Was für ein Kracher gleich zum Gruppenauftakt: Der Weltmeister trifft auf den Vizechampion. Während Spanien seinem Stil treu bleiben will, ändert die Niederlande das System, da sie sich als Außenseiter sehen.
Rio de Janeiro. Beim Rückblick auf das WM-Märchen 2010 geriet selbst der sonst so stille Andrés Iniesta ins Schwärmen. „So ein Tor macht man nur einmal“, urteilte der Edeltechniker vor der Final-Neuauflage gegen die Niederlande. Mit seinem spektakulären 1:0 in der Verlängerung hatte der Mittelfeld-Star des FC Barcelona Spanien in Südafrika den erstmaligen Titel-Triumph beschert.
„Ich habe vergessen, wie oft ich dieses Tor, mit dem wir die WM gewonnen haben, angeschaut habe“, sagte Iniesta tief bewegt. „Ich war so glücklich. Es war ein einmaliges, bisher unbekanntes Gefühl für mich.“ Aber der Knaller Spanien gegen die Niederlande am Freitag in Salvador (21 Uhr/ZDF) hat es noch aus anderen Gründen in sich: Noch nie in der 84 Jahre alten Geschichte der Fußball-WM trafen der Titelverteidiger und der Vizechampion schon im ersten Gruppenmatch aufeinander.
Dass der Verlierer dieser Schlüsselpartie gleich gehörig unter Druck gerät, steigert den sportlichen Reiz gewaltig, zumal beide Top-Teams erneut zum Kreis der Titelkandidaten gehören. „Die WM gegen Holland anzufangen ist schwierig, aber auch sehr schön“, sagte Stürmer Fernando Torres. „Die brennen auf Revanche.“ Mit einem erneuten Treffer würde Iniesta zu gern diese Revanche verhindern. „Das Tor von Südafrika soll unser Antrieb für Brasilien sein“, sagte er der spanischen Zeitung „El País“.
Eine weitere spannende Frage ist, ob sich das spanische „Tiki-taka“ mit der neuen Variante durch den klassischen Stoßstürmer Diego Costa oder die quantitativ reduzierte Oranje-Offensive mit dem neuen 5-3-2-System durchsetzen kann. Barcelonas Mittelfeldspieler Xavi betonte jedenfalls am Donnerstag bei der Abschluss-Pressekonferenz in Salvador, Spanien werde seinen seit Jahren erfolgreichen Spielstil mit viel Ballbesitz und Kontrolle nicht verändern: „Entweder wir gewinnen oder wir sterben mit dem Stil.“
Acht Weltmeister in Spaniens Startelf
Interessant ist zudem, dass in den wahrscheinlichen Startformationen bei Spanien noch acht Weltmeister, bei den Niederlanden hingegen nur noch vier „Verlierer“ stehen werden. Torhüter Iker Casillas warnte dennoch vor „Oranje“. „Arjen Robben ist ein sehr schneller und gefährlicher Spieler. Gemeinsam mit Robin van Persie und Wesley Sneijder haben sie drei sehr wichtige Spieler mit großer internationaler Erfahrung“, sagte der spanische Kapitän.
„Bei uns hat sich sehr wenig verändert. Wir sind fast die gleichen Spieler und pflegen weiterhin beinahe das gleiche System“, meinte Mittelfeldmann Sergio Busquets. „Bei ihnen gibt es mehr Veränderungen: Trainer, System und andere Verteidiger.“ Spanien müsse auf die niederländischen Konter achten und offensiv gut agieren.
Für Sergio Ramos zählt „Oranje“ zu den stärksten Teams der Welt. „Eine Riesenmannschaft“, urteilte der Abwehrchef. „Wir wollen natürlich gewinnen, aber sie werden uns das Leben schwer machen.“ Und Torres versicherte, die Niederlande seien der Typ Rivale, „gegen die „wir am liebsten spielen. Teams auf höchstem Niveau, die uns das Maximum abverlangen.“
Die Niederländer sehen sich indes als klarer Außenseiter. Vor allem die Entscheidung von Bondscoach Louis van Gaal, vom traditionellen 4-3-3-System abzurücken und im neuen 5-3-2-Format spielen zu lassen, hat für heftige Diskussionen gesorgt. In Robben, van Persie und Sneijder hat van Gaal nur noch drei Offensivkräfte auf dem Platz, von denen alles abhängt. „Gegen Spanien muss alles perfekt laufen, damit wir eine Chance haben“, sagte Spielmacher Sneijder.
Der Frust über das verlorene WM-Finale vor vier Jahren sitzt vor allem bei Robben noch tief. Auch ein Sieg in Salvador würde daran nichts ändern. „Das ist erst möglich, wenn wir beide weiterkommen und uns am Ende im Finale wieder gegenüberstehen“, sagte Robben der Zeitung „Sp!ts“. „Nur dann können wir uns revanchieren, sonst nicht.“ Robben hatte im Endspiel 2010 kurz vor Schluss die große Chance zur Führung, scheiterte aber an Spaniens Keeper Casillas. „Ich habe später mit ihm über die Szene gesprochen. Er hat gesagt, dass er selbst nicht weiß, wie er den Ball gehalten hat“, erzählte der Bayern-Star.