Hamburg. Viel Zeit, die Tabellenführung zu genießen, haben die Wilhelmsburger nicht. Bereits am Dienstag reist das Team nach Litauen.

Von Euphorie war bei den Hamburg Towers am Montag wenig zu spüren. Am Tag nach dem historischen 83:46-Sieg gegen die BG Göttingen herrschte schon wieder Alltag. Der höchste Erfolg in der Basketball-Bundesliga (BBL)? Die wenigsten zugelassenen Punkte in der Clubhistorie und die damit verbundene Tabellenführung? Für den fast schon pedantisch perfektionistischen Trainer Pedro Calles (38) nicht mehr als ein netter Nebeneffekt. "Wir sollten uns nicht in dieses Spiel verlieben. Göttingen hat sich viele gute Würfe erspielt, sie nur nicht getroffen. Das war nicht perfekt von uns", suchte Calles bereits nach dem Spiel das Haar in der Suppe.

Trainer Calles fordert von Spielern mehr Konstanz im Spiel

Vor allem das Schlussviertel hatte Calles auf die Palme gebracht. Sein Team ging mit einer 32-Punkte-Führung in die letzten zehn Minuten und nahm spürbar den Fuß vom Gas. Menschlich sagen die einen, inakzeptabel sagt der Spanier. "Wir müssen in dem Moment das Spiel und uns selbst respektieren. Wir sprechen immer davon, dass wir über 40 Minuten Leistung bringen wollen, gelungen ist es uns nicht", so Calles.

Seine Spieler versuchten gar nicht erst, ihrem Trainer zu widersprechen. "Es ist aber schon schwer, wenn man mit so einer Führung ins letzte Viertel geht. Aber es stimmt, das ist etwas, woran wir arbeiten müssen", gestand Jaylon Brown offen ein. Der US-Amerikaner war mit 22 Punkten bester Werfer der Hamburger.

Towers-Spielmacher Brown reagiert auf Denkzettel von Trainer

Ohnehin stand der 27-Jährige gegen Göttingen im Fokus. Als einer der Topneuzugänge geriet der Spielmacher auch intern in die Kritik. Beim 91:97 im EuroCup gegen Morabanc Andorra in der vergangenen Woche wurde Brown in der zweiten Halbzeit von Calles "gebenched". Der Dreipunktewurf-Spezialist hatte eine ganz schwache Partie erwischt, funktionierte weder offensiv noch defensiv. "Bei Jaylon ist es so, dass er von Anfang an hochkonzentriert arbeiten muss. Ich spreche da nicht nur von den Spielen, sondern auch vom Training. Er ist offen für unser Coaching und hat nun eine gute Reaktion gezeigt", lobte und kritisierte Calles.

Brown selbst muss sich noch an die fordernde Coaching-Art von Calles gewöhnen. Dass der Spielmacher über Qualität verfügt, sieht man in Ansätzen immer wieder, allerdings wechseln sich starke Leistungen und erschreckend schwache Auftritte zu regelmäßig ab. "Ich versuche mir nicht zu viele Gedanken zu machen, was im vorherigen Spiel passiert ist. Im Basketball gibt es immer wieder Momente, in denen es gut läuft und in denen es nicht so läuft. Damit muss man umgehen. Das darf mir nicht zu sehr im Kopf herumschwirren", sagt Brown.

Towers steht ein Marathon-Trip nach Litauen bevor

Die Towers werden aber einen starken Jaylon Brown brauchen, um am Mittwoch (18 Uhr, MagentaSport) beim litauischen Erstligaclub Lietkabelis Panevėžys zu bestehen. Im EuroCup warten die Towers noch immer auf ihren ersten Sieg. Am Dienstag bricht der Tross der Wilhelmsburger Richtung Litauen auf. Von Hamburg geht es über Kopenhagen nach Vilnius. Weil danach noch eine zweistündige Busfahrt ansteht, verzichten die Hamburger auf ein Mannschaftstraining vor Ort. "Noch spüre ich die Doppelbelastung nicht, aber ich bin ja auch noch jung. Wir Spieler spielen lieber als zu trainieren. Vielleicht merken wir die Müdigkeit im Januar oder Februar", sagte Toptalent Justus Hollatz (20) im "NDR Sportclub".

Towers-Trainer Calles sorgt sich um Zuschauerinteresse am EuroCup

Ausreden wie Müdigkeit will Trainer Calles ohnehin nicht gelten lassen. "Das hat etwas mit der Einstellung zu tun. Wir tun alles, um so gut zu regenerieren und die Energie so hoch wie möglich zu halten. Am Ende geht es darum, sich immer wieder auf das nächste Spiel und den kommenden Gegner einzustellen", erklärte Calles.

Dass es bisher bei der Premiere auf internationalem Parkett noch zu keinem Sieg reichte, ärgert den Trainer. Er fürchtet, dass weitere Niederlagen zu einem noch geringeren Zuschauerinteresse führen könnten. Während gegen Göttingen die Arena nahezu ausverkauft war, sind die Tickets für den EuroCup bisher Ladenhüter. "Wir müssen dringend etwas ändern. In einer Stadt mit 1,7 Millionen Einwohnern kamen gegen Andorra zuletzt 800 Zuschauer zu uns. Das geht nicht", sagte Calles.

Und die beste Werbung, das weiß auch der Hamburger Trainer, ist eben erfolgreicher Basketball.