Bundestrainer Löw muss nach der Ankunft in Südtirol erst einmal mit dem Teamarzt konferieren. Kapitän Lahm und Abwehrchef Mertesacker kommen später ins Trainingslager – bei Torwart Neuer ist alles offen.
St. Leonhard. So hatte sich Joachim Löw den Start im idyllischen Passeiertal garantiert nicht ausgemalt. Bei der leicht verspäteten Ankunft in Südtirol konnte der Bundestrainer seine derzeit größten Sorgenkinder Manuel Neuer und Philipp Lahm nicht in Empfang nehmen. Beide Bayern-Spieler, die sich beim 2:0 der Münchner im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund verletzt hatten, sollen entgegen ersten Ankündigungen nun doch später ins WM-Trainingscamp der Fußball-Nationalmannschaft kommen. Nicht nur im DFB-Medienzelt in St. Leonhard löste dies neues Rätselraten aus.
„In Abstimmung mit den medizinischen Abteilungen wurde beschlossen, dass beide weiter in München behandelt werden“, begründete der Verband das Umdenken. Noch zu Wochenbeginn hatte Löw erklärt, es sei gut und wichtig, das Duo „von Anfang an in Südtirol dabei zu haben, auch wenn sie zunächst nicht trainieren können“.
Inzwischen ist sogar ungewiss, ob der an einem Kapseleinriss am rechten Schultereckgelenk leidende Stammtorwart Neuer überhaupt nach Italien reist. Der weitere Ablauf werde „auf Tagesbasis“ entschieden, sagte DFB-Sprecher Jens Grittner. Noch hofft Löw, Neuer im Camp begrüßen zu können.
Rund 100 Urlauber und Einheimische versuchten am Mittwoch bei Frühsommerwetter, einen Blick auf die WM-Kandidaten um den ebenfalls angeschlagenen Bastian Schweinsteiger zu erhaschen – allerdings weit entfernt vom Fünf-Sterne-Golf-Resort Andreus. Das DFB-Teamhotel ist bis zur Abreise am 31. Mai weiträumig abgesperrt.
Lahm steigt zwei Tage später ein
Direkt hinter der St. Johannes-Brücke, wo die Zaungäste den 23 im DFB-Bus und in Limousinen anreisenden deutschen Spielern zuwinkten, dürfen nur die exklusiven Gäste des Hotels die Zufahrt nehmen. Das Trainingsgelände am Flüsschen Passer ist mit grünen Sichtplanen verhüllt.
„Ich werde zwei Tage später ins Trainingslager einsteigen“, verriet Lahm überraschend auf seiner Facebook-Seite. Der Kapitän kündigte an, noch einige Tage bei seiner Familie zu verbringen und sich dann „ab Freitag mit der Mannschaft auf die Mission Brasilien vorzubereiten“. Der 30-Jährige hatte sich im Pokalfinale einen Kapselriss am linken Fuß zugezogen. Er kann deshalb rund eine Woche nicht trainieren. Der 28-jährige Neuer muss den rechten Arm derzeit in einer Schlinge tragen.
Unmittelbar nach der Ankunft im Teamhotel besprach Löw mit Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt die aktuelle Personalsituation. Der Bayern- und DFB-Arzt wird in den nächsten Tagen zwischen München und St. Leonhard pendeln. Per Mertesacker, der zum zweiten Mal Vater geworden ist, wird nach einem zusätzlichen Tag Papa-Urlaub an diesem Donnerstag im Trainingscamp erwartet.
Frühstens am kommenden Montag könnte der noch 27-köpfige WM-Kader komplett sein. Denn Mittelfeldspieler Sami Khedira, der nach einem Kreuzbandriss noch um die Topform für die am 12. Juni in Brasilien beginnende WM ringt, bestreitet an diesem Sonnabend in Lissabon mit Real Madrid das Champions-League-Finale gegen Atlético Madrid.
Die Gier nach dem Pokal ist da
Die Spieler wollen den ersten Widrigkeiten der Vorbereitung trotzen. „Ich bin richtig heiß auf die WM und denke, dass wir ein tolles Team zusammenhaben. Auf jeden Fall sollte man uns auf dem Zettel haben“, erklärte Bayern-Profi Thomas Müller.
Und auch Lahm glaubt an den großen Wurf. „Die Gier auf den Pokal ist schon jetzt da. Wir haben den Punch für den Titel! Wir müssen nur eines beachten: Talent und Ego jedes Einzelnen müssen in den Dienst der Mannschaft gestellt werden. Wir brauchen in Brasilien Herz und Leidenschaft“, sagte der Kapitän in der „Bild“-Zeitung.
Sein Clubkollege Toni Kroos gab trotz aller Personalrätsel das Motto für die Tage in Südtirol aus: „Arbeiten für unser großes Ziel.“ Die Trainingsmaloche begann am Ankunftstag aber nicht mit dem Ball: Für die 23 Spieler vor Ort setzte Löw eine Mountainbike-Tour durch die auf den Gipfeln noch schneebedeckten Berge des Passeiertals an.
Die Gastgeber sind stolz. Die Gemeinden St. Leonhard und St. Martin haben alles getan, um Löw und seinen Auserwählten zehn Tage lang optimale Bedingungen zu bieten. Polizisten, Feuerwehrleute und Mitglieder von Sportvereinen sichern das Sportzentrum. Der Bürgermeister von St. Leonhard, Oswald Tschöll, sagte selbstbewusst: „Ich bin überzeugt, dass das gut klappt und wir das hier gut über die Bühne bringen.“