Mit 66 Jahren fängt für Volker Finke am Freitag gegen Mexiko ein neues Fußball-Leben an. Bei seiner ersten WM muss Kameruns Nationaltrainer allen voran Superstar Samuel Eto'o bändigen.
Natal. Wenige Stunden vor der WM-Partie zwischen Mexiko und Kamerun hat es in Natal sintflutartig geregnet. Rund um die Arena das Dunas ergossen sich Sturzbäche auf den Straßen. Hunderte Fußball-Fans suchten dicht gedrängt Unterschlupf unter Brücken und Dachvorsprüngen.
Die elektronischen Sicherheitskontrollen am Medieneingang wurden wegen des starken Regens abgeschaltet und die Einlasskontrolle per Hand vorgenommen. Eine Absage oder Verschiebung der Partie um 18 Uhr ist nach Aussagen von Fifa-Offiziellen aber nicht zu befürchten.
Kameruns Nationalcoach Volker Finke hatte schon im Vorfeld der Partie große Herausforderungen zu bewältigen. Eine eigene Luxus-Suite für Samuel Eto'o? Ausnahmsweise. Frauen-Besuch auf dem Zimmer? Gott bewahre. Mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche versucht Finke, bei der WM in Brasilien Kameruns Superstar in den Griff zu bekommen. Denn ohne einen gut gelaunten Eto'o ist seine Mannschaft nur die Hälfte wert - und Finke vielleicht schon bald seinen Job los.
Immerhin 66 Jahre alt musste Finke werden, um am Freitag (18 Uhr/ZDF) in Natal gegen Mexiko erstmals hautnah eine WM zu erleben. „Wenn ich auf mein Alter schaue, ist es ein Glücksfall, noch einmal an so einem Ding teilzunehmen“, sagt der ehemalige Lehrer. Und dafür nimmt er auch ständige Querelen in Kauf.
So wie am Wochenende, als sein Team plötzlich mehr Geld forderte und den Abflug nach Brasilien erst nach 24-stündigen Verhandlungen antrat. Die Vorbereitung habe das nicht gestört, betonte Finke wenige Stunden vor dem Mexiko-Spiel: „Wir haben eine Lösung gefunden, und das zählt für mich am Ende. Wir sollten respektieren, wie es in Afrika funktioniert.“
Nach der Ankunft in Brasilien allerdings verging Eto'o und Co. schnell das Lachen. Zwar wohnt der 33 Jahre alte Star des FC Chelsea in einem von nur sechs Luxus-Zimmern, doch mehr Spaß weiß Finke zu verhindern. Alle fünf Flure des Sheraton-Hotels in Vitoria werden mit Kameras überwacht. „Die Anweisung kam vom Trainer. Er hat Zugang zu allen Aufnahmen. Kein Spieler kann Frauen mit aufs Zimmer nehmen“, verriet der Hotel-Direktor dem Internetportal camfoot.com.
So ist er eben, der Volker Finke. Ein Freund der Disziplin, und der Erfolg gibt ihm recht. 16 Jahre lang trainierte er ohne Unterbrechung den SC Freiburg, das ist Bundesliga-Rekord. Ein Vereinstrainer aus dem Bilderbuch - doch dann kam der Anruf aus Kamerun. „Afrika hat mich schon immer gereizt“, sagt Finke.
Seit 13 Monaten hält er sich jetzt im Amt. Das ist durchaus beachtlich angesichts des nicht leicht zu bändigenden Eto'o, der gerne bei der Aufstellung ein Wörtchen mitreden würde, und der Fußball-Ikone Roger Milla (62), die gerne mal erwähnt, dass Kamerun „keinen ausländischen Trainer“ braucht.
Finke muss all das irgendwie schlucken. Am Sonntag nach dem letzten WM-Test gegen die Republik Moldau (1:0) verweigerte seine Mannschaft sogar die geplante Abschieds-Zeremonie auf dem Rasen. Kameruns Nationalflagge wurde kurzerhand Finke in die Hände gedrückt. Eto'o war angeblich sogar bereit, die WM sausen zu lassen. „Ich habe schon einige Turniere gespielt. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen“, sagte der 33-Jährige.
Finkes Aufgabe ist es, das alles auszublenden, möglichst schon am Freitag. „Mexiko, der Einstieg zur WM, ist das Wichtigste“, sagt er. Sollte schon der Auftakt schief gehen, droht Finke Gegenwind. „Kamerun hat 20 Millionen Fußballer und 25 Millionen Nationaltrainer. Man muss sich bewusst sein, dass in solchen Konstellationen auch schnell Stimmung gemacht werden kann“, sagt Finke.
Schon das Überstehen der Gruppenphase wäre daher ein Erfolg, auch wenn in Kamerun immer gerne an den Viertelfinal-Einzug 1990 mit Milla erinnert wird. Doch zuletzt agierten die „unbezähmbaren Löwen“ meist zahnlos. Bei der WM 2010 schied das Team mit null Punkten aus, bei den Afrikameisterschaften war Kamerun zuletzt zweimal nicht vertreten. Finke kann nun schaffen, was Winfried Schäfer 2002 mit Kamerun und Otto Pfister 2006 mit Togo verwehrt blieb: als deutscher Trainer mit einer afrikanischen Mannschaft die K.o.-Runde zu erreichen. Wenn er denn sein Team in den Griff bekommt.