Es ist soweit: Spanien scheidet nach einer schwachen Partie gegen ein starkes Chile aus. Bereits zur Halbzeit lag der Weltmeister mit zwei Toren hinten und fand nicht in die Partie. Chile zeigte sich kampfstark und gewann verdient 2:0. Del Bosque deutet Rücktritt an.

Rio de Janeiro. Die Sensation ist perfekt. Spanien scheidet nach dem 2:0 gegen Chile vorzeitig bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien in der Vorrunde aus. Bereits nach der hohen Niederlage gegen die Niederlande stand der Weltmeister enorm unter Druck. Das Team von Trainer Vicente del Bosque konnte gegen stark aufspielende Chilenen erneut nicht in die Partie finden. Am Tag der Abdankung ihres Königs Juan Carlos verloren die Iberer in Rio de Janeiro auch ihr zweites Gruppenspiel bei der Weltmeisterschaft in Brasilien gegen den WM-Geheimtipp aus Südamerika mit 0:2 (0:2) und müssen als fünfter Weltmeister nach Italien (1950 und 2010), Brasilien (1966) und Frankreich (2002) schon nach der Vorrunde die Heimreise antreten.

Eduardo Vargas traf in der 20. Minute zur nicht unverdienten Führung, Charles Aranguiz legte in der 43. Minute sogar noch nach. In der zweiten Halbzeit wusste Chile gegen die kaum noch angreifenden Spanier gut zu verteidigen.

Die Niederlande, die zuvor 3:2 gegen Australien gewonnen haben, und Chile sind im Achtelfinale, Spanien und Australien müssen nach der Vorrunde die Heimreise antreten.

„Das ist fantastisch. Der schönste Augenblick in der chilenischen Fußball-Geschichte“, sagte der Ex-Leverkusener Arturo Vidal glückstrahlend in der ARD. Sein Teamkollege Alexis Sanchez bekannte: „Wir hatten alle einen wahnsinnigen Willen. Wir wollten dieses Spiel gewinnen.“ Deprimiert war Spaniens Chefcoach Vicente del Bosque: „In der ersten Runde bei einer WM auszuscheiden, ist unheimlich hart.“ Torhüter Iker Casillas entschuldigte sich bei den Fans für das Abschneiden: „Wir sind selbst dafür verantwortlich.“

Del Bosque hat zudem einen möglichen Rücktritt angedeutet. „Wenn so etwas passiert bei einer WM, hat das immer Konsequenzen. Wir müssen uns jetzt Gedanken machen und dann die besten Entscheidungen für den spanischen Fußball treffen. Das trifft auch auf meine Position zu“, sagte del Bosque nach dem 0:2 gegen Chile.

Wie schon im Spiel gegen die Niederlande setzte Spaniens Trainer Vicente del Bosque erneut auf das 4-2-3-1-System. Allerdings nahm er tiefe Einschnitte vor: Er stürzte Denkmal Xavi vom Sockel und setzte den Regisseur und Kapitän vom FC Barcelona auf die Bank. Für ihn spielte Pedro, im Abwehrzentrum verlor Pique seinen Platz an Bayern-Profi Javi Martinez.

Iker Casillas stand trotz seiner Patzer beim 1:5 gegen Oranje wieder im spanischen Tor – zum 156. Mal und zum insgesamt 17. Mal bei einer WM. Er führt damit die spanische Rekordliste alleine vor Andoni Zubizarreta an.

Und der „heilige Iker“ bekam direkt gut zu tun. Chile begann stark und ließ mit ihrem bekannt aggressiven Stil den Spaniern keinen Raum für Ballstafetten. Schon nach 50 Sekunden rettete Jordi Alba in höchster Not vor Casillas, nach der anschließenden Ecke verfehlte Gonzalo Jara per Kopf das Tor nur knapp.

Erst nach einer Viertelstunde legte der Titelverteidiger ein wenig seine Nervosität ab und kam zur ersten Chance: Chiles Keeper Claudio Bravo verhinderte mit toller Reaktion einen Treffer von Xabi Alonso (15.). Doch schon der erste perfekt vorgetragene Angriff der Südamerikaner deckte abermals die Schwächen in Spaniens Abwehr auf. Eingeleitet vom Ex-Leverkusener Arturo Vidal und den weiteren Stationen Alexis Sanchez und Aranguiz landete der Ball bei Vargas, der Sergio Ramos ins Leere laufen ließ und Casillas überwand. Der enormen Wucht der Chilenen hatten die Spanier mit ihrem Kurzpassspiel auch danach nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen.

Danach übernahmen die Spanier zwar die Spielkontrolle, kamen gegen aggressive Chilenen aber kaum zu Abschlüssen. Es wurde oft hin und her gespielt, aber nicht auf das Tor geschossen. Das ständige Gegenpressing zahlte sich aus: Nach einer Balleroberung in der spanischen Hälfte passte Mauricio Isla zu Charles Aránguiz, der Eduardo Vargas bedient. Der Angreifer des FC Valencia umkurvte Casillas und brauchte nur noch einzuschieben. Ein hervorragend vorgetragener Angriff.

Danach verteidigte Chile effektiv, den Spaniern fehlten aber auch zündende Ideen. David Silva und Andres Iniesta hatten große Probleme beim Spielaufbau. Chile machte es besser. Ein weiterer Schnitzer des bereits gegen Oranje völlig indisponierten Casillas leitete das zweite chilenische Tor ein. Der Keeper von Real Madrid faustete einen Freistoß von Sanchez genau in die Mitte, wo Javi Martinez Aranguiz nicht mehr am erfolgreichen Nachschuss hindern konnte. Mit gesenkten Köpfen schlichen die niedergeschlagenen Spanier nach dem Halbzeitpfiff in die Kabine.

Mit dem Mute der Verzweiflung starteten Diego Costa und Co. in die zweiten 45 Minuten. Die Riesengelegenheit, dem Spiel vielleicht noch einmal eine Wende zu geben, verpasste Sergio Busquets, der den Ball aus drei Metern neben das Tor von Bravo setzte (53.). Del Bosques Elf erhöhte zwar weiter den Druck auf das chilenische Tor, doch zündende Ideen brachten David Silva und Andres Iniesta nicht zustande. Der starke Bravo ließ sich nicht mehr überwinden. Phasenweise glich das Geschehen auf dem Rasen am Ende einer Vorführung für den Weltmeister. Nach Querpass von Eugenio Mena vergab Mauricio Isla sogar das 3:0.

Unschöne Bilder gab es vor der Partie: Rund 100 chilenische Fans haben kurz vor dem Fußball-WM-Gruppenspiel Spanien gegen Chile das Pressezentrum des Maracanã-Stadions gestürmt und so versucht, sich ohne Eintrittkarten Zugang zur Tribüne zu verschaffen.

Die Fanhorde zerbrach Trennwände und irrte durch die Katakomben. Sicherheitsordner versuchten verzweifelt, die Chilenen wieder einzufangen. Dies gelang schließlich, die Anhänger wurden zu Boden gedrückt und in Gewahrsam genommen. Einige bestätigten im Gespräch mit Journalisten, dass sie ohne Eintrittskarte in die Arena gelangen wollten.

Der Weltverband Fifa verurteilte den Vorfall und erklärte, dass es 85 Festnahmen durch die Militärpolizei in Rio gegeben habe. Das WM-Organisationskomitee bezeichnete die Vorkommnisse als „Akt der Gewalt“.

Schon beim Spiel Argentinien-Bosnien-Herzegowina (2:1) hatte es den Versuch von 30 argentinischen Fans gegeben, das Marcana-Stadion zu stürmen. Sie hatten ein Absperrgitter durchbrochen und versucht, ohne Karte die Arena zu stürmen.

Statistik:

Spanien: Casillas/Real Madrid (33 Jahre/156 Länderspiele) – Azpilicueta/FC Chelsea (24/8), Martínez/Bayern München (25/18), Ramos/Real Madrid (28/118), Alba/FC Barcelona (25/28) – Alonso/Real Madrid (32/112) ab 46. Koke/Atletico Madrid (22/9), Busquets/FC Barcelona (25/68) – Pedro/FC Barcelona (26/42) ab 76. Cazorla/FC Arsenal (29/65), Silva/Manchester City (28/82), Iniesta/FC Barcelona (30/99) – Costa/Atletico Madrid (25/6) ab 64. Torres/FC Chelsea (30/109). – Trainer: del Bosque

Chile: Bravo/Real Sociedad San Sebastian (31/81) – Medel/Cardiff City (26/63), Silva/CA Osasuna (28/13), Jara/Nottingham Forest (28/67) – Isla/Juventus Turin (26/49), Aranguiz/SC Internacional (25/23) ab 64. Gutiérrez/Twente Enschede (23/20), Diaz/FC Basel (27/23), Mena/FC Santos (25/27) – Vidal/Juventus Turin (27/56) ab 88. Carmona/Atalanta Bergamo (27/46) – Vargas/FC Valencia (24/32) ab 85. Valdivia/Palmeiras (30/59), Sanchez/FC Barcelona (25/69). – Trainer: Sampaoli

Schiedsrichter: Mark Geiger (USA)

Tore: 0:1 Vargas (20.), 0:2 Aranguiz (43.)

Zuschauer: 74.101

Beste Spieler: – Aranguiz, Medel, Sanchez

Gelbe Karten: Alonso – Vidal, Mena

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 16:8

Ecken: 7:1

Ballbesitz: 60:40 %

Mit Material von sid und dpa