Hamburg. Beim 101:85-Sieg gegen die EWE Baskets Oldenburg musste der 20-Jährige in der ersten Hälfte vorzeitig vom Court.
Die Hamburg Towers fuhren auf der letzten Rille. Zeitweilig sah es so aus, als würden sie den Sieg gegen Abstiegskandidat EWE Baskets Oldenburg nicht ins Ziel retten. Doch Derbys setzten Kräfte frei. Genug für einen 101:85 (33:23, 21:16, 18:27, 29:19)-Erfolg – inklusive des prestigeträchtigsten Hunderters –, der sich als maßgeblich im Rennen um die Play-offs erweisen kann. "Ich bin extrem glücklich, wir haben gut gekämpft, nachdem zwei Leistungsträger kurz vorher ausgefallen sind und mit Justus Hollatz ein weiterer nach wenigen Minuten. Zudem haben wir einen Weg gefunden, ein Comeback von Oldenburg zu verhindern", lobte Trainer Pedro Calles (38).
Zwei Towers-Leistungsträger meldeten sich mit Erkältungssymptomen ab
Eine halbe Stunde vor Spielbeginn vermeldeten die Towers zwei schmerzhafte Ausfälle. Der estnische Star-Center Maik Kotsar und Dreier- sowie Defensivspezialist Robin Christen setzten mit „erkältungsähnlichen Symptomen“ aus. Die Ergebnisse der Corona-Schnelltests lagen laut Towers noch nicht vor. Da beide Akteure unter der Woche aber mit ihren Nationalteams unterwegs waren, deutet einiges auf eine Infektion mit dem Coronavirus hin. Der Ausfall Kotsars traf die Gastgeber an ihrer empfindlichsten Stelle.
Auf der Center-Position verfügen sie mit Eddy Edigin zwar über einen vorbildlichen und leidenschaftlich kämpfenden Profi – der mit 2,01 Meter allerdings Zentimeter abgibt und bis zur vergangenen Saison noch in der 2. Bundesliga spielte. Oldenburg suchte dementsprechend konsequent Tai Odiase, ihren Mann in der Mitte, der sich die Lippen leckte und ein Korbleger-Festmahl verspeiste.
Was daneben ging, wurde per Offensivrebound eingesammelt. "Es war ein hartes Gefecht ohne Maik Kotsar. Wir hatten kaum Zeit, um uns auf die Situation vorzubereiten, haben aber viel Herz gezeigt", erklärte Forward Seth Hinrichs (28).
Towers bestrafen schwache Oldenburger Defensive
Alles halb so wild, da die Towers simple Mathematik entgegensetzen. Drei sind mehr als zwei. Ihr Heil in der Distanz und bei Heiland Caleb Homesley suchend, erarbeiteten sich die Wilhelmsburger daher einen 33:23-Vorsprung nach zehn Minuten. Dafür waren nicht einmal komplexe Spielzüge notwendig, da Oldenburgs Defensive die Tore öffnete, als hätte sie sich in der Ballsportart geirrt.
Die Freude über ein dafür temporeiches Offensivspektakel – was beim aus Wedel stammenden neuen Trainer der Gäste, Ingo Freyer, System hat – wurde für den Großteil der 1837 Zuschauer in der edel-optics.de Arena dennoch jäh getrübt. 20 Sekunden vor Ende des ersten Abschnitts rasselte Oldenburgs T.J. Holyfield ins rechte Knie von Nationalspieler Justus Hollatz. Der 20-Jährige konnte nur mithilfe von Athletiktrainer Melvyn Wiredu vom Parkett in die Umkleide humpeln, um dort von Mannschaftsarzt Helge Beckmann untersucht zu werden. Mitte des zweiten Viertels kehrte der immens wichtige Aufbauspieler immerhin aus dem Kabinentrakt zurück, um hinter der Bank auf dem Ergometer zu strampeln.
Oldenburg zeigte, warum das Team im Abstiegskampf ist
Spielerisch fiel dies bis auf weiteres nicht ins Gewicht. Die EWE Baskets offenbarten, weswegen sie im Abstiegskampf sind: keine Kohäsion zwischen den Akteuren, kein Einsatz, keine Spielidee. Fünf Individualisten gingen auf Jagd nach persönlichen Statistiken. Eine Schande in der Abschiedssaison des großen Rickey Paulding, des zweitbesten Punktesammlers der Ligageschichte.
Die Geschichte des Spiels ist hingegen schnell forterzählt. Homesley orchestrierte von außen, der smarte Seth Hinrichs von innen. Profiteure dessen waren zumeist Zach Brown und Lukas Meisner. Selbst die Rebounds wurden längst von Hamburg dominiert. Mit einer 54:39-Führung ging es in die Halbzeit. Zumal auch die Sorge um Hollatz schwand. Zwar musste sich der gebürtige Harburger nach wenigen Sekunden, in denen er es auf dem Spielfeld nochmal versuchte, eingestehen, dass die Schmerzen zu groß sind. Jedoch deutet die Mini-Rückkehr auf eine Prellung hin anstatt einer strukturellen Verletzung.
Wie schon am Mittwoch in München legten die Towers jedoch einen Fehlstart ins dritte Viertel hin, ließen sich angesichts der vermeintlich komfortablen Führung einlullen. Der Angriff war, abgesehen von leichtfertigen Ballverlusten, weiterhin nicht das größte Problem. Am anderen Ende des Spielfelds hatte aber offenbar der Anschauungsunterricht beim Kontrahenten Folgen. Insbesondere direkt am Korb hatten die Donnervögel nun leichtes Spiel, kamen bis auf 59:64 (26. Minute) heran. Unter der dünnen Personaldecke wurde es langsam kalt.
Towers wurden mit zunehmender Müdigkeit unkonzentriert
Die Müdigkeit war den Türmen anzumerken, Korbleger wurden unkonzentriert verlegt, offene Dreier zu kurz geworfen. Und es wurde nach 72:64-Führung vor dem finalen Abschnitt nur bedingt besser. Homesley war mal wieder als Grenzgänger zwischen Genie und Wahnsinn aktiv, der alles, was nicht niet- und nagelfest war, in Richtung Korb beförderte.
Die ohnehin schon wilde Partie verkam phasenweise zum Dreipunktewettbewerb mit optionaler Verteidigung. Der erfahrene Hinrichs, Inhaber des wohl hässlichsten Wurfs, aber auch eines der höheren Basketball-IQs der Bundesliga, bewahrte seine Mannschaft vor Schlimmerem. Der US-Amerikaner sammelte Rebounds, hielt den Ball in Bewegung und punktete, wenn es denn sein musste, auch. Ein Dreipunktspiel des starken Meisners, der seine Saisonbestleistung aufstellte, wähnte das Calles-Team in Sicherheit (86:72/34.).
Und diesmal endgültig. Sicher war die Leistung der Towers, Ausfälle hin oder her, nicht durchweg überzeugend. Doch einerseits ließen sie sich das Spiel nie vollends aus der Hand reißen, und andererseits forderte sie der Tabellenvorletzte nicht bis zum Äußersten.