Hamburg. Carina Oesting ist mit 20 Jahren die jüngste Teammanagerin der Basketball-Bundesliga und sorgt beim Aufsteiger für Ordnung.

Der Arbeitstag beginnt für Carina Oesting an diesem Sonnabend um 14 Uhr, und der Weg führt sie direkt zur Musikanlage in der zu diesem Zeitpunkt noch verwaisten Umkleidekabine der Hamburg Towers.

Zu den laut aufgedrehten Gute-Laune-Klängen von Will Smiths „Getting Jiggy With It“ sorgt die 20 Jahre alte Teammanagerin in der edel-optics.de Arena dafür, dass die Basketballprofis, die um 20.30 Uhr (magentasport.de) auf s.Oliver Würzburg treffen, die perfekte Kabine vorfinden.

Akkurat werden Trikots in jedem einzelnen Spind aufgehängt, die unzähligen Handtücher bereitgelegt und die Verpflegung fein säuberlich auf dem Tisch drapiert. „Mit Musik macht das Ganze gleich mehr Spaß, und der Song macht mir einfach gute Laune“, sagt Oesting.

An Arbeit bei den Hamburg Towers mangelt es nicht

Seit zweieinhalb Jahren ist die gebürtige Hamburgerin bei den Towers die Frau für alle Fälle. In der Basketball-Bundesliga (BBL) ist Oesting die einzige alleinverantwortliche Frau im Teammanagement – und mit Abstand die jüngste.

„Durch meinen Job bin ich als Persönlichkeit schnell gereift und bin strukturierter und selbstständiger geworden“, sagt sie: „Früher war ich eher ein graues Mäuschen, das nicht viel geredet hat, aber hier bei den Towers habe ich gelernt, dass ich, wenn ich etwas will, auf Menschen zugehen muss“, sagt Oesting.

Und an Arbeit mangelt es der in Harburg lebenden Blondine wahrlich nicht. Oesting kümmert sich um alle Belange, die Mannschaft und Trainerteam betreffen. Von der Instandhaltung der Wohnungen und Autos über die Koordination der Arzttermine der Profis bis hin zur Eröffnung von Bankkonten für ausländische Spieler. Alle Fäden laufen bei der 20-Jährigen zusammen.

Oesting: „Papierkram gehört zu meinen Hauptaufgaben"

Am Freitag erhielt sie Post von der BBL mit dem Hinweis, dass Kapitän Beau Beech (25) wegen eines Ellenbogenschlags in der Partie gegen die Merlins Crailsheim (98:101) am vergangenen Sonntag nachträglich für ein Spiel gesperrt wurde und zudem 2000 Euro Strafe zahlen muss.

„Papierkram gehört zu meinen Hauptaufgaben. Häufig bin ich auch die Meckerziege, wenn die Behörden mal wieder einen Fehler gemacht haben. Aber die kennen mich dort schon“, scherzt Oesting, die jeden Tag zwischen der Arena und ihrem Schreibtisch in der Geschäftsstelle unweit der Arena pendelt, der ob der Unmenge an Zetteln und Notizen und Ordnern nur schemenhaft zu erkennen ist. „Damit ziehen mich die Kollegen gerne mal auf“, sagt Oesting und verdreht mit einem Lachen die Augen.

Oesting ist bei den Hamburg Towers gefragt und beliebt

Bei den Towers – egal ob auf der Geschäftsstelle oder in der Mannschaft – ist die junge Teammanagerin beliebt und gefragt zugleich. „Wenn man Erfolg haben will als Club, braucht man Mitarbeiter wie Carina. Sie ist fleißig, clever und macht einen fantastischen Job, ist trotz ihres jungen Alters sehr verlässlich. Davor habe ich großen Respekt“, lobt Trainer Mike Taylor.

Er bespricht in enger Abstimmung mit Oesting Trainingszeiten und den Ablauf der vielen Auswärtsreisen. „Ein besonderes Talent sticht bei ihr aber heraus“, sagt der US-Amerikaner und kann sich ein Lachen nicht verkneifen: „Bei uns bekommen Geburtstagskinder im Training entweder eine Torte oder Sahne ins Gesicht, und Carina hat einen so schnellen Antritt, dass sie jeden an seinem Ehrentag erwischt“, sagt der 47-Jährige.

Ihr Handy ist nur dann aus, wenn sie für ihr Sportmanagementstudium an der Fernuniversität Wismar lernt. „Ich kann nicht Nein sagen und bin immer für die Spieler erreichbar“, sagt Oesting, die manchmal auch wegen der simpelsten Dinge angerufen wird.

Schulpraktikum bei den Hamburg Towers in der elften Klasse

„Zwei lustige Sachen fallen mir spontan ein. Ich nenne natürlich keine Namen“, stellt die stets loyale Teammanagerin klar. „Mich hat mal ein Spieler spätabends um 22.30 Uhr angerufen und gefragt, welche Glühbirne er nehmen muss, um seine kaputte zu ersetzen“, sagt Oesting: „Und in dieser Saison habe ich einmal beim Mittagessen einen Facetime-Anruf bekommen mit der Frage, wie viel Reiniger in den verstopften Abfluss kommt. Ich bin aus allen Wolken gefallen, fand es aber auch lustig“, sagt Oesting.

Und dieser tägliche Spaß bei den Towers ist ein Grund, warum sie überhaupt vor zweieinhalb Jahren beim Basketballclub angefangen hat.

In der elften Klasse hatte Carina Oesting bei den Towers ihr Schulpraktikum absolviert. Da die Lust auf Lernen zunehmend nachließ, entschied sich die Wilhelmsburgerin, das Gymnasium nach der zwölften Klasse abzubrechen. Über einen Kumpel, der damals an der Arena Eintrittskarten verkauft hatte, wurde sie erneut bei den Towers vorstellig. „Ich habe ein einjähriges Praktikum gemacht, um meine Fachhochschulreife zu bekommen“, sagt Oesting.

Oesting war auf dem Weg, Polizistin zu werden

In dieser Zeit hatte sie sich parallel bei der Hamburger Polizei beworben. „Polizistin zu werden, das war immer mein Traumjob. Den ersten Einstellungstest hatte ich leider wegen eines Fehlerpunktes zu viel versemmelt“, sagt die Tochter einer deutschen Mutter und eines niederländischen Vaters.

Anschließend verlängerte sie ihr Praktikum bei den Towers, um sich erneut in Ruhe auf die Prüfung vorbereiten zu können. „Beim zweiten Mal hatte ich bestanden, aber Geschäftsführer Marvin Willoughby hat mich gefragt, ob ich nicht Teammanagerin werden möchte. Ich dachte mir: Warum nicht? Ich bin im Herzen Wilhelmsburgerin und habe durch die Towers die Liebe zum Basketball entdeckt“, sagt Oesting, die mittlerweile selbst für die Ersten Damen in der Stadtliga spielt.

Oesting will vorerst bei den Hamburg Towers bleiben

Eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut hat. Sie hat den Wandel vom kleinen Zweitligaclub bis „zum absoluten Highlight“ Bundesliga-Aufstieg miterlebt. Wann immer sie schlechte Laune hat, schaut sie sich das Video der Zweitligameisterschaft an. „Für mich ist das immer noch unwirklich, dass wir in der Bundesliga sind“, sagt Oesting.

Bis zum Ende ihres Studiums in zweieinhalb Jahren will sie beim Bundesliga-Aufsteiger bleiben. Was dann kommt? Gute Frage, nächste Frage. „Ich hatte nie einen Plan vom Leben und bin ein sprunghafter Mensch“, gesteht Oesting mit jugendlicher Unbekümmertheit ein.

„Mich wundert selbst, wie lange ich schon bei den Towers bin. Aber ich lebe von Tag zu Tag und bin damit bisher gut gefahren“, sagt Oesting, die sich vorstellen kann, irgendwann einmal als Spielerberaterin zu arbeiten. Aber all das ist Zukunftsmusik. Die Gegenwart heißt: Umkleidekabine herrichten, Songs von Will Smith singen – und am Ende den Klassenerhalt mit den Hamburg Towers feiern.