Hamburg. Anders als im Fußball können die Clubs während der Saison Spieler verpflichten. Zwei-Monats-Verträge sind keine Ausnahme.
Wenn die Basketballprofis der Hamburg Towers an diesem Sonnabendnachmittag den Bus in Richtung Oldenburg besteigen, wird Bogdan Radosavljevic erstmals mit an Bord sein. Nach drei Trainingseinheiten wird der gerade verpflichtete 2,13 Meter große Center am Sonntag (15 Uhr, magentasport.de) im Auswärtsspiel bei den EWE Baskets Oldenburg sein Debüt für den Bundesliga-Aufsteiger feiern. Der 26 Jahre alte Deutschserbe ist nach dem Mexikaner Jorge Gutiérrez (31), der nach einer Knieverletzung wieder fit ist, und dem Venezolaner Michael Carrera (26) bereits der dritte Neuzugang der Wilhelmsburger in der laufenden Saison. „Bisher haben uns die Nachverpflichtungen sehr geholfen. Wir hoffen, dass auch Bogdan uns einen Impuls geben kann“, sagt Trainer Mike Taylor (47).
Die Towers profitieren davon, dass im Basketball andere Transfergesetze gelten als beispielsweise im Fußball. Hier können Transfers nur innerhalb zweier exakt datierter Zeitfenster im Sommer (1. Juli bis 31. August) und Winter (1. Januar bis 31. Januar) getätigt werden. Auch im Handball gibt es strengere Vorgaben. So dürfen Vereine in diesem Jahr bis zwei Wochen nach dem Finale der Europameisterschaft in Österreich, Norwegen und Schweden (10. bis 26. Januar) noch Wechsel tätigen.
Komplexe Regelung
Etwas komplexer ist die Regelung im Basketball. Punkt 4.4 der aktuellen Bundesliga-Spielordnung gibt vor: „Nach dem drittletzten Werktag vor Beginn des Wettbewerbs bis zum 31. März 2020 (Eingang 24 Uhr) dürfen unter Berücksichtigung von Punkt 4.1 dieser Ausschreibung maximal vier weitere Spieler nachgemeldet werden.“
Eben jener Punkt 4.1. besagt: „Auf dem Mannschaftsmeldebogen dürfen nur Spieler aufgeführt werden, die im Besitz einer gültigen Teilnahmeberechtigung sind. Abweichend von den Bestimmungen der BBL-Spielordnung können Bundesligisten, die bis zum 28. Februar (...) weniger als vier Nachmeldungen vorgenommen haben, bis zum 31. März. des laufenden Wettbewerbs eine weitere Teilnahmeberechtigung für einen Spieler beantragen sowie den Spieler auf dem Mannschaftsmeldebogen nachmelden.“ Insgesamt dürfen die 17 Erstligaclubs 18 Lizenzen vergeben, maximal zwölf Spieler dürfen an einem Spieltag im Kader stehen (davon sechs Deutsche).
Letzter Trumpf der Towers
Die sogenannten Doppellizenzspieler, die für die erste Mannschaft als auch den jeweiligen Kooperationspartner auflaufen können, werden nicht bei den 18 Lizenzen eingerechnet. Bei den Hamburgern verfügen Justus Hollatz (19) und Osaro Jürgen Rich (21) über ein Zweitspielrecht, dürfen auch für Rist Wedel in der 2. Bundesliga Nord ProB auflaufen. Nach der Trennung von den beiden US-Flops Kahlil Dukes (24) und Marshawn Powell (29) sowie der Verpflichtung von Radosavljevic am Donnerstag, dürfen die Hamburger bis zum 31. März noch einen weiteren Profi verpflichten.
Diesen letzten Trumpf wollen sich die Towers aber so lange wie möglich offen lassen, sollte sich ein Leistungsträger langfristig verletzen. „Im Gegensatz zur 2. Bundesliga sind die Kader in der Bundesliga immer im Fluss. Wir sind ja nicht die Einzigen, die Spieler holen und wegschicken“, sagt Sportdirektor Marvin Willoughby (41).
Kurzzeitverträge sind üblich in der Basketball-Branche
Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass kurzfristig immer wieder neue Spieler auf den Markt kommen, die Kurzzeitverträge haben. So hatte der Neu-Hamburger Radosavljevic bei Alba Berlin einen Zweimonatsvertrag, weil der Hauptstadtclub die verletzten „Big Men“ Johannes Thiemann und Tyler Cavanaugh ersetzten musste. Da er in Hamburg eine bessere, vor allem längerfristige Perspektive sah, beendete der 26-Jährige sein Kurzzeit-Engagement in Berlin vier Wochen früher und unterschrieb bei den Towers bis zum Saisonende. Eine Ablösesumme, wie es im Fußball bei Spielern üblich ist, die noch bei einem Club unter Vertrag stehen, ist im Basketball eher die Ausnahme als die Regel.
Die Kurzzeitjobs sind ein gängiges Modell in der Basketballbranche. Sie werden vergeben, wenn eigene Profis über einen längeren Zeitraum ausfallen, und sind für Spieler und Vereine eine Win-win-Situation: Die Clubs können spontan und vergleichsweise preiswert auf Verletzungen reagieren, die Profis können auf gutem Niveau Werbung in eigener Sache betreiben – und sich für ein längerfristiges Engagement empfehlen. Was natürlich nicht immer funktioniert. Justin Raffington etwa, Aufstiegs-Center der Towers, unterzeichnete im Sommer bei Medi Bayreuth einen Viermonatsvertrag, um den verletzten Leistungsträger Andreas Seiferth zu ersetzen. Doch mittlerweile ist Raffington vereinslos und wartet auf die nächste Chance, sich präsentieren zu dürfen. Die Fans hätten ihn womöglich gern behalten. Vor allem sie müssen sich im Basketball mit einer höheren personellen Fluktuation abfinden.
Abgesehen von den Topstars in den Spitzenvereinen erhalten Spieler kaum einmal einen Vertrag, der über eine Saison hinaus befristet ist. Bei den Towers haben lediglich Hoffnungsträger Hollatz (2022) und Center Jannik Freese (2021) längerfristige Arbeitspapiere.
Towers nicht die erste Adresse
Willoughby macht keinen Hehl daraus, dass er am liebsten schon im Sommer Spieler der Kategorie Gutiérrez, Carrera oder Radosavljevic verpflichtet hätte. Doch als Bundesliga-Aufsteiger war man bei Topspielern nicht die erste Adresse auf dem Transfermarkt. Und wenn dann doch Interesse am Projekt bestand, forderten die Agenten „Schmerzensgeld“, wie es Willoughby sagt, für die Tatsache, dass es in dieser Saison weder eine Teilnahme am DBB-Pokal noch an den internationalen Wettbewerben in Hamburg gibt. „Andere Clubs sind in der Nahrungskette nun einmal über uns“, gesteht Willoughby offen ein.
Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass sich die Verantwortlichen bei der sportlichen Einschätzung der US-Profis Dukes und Powell schlichtweg vertan haben und es ihnen die Regularien erlauben, die Fehler der Kaderplanung im laufenden Spielbetrieb zu korrigieren. Doch darüber wird sich niemand beschweren, wenn am Ende der für den Club so wichtige Klassenerhalt gefeiert werden kann.
Guard Malik Müller (Bänderriss im Sprunggelenk) wird gegen Oldenburg weiter ausfallen. Der 25-Jährige hofft, im Auswärtsspiel in Crailsheim (19. Januar) wieder dabei zu sein.