Hamburg. Die Wilhelmsburger starten bei den Telekom Baskets Bonn ins Viertelfinale der Basketball-Bundesliga. Was für ein Weiterkommen spricht.

Im Boxen gibt es die alte Weisheit „Styles make fights“. Was so viel bedeutet wie: Niemand weiß, wer gewinnen wird. Eine Analogie, die wie Ball in Korb passt vor dem Play-off-Start am Freitagabend (19 Uhr/MagentaSport) zwischen den Hamburg Towers und Telekom Baskets Bonn. Stilistisch gleichen sich die Rivalen mindestens wie zweieiige Zwillinge, und wer gewinnt, ist trotz des zweiten Platzes nach der Hauptrunde der Bundesliga (BBL) und damit verbundenen Heimvorteils der Rheinländer völlig offen. „In den Play-offs geht alles wieder von vorne los, jede Mannschaft steht bei 0:0“, sagt Ludwigsburgs Coach John Patrick, immerhin ein dreifacher BBL-Trainer des Jahres, zum Beginn der Meisterschaftsrunde – ohne damit einen Antwortansatz auf die Frage zu liefern, wie man denn überhaupt eine Play-off-Serie erfolgreich bestreitet.

Die simple Antwort: drei Spiele gewinnen. Maximal fünf Partien werden ausgetragen. Die ersten beiden Viertelfinalpartien in Bonn (13. und 15. Mai), die dritte und eine mögliche vierte in Hamburg (20. und 22. Mai), eine entscheidende fünfte würde dann wieder in der ehemaligen Hauptstadt (25. Mai) stattfinden.

Play-off-Start: Die Towers wissen, was sie gegen Bonn erwartet

Was über die Formalitäten hinausgeht, ist Teil des Mysteriums Play-offs. Die Volatilität einer einzigen Begegnung geht verloren, über eine Serie setzt sich fast immer die stärkere Mannschaft durch. Ein fairer Modus also. Aber auch einer, in dem Schwächen gnadenlos aufgedeckt und ausgenutzt werden. „Geheimnisse gibt es in den Play-offs nicht mehr, jeder weiß, was der andere macht“, sagt Towers-Aufbaujuwel Justus Hollatz. Was es braucht, ist Anpassungsfähigkeit und den Mut, strategische Änderungen vorzunehmen.

Aber was anpassen, wenn das Spiegelbild gegenübersteht? Die Profile der Rivalen gleichen sich enorm. Das hat auch mit ihren ambitionierten, jungen Trainern zu tun: Noch Towers-Coach Pedro Calles (38) und Bonns gerade erst zum Trainer der Saison gekürter Tuomas Iisalo (39). Beiden gilt eine Zukunft bei Europas Topadressen als gewiss. Auf dem Parkett lassen der Spanier und der Finne ähnlich agieren.

Auch interessant

Um im Boxjargon zu bleiben: Über die womöglich fünf Runden geht es um die Reichweitenvorteile. Kein BBL-Team versucht auch nur annähernd so viele Abschlüsse von der Dreierlinie wie diese beiden. Bonn hat leichte Vorteile in der Trefferquote (34,8 Prozent/34,1 Prozent). Dabei gehört es zur Philosophie, den eigenen Würfen nachzusetzen. Gut ein Drittel der Baskets-Fehlwürfe landet erneut in ihren Händen, in dieser Saison stellten sie mit 32 Offensivrebounds sogar einen neuen BBL-Rekord auf. Die Towers bleiben nicht weit dahinter zurück. Aus dem Mix von Dreierpotenz und zweiten Chancen ergeben sich, genormt auf 100 Angriffe, die beste (Bonn) und fünftbeste (Hamburg) Offensive.

Towers-Gegner Bonn stellte neuen Vereinsrekord in der Bundesliga auf

Bis dato also klarer Punktsieg für die magentafarbene Ecke. Zumal zwei weitere Argumente für den Tabellenzweiten sprechen. Nummer eins: Mit 26 Siegen hat Bonn einen Vereinsrekord aufgestellt, die sieben Erfolge mehr als die Towers sind allerdings ohne internationale Doppelbelastung zustande gekommen. „Für mich sind sie die beste Mannschaft in der BBL“, überhöht Calles den Gegner. In München und Berlin wird man über diese Einschätzung schmunzeln.

Nummer zwei ist allerdings gewichtig (oder im speziellen Fall ein Leichtgewicht): In den Play-offs gilt: Stars sind die härteste Währung. Mehrheitlich gewinnen die Mannschaften mit dem stärksten singulären Akteur. Qualität in der Spitze wird bedeutsamer als die in der Breite. Und da haben die Baskets klar die Nase vorn. Ihr nur 1,80 Meter kleiner und wohl mit Bleigewichten in den Taschen offiziell 77 Kilogramm schwerer Spielmacher Parker Jackson-Cartwright beeindruckt die Liga seit Spieltag eins. Iisalo war es gelungen, den pfeilschnellen US-Amerikaner aus der zweiten französischen Liga zu exhumieren. Dort wurde der zweitbeste Punktesammler (19,3) und beste Vorlagengeber (7,4) der BBL als wertvollster Spieler ausgezeichnet. Ein Coup, der ihm auf Anhieb auch in Deutschland glückte.

Wird für die Towers die Defensive zum Trumpf in den Play-offs?

Und nun das große Aber: Es lässt sich argumentieren, dass Hamburg mit Caleb Homesley, Maik Kotsar und Justus Hollatz den zweit-, dritt- und viertbesten Spieler der Serie stellt. Insbesondere auf Homesley wird es ankommen. Der fleißigste und mitunter gewissenloseste Dreipunktwerfer Deutschlands kann einem Team, tagesformabhängig, beinahe jede Partie gewinnen – es aber auch aus jedem Match herausschießen.

Zum Schluss darf eine andere Weisheit nicht fehlen – obwohl sie in Zeiten individueller Offensivkünstler zwar überholt ist: Angriffe gewinnen Spiele, die Verteidigung dafür Meisterschaften. Schadhaft ist es den Towers sicher nicht, die fünftbeste Defensive der BBL zu haben. Nur Meister Berlin und Vizemeister München rangieren in den Top fünf vorne wie hinten. Klar ist nur: Geheimnisse gibt es keine, doch weiß niemand etwas über den Kampfausgang.

Viertelfinale: Alba Berlin – Brose Bamberg, Bonn – Hamburg, FC Bayern München – Niners Chemnitz, Riesen Ludwigsburg – Ratiopharm Ulm. Halbfinale: Sieger Berlin/Bamberg – Sieger Ludwigsburg/Ulm, Sieger Bonn/Hamburg – Sieger München/Chemnitz.

Die Bundesliga vergibt in der kommenden Saison eine Wildcard. Grund hierfür: Aus der Zweiten Liga wird es nur einen sportlichen Aufsteiger geben, der die BBL-Lizenz erhalten hat.