat dabei das Feedback der Spieler, die täglich Angaben über ihre physische und mentale Verfassung abgeben müssen. Dazu trifft sich die medizinische Abteilung zweimal wöchentlich, bei einem dritten Termin erfolgt der Austausch mit dem Trainerteam. „Zum Glück stoßen wir auf offene Ohren bei den Coaches, und die Spieler geben ehrliche Antworten bei der Reflexion ihres Körpers“, sagt Beckmann, der in Ottensen eine Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie betreibt.

Im Vergleich zur vergangenen Saison, in der die Towers nicht international spielten, wurden die Ruhephasen angepasst. Wiredu beginnt unmittelbar nach Spielende mit Regenerationsmaßnahmen. „Am Pausentag sollen auch die Spieler, die viel gespielt haben, in Bewegung sein. Da genügt ein Spaziergang“, so Wiredu. Unter der Woche werden leichte Krafteinheiten angesetzt. „Wir verfahren nach dem Prinzip des Microdosings. Das heißt, die Spieler absolvieren kleine, gezielte Einheiten, die sie nicht ermüden, aber Reize setzen, um Kraft und Muskeln zu erhalten.“

Auch Ernährung wird überwacht

Die Ernährung wird penibel überwacht, unterstützt durch Nahrungsergänzungsmittel. „Wer abends schwere Kost zu sich nimmt, schläft schlechter und wird die Quittung erhalten“, sagt Beckmann.

Trotzdem schien es einige kurze Nächte gegeben zu haben. Zuletzt wirkten die Towers müde, gaben das Duell beim Tabellennachbarn BG Göttingen in der Schlussphase noch aus der Hand (80:83) und mühten sich am Mittwochabend gegen einen ganz schwachen Tabellenletzten aus Frankfurt nur zu einem wenig überzeugenden 68:58-Erfolg.

Trainer Pedro Calles weißt Kritik zurück

Die aufkeimende Kritik, seine Leistungsträger in bereits entschiedenen Spielen zu lange auf dem Parkett zu haben, weist Trainer Pedro Calles zurück. „Es stimmt nicht, dass ich ein Problem mit der Belastungssteuerung habe. Allerdings muss ich sicherstellen, dass wir ein wettbewerbsfähiges Team auf dem Parkett haben. Die Mannschaft ist nicht tief genug besetzt, um große Pausen zu gewähren, ohne den Erfolg zu gefährden“, sagt der Spanier. 

In dieser physisch angespannten  Situation ist der Tabellenfünfzehnte Braunschweig (10:18 Siege) einer der nervigsten Gegner. Die vor dem Abstieg so gut wie geretteten Niedersachsen spielen das zweithöchste Tempo der Liga. Der Schlüssel: „Energie.“ Sagt der gebürtige Braunschweiger und Ex-Löwe Lukas Meisner. Der 26-Jährige forderte nach dem Frankfurt-Spiel eine schonungslose Aufarbeitung der vergangenen Wochen.

Basketball: Meisner fordert Aufarbeitung

„Wir müssen uns in den Filmraum setzen und schauen, welche Entwicklung wir genommen haben. Ob wir überhaupt eine genommen haben. Dann muss jeder in den Spiegel schauen und sich fragen, ob er alles gegeben hat.“ Aussagen des reflektierten Ex-Nationalspielers haben Gewicht. Er ist schließlich alles andere als ein Holzkopf.