Die Nordafrikaner hätten „große Qualität“, so der Bundestrainer. Die K.O-Spiele bedeuten „Magie und Spannung.“ Im Achtelfinalspiel könnte Sami Khedira für Bastian Schweinsteiger ins Team rücken.
Porto Alegre. Volle Konzentration auf einen unbequemen Gegner: Während die Fans in der euphorisierten Heimat schon die Viertelfinal-Partys planen, verbietet Joachim Löw seinen WM-Spielern noch jeden Blick über die erste K.o.-Runde hinaus. „Diese Spiele haben schon eine besondere Magie und Spannung. Da geht es auch für uns um viel. Motto ist Konzentration und Fokussierung“, sagte ein Bundestrainer, der für das Achtelfinal-Duell am Montag (22.00 Uhr/ZDF) von seinem Nationalteam eine deutliche Steigerung gegenüber der Gruppenphase erwartet.
„Wir wissen, wir können besser spielen“, betonte Löw und warnte vor dem vermeintlichen Glückskontrahenten Algerien: „Ein ganz schwer zu spielender Gegner mit großer Qualität.“ Alles andere als ein Weiterkommen wäre dennoch für die rund 10 000 schwarz-rot-goldenen Anhänger im Estadio Beira-Rio von Porto Alegre sowie die Millionen auf den Fanmeilen und vor den TV-Geräten zwischen Rostock und Garmisch-Partenkirchen einfach eine Katastrophe.
Nur ein einziges Mal ist ein DFB-Team bei einer Weltmeisterschaft im Achtelfinale gescheitert. 1934 in Italien war gegen die Schweiz nach einem 1:1 im Wiederholungsspiel durch ein 2:4 Endstation. 80 Jahre später geht der dreimalige Champion vor 43 394 Zuschauern natürlich als klarer Favorit in das erste Alles-oder-nichts-Spiel in Brasilien. Der Bundestrainer mahnte dennoch: „Wenn jemand glaubt, man hat es im Achtelfinale mit einem vermeintlich leichten Gegner zu tun und kann den Fokus schon ein bisschen auf die nächste Runde richten, begeht er einen schweren Fehler.“ Kapitän Philipp Lahm warnte ebenfalls: „Alle, die jetzt im Achtelfinale stehen, stehen definitiv zu recht da.“
Löw sieht großes Selbstbewusstsein
Löw wies auf die Stärken der Nordafrikaner hin, zeigte sich aber vom Gerede über eine „Rache für Gijon“ irritiert. Fast alle Spieler seien damals noch nicht einmal geboren gewesen, sagte der Bundestrainer. 1982 war Algerien durch den Nichtangriffspakt im WM-Spiel zwischen Deutschland und Österreich ausgeschieden.
Vor dem dritten Duell gegen Algerien sieht sich Löw trotz vieler Personalsorgen in der WM-Saison, einer schwierigen Vorbereitung und einigen Wacklern gegen Ghana bestätigt, dass sein aktuelles Team auch unter den komplizierten Bedingungen in Südamerika in den Titelkampf eingreifen kann. „Wir gehen in diese Spiele mit großem Selbstbewusstsein“, erklärte der 54-Jährige zum Start der K.o.-Phase im kühleren Süden Brasiliens. „Wir haben geliefert bislang.“
„Viel Licht, aber auch Schatten“ bei zwei Siegen und einem Remis in der Gruppe stufte Löw als völlig normal ein. „Ein WM-Turnier ist ein Marathon und kein 100-Meter-Sprint. Ich habe schon einige Teams erlebt, da war nach einer guten Vorrunde im vierten Spiel Schluss“, sagte der Chefcoach. „Die Mannschaft muss im Laufe des Turniers steigerungsfähig sein. Das ist die große Kunst“, meinte der Bundestrainer: „Wir sind noch nicht am Limit. Das ist auch gut so.“
Khedira könnte zurückkehren
Viel wird auch von den Entscheidungen Löws abhängen, die in den K.o.-Spielen ebenso schwer zu korrigieren sind wie Fehler seiner Spieler. Gegen den Weltranglisten-22. aus Afrika heißen die brennenden Fragen: Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira? Mario Götze wieder für den verletzten Lukas Podolski (Zerrung)? Oder doch mit dem echten Stürmer Miroslav Klose? Bei Rechtsverteidiger Jérome Boateng (Reizung im Knie) setzt Löw auf eine rechtzeitige Genesung.
„Der Trainer muss entscheiden, was für ihn und die Mannschaft das Beste ist“, sagte Khedira, der beim jüngsten 1:0 über Jürgen Klinsmann und dessen US-Boys im Dauerregen von Recife eine Schonpause erhalten hatte. „Das war unausweichlich“, bemerkte Löw zur Auszeit für den Star von Real Madrid, der sieben Monate nach seiner Kreuzbandoperation noch um seine Topform ringt.
Der von Löw als besonders wertvoll angesehene Khedira könnte nun wieder in die erste Elf zurückrücken, auch wenn Schweinsteiger bei seinem Startelf-Debüt in diesem Turnier für mehr Organisation sorgte. „Er hat eine gewisse Dynamik, er hat Qualitäten auch nach vorn, wenn er von einer tiefen Position in die Spitze stößt“, sagte Löw zum Mehrwert von Khedira. Der Ex-Stuttgarter selbst wertete die Pause als „ganz gut für mich, um „wieder ordentlich zu trainieren und dann ins Achtelfinale und die K.o.-Phase zu gehen.
„Beide machen im Training einen guten Eindruck. Beide können die Aufgaben erfüllen“, sagte Löw und kündigte eine „Bauchentscheidung“ im Job-Sharing der beiden Führungskräfte an: „Die Aufteilung war bisher ganz gut.“ Eine Entscheidung hat Löw trotz der anhaltenden Fragen um die Rolle von Lahm als zusätzlicher Spieler in der Defensivzentrale schon getroffen: Eine grundsätzliche Veränderung „unseres Systems und unserer Spielidee“ wird es nicht geben: „Was wir brauchen, sind Verbesserungen im Detail.“
Mehr Konsequenz vor dem gegnerischen Tor
Bei aller Konzentration auf defensive Stabilität brauchen die Offensivaktionen wieder einen gefährlicheren Zuschnitt. Zuletzt fehlte dem von Löw zum WM-System erhobene 4-3-3 noch die ganz große Gefahr. „Es ist nicht so einfach, wenn man zu dritt da vorne ist“, erkannte Torwart Manuel Neuer. „Spiel im letzten Drittel, letzter Pass, letzte Konsequenz im Torabschluss, Besetzung im Strafraum – das sind Dinge, die wir besser machen müssen“, meinte Löw. „Wir können noch besser sein“, bestätigte Manager Oliver Bierhoff.
Lahm sieht für die K.o.-Phase eine günstige Ausgangslage: „Einige Mitfavoriten sind schon ausgeschieden, deswegen ist es absolut positiv. Wir haben eine gute Basis, dass es in dem Turnier auch weit gehen kann.“ Im Viertelfinale würde das DFB-Team als Achtelfinalsieger auf Frankreich oder Nigeria treffen.
Doch das will Löw im regnerischen Porto Alegre noch nicht behandeln. Dass nach drei Spielen im heißeren Norden nun bei erwarteten 16 Grad zur Anstoß-Ortszeit um 17.00 Uhr der Vorteil auf deutscher Seite liegen könnte, glauben Mario Götze und seine Kollegen nicht: „Es ist einfach wichtig, dass wir clever und klug agieren“, sagte der Münchner Götze. Nach zwei Niederlagen in zwei Spielen soll diesmal der erste Sieg gegen Algerien her.