Hamburg. Der Towers-Spieler Jannik Freese will 2021 seinen Master in Marketing und Sales machen und Freitag den MBC schlagen.
Jannik Freese hätte sich keinen besseren Ort aussuchen können, um nach dem 55:111 vom ersten Bundesliga-Spieltag gegen den FC Bayern München auf andere Gedanken zu kommen. Die Reeperbahn. Berühmt-berüchtigt dafür, dort einfach mal den Kopf freizubekommen und den Alltag hinter sich zu lassen. Doch der Center der Hamburg Towers war nicht zum Vergnügen auf Hamburgs sündigster Meile.
Den 33-Jährigen zog es vorbei an all den Clubs und Bars ins „Hamburger Ding“, dem Co-Working-Space-Center von Towers-Gesellschafter Tomislav Karajica, am Nobistor. Zum Lernen. Am 1. Oktober hat der 2,11 Meter große Basketballprofi an der Nordakademie sein Marketing-und Sales Studium begonnen. „Für mich war es immer wichtig, etwas neben dem Basketball für den Kopf zu machen“, sagt Freese, der mit seinen Kollegen am Freitag (20.30 Uhr, edel-optics.de Arena, magentasport.de live) im ersten Bundesliga-Heimspiel der Clubgeschichte auf den Mitteldeutschen Basketball Club (MBC) aus Weißenfels trifft.
BWL für Spitzensportler
Freese ist ein Profisportler, der seit jeher über das Basketballfeld hinausschaut. In seinem ersten Profivertrag bei den Phantoms Braunschweig war eine kaufmännische Ausbildung bei Sponsor Kämmer Consulting verankert. Während seiner Zeit bei den EWE Baskets Oldenburg hat sich der 33-Jährige an der Universität Oldenburg eingeschrieben. „Dort wurde der Studiengang BWL für Spitzensportler angeboten“, sagt Freese, der dort mit dem ehemaligen HSV-Torwart Hans-Jörg Butt sowie den Ex-St.-Pauli-Profis Florian Kringe und Florian Bruns die Schulbank gedrückt hat und seinen Bachelorabschluss geschafft hat. „Ich hatte schon damals im Sinn, dass ich gerne meinen Master machen würde, doch ich bin häufig gewechselt, das war es schwer, sich darauf zu fokussieren“, sagt Freese.
In diesem Sommer hat der erfahrene Profi seinen Vertrag bei den Towers um zwei Jahre verlängert. Genug Zeit, um sich wieder intensiver dem berufsbegleitenden Studium zum widmen. Bis Sommer 2021 stehen zwölf sogenannte Lernmodule auf dem Plan, in dem pro Modul drei Präsenztage im Dockland an der Elbe Pflicht sind. „Das passt zeitlich aber gut. Entweder bekomme ich das zwischen den Trainingseinheiten hin, oder ich hole eine Krafteinheit am Abend nach. Den Rest kann ich online machen“, sagt Freese, der nach Ende der Saison 2020/21 seine Masterarbeit in Angriff nehmen wird.
Lehrstunden auf dem Basketballfeld
Bis dahin, so hofft der Towers-Center, bleiben auf dem Basketballfeld Lehrstunden, wie die am Montagabend beim FC Bayern München, die Ausnahme. Deshalb fordert der Führungsspieler eine deutliche Reaktion im ersten Bundesliga-Heimspiel der Clubgeschichte gegen den MBC. „Natürlich hätte man sich mehr Kampf gewünscht“, gesteht Freese offen ein: „Aber Bayern ist nicht unser Maßstab. Am Freitag zeigt sich, wer wir wirklich sind. In der vergangenen Saison haben wir gezeigt, dass wir auf schlechte Spiele ein gutes folgen lassen können“, sagt Freese, der gegen den Club aus Weißenfels sein 283. Bundesligapiel absolvieren wird.
Das ist auch nötig. Der MBC ist einer der Clubs, mit denen sich die Towers in dieser Saison auf Augenhöhe sehen. Will man nicht früh in der Saison in einen Negativstrudel geraten, können sich die Wilhelmsburger gegen die Ostdeutschen keinen Ausrutscher leisten. „Wir sind bereit. Alle sind fit und freuen sich auf den Heimauftakt. Bei allem Respekt vor dem MBC: Wir wollen am Ende vor denen in der Tabelle stehen“, so die Kampfansage des Führungsspielers.
Dafür muss aber vor allem das Defensivverhalten der Hamburger deutlich besser werden. Zu oft sah es am vergangenen Montag aus, als hätten Männer gegen Jungs gespielt. „111 Punkte sind einfach zu viel. Selbst gegen einen Club wie den FC Bayern. Wir müssen besser unsere Systeme spielen, mit Stolz verteidigen, und Energie aufs Parkett bringen“, fordert der Routinier.
Grundlage für die Zeit nach dem Basketball
Für den ersten Bundesligasieg der Clubgeschichte hat Freese seinen ganz persönlichen Glücksbringer auf der Tribüne. Freundin Adrianne Ross (34) ist derzeit zu Besuch in Hamburg und wird am Freitag ihr erstes Towers-Spiel in der Basketball-Bundesliga live erleben. Das Paar hat sich in diesem Sommer in Texas kennengelernt. Die US-Amerikanerin war selbst zehn Jahre Profibasketballerin, hat unter anderem in der US-Profiliga WNBA, in Spanien, Polen und im Libanon gespielt. Im vergangenen Jahr hatte sie ihre aktive Karriere beendet.
Daran denkt Freese noch nicht. So lange Kopf und Körper mitmachen, will der Center weiterspielen. „Aber es ist
gut zu wissen, dass ich durch mein Studium eine Grundlage für die Zeit nach dem Basketball habe“, sagt er und beginnt zu lernen. Aller Anfang ist eben schwer. Im Studium und auf dem Basketballcourt.