Hamburg. St. Paulis Leistungsträger Marcel Hartel spricht über den Weg aus der Krise und seine Torquote.

Zwei trainingsfreie Tage können Marcel Hartel und seine nicht bei ihren Nationalteams aktiven Mannschaftskollegen des FC St. Pauli an diesem Wochenende genießen, ehe am Montag die konkrete Vorbereitung auf das Zweitliga-Heimspiel gegen den 1. FC Heidenheim am kommenden Sonnabend (20.30 Uhr) startet. Zuvor sprach der 26 Jahre alte Mittelfeldspieler, der längst nicht nur wegen seiner je zwei Treffer und Torvorlagen einer der größten Leistungsträger im Team ist, im Abendblatt-Interview offen über die aktuelle sportliche Krise, die Besetzung des Angriffs und seine Verbundenheit zu Köln.

Hamburger Abendblatt: Herr Hartel, die Länderspielpause bietet die Chance, die vergangenen, wenig erfolgreichen Wochen aufzuarbeiten. Wäre es dennoch besser gewesen, die Enttäuschung von Regensburg (0:2) schnell mit einem guten Heimspiel wieder wettmachen zu können?

Marcel Hartel: Beides hat Vor- und Nachteile. Wir wollen als Mannschaft gerade das letzte Spiel wieder gutmachen und das mit einer besseren Leistung direkt im nächsten Spiel zeigen. Das ist jetzt leider nicht an diesem Wochenende möglich. So aber haben wir mehr Zeit, die Sachen, die wir im letzten Spiel nicht gut gemacht haben, ausführlicher aufzuarbeiten.

Wo sehen Sie die hauptsächlichen Defizite in der Leistung von Regensburg?

Es sind ein paar Punkte. Zum einen haben wir uns gerade dort die Tormöglichkeiten nicht so herausgespielt, wie wir es können. Wir müssen uns beim letzten Pass, bei der letzten Entscheidung vor dem Abschluss auf jeden Fall verbessern. In den Spielen davor war dagegen längst nicht alles schlecht. Gegen Paderborn (2:2) und Sandhausen (1:1) hatten wir ja mehr Torchancen. Aber auch da fehlte es an der letzten Konsequenz.

Angst vor St. Paulis Abstieg? Hartel kontert

In der Tabelle sieht es plötzlich bedrohlich aus bei nur zwei Punkten Vorsprung auf Relegationsplatz 16. Haben Sie Angst vor dem Abstieg?

Bei mir löst das keine Angst aus, weil ich weiß, dass wir eine so gute Qualität im Kader haben, dass wir auf jeden Fall wieder Siege einfahren werden. Wir müssen nur an den kleinen Stellschrauben drehen, um wieder erfolgreich Fußball zu spielen.

Was ist dafür vor allem nötig? Nach Regensburg haben einige Spieler die Einstellung, zum Beispiel das fehlende Feuer beim Aufwärmen kritisiert. Wie sehen Sie das?

Wir haben schon Anfang der Woche über einiges gesprochen, auch dieser Punkt war ein Thema. Wir müssen wieder mehr als Einheit auftreten, dabei auch etwas lauter auf dem Platz werden. Wir dürfen nicht so eine ruhige Mannschaft sein.

Sie haben gesagt, dass Sie in dieser Saison gern mehr Verantwortung übernehmen wollen. Wie wollen Sie dies jetzt umsetzen?

Von meinem Charakter her bin ich nicht der Lauteste auf dem Platz, der herumschreit und kommuniziert. Ich denke aber, dass ich schon einen kleinen Schritt in diese Richtung gemacht habe. Ich nehme auf dem Platz bereits einiges in die Hand und versuche, den anderen Spielern zu helfen. Das wird von mir erwartet, aber ich erwarte es auch von mir. Ich sehe, dass da noch Potenzial nach oben ist.

Hartel lobt St. Paulis Trainer Schultz

Sie sind – rein fußballerisch – einer der Zocker im Team, also ein Spieler, der sehr gut mit dem Ball umgehen kann und es liebt, auf engem Raum schnelle, kurze Pässe zu spielen. Ist das in der aktuellen Lage wirklich die gefragte Spielweise? Oder kann das Team gar nicht anders spielen?

Einen langen Ball schlagen kann jeder. Ich denke aber, dass unsere Art, Fußball zu spielen, nicht das große Problem darstellt. In jedem Spiel haben wir unsere Möglichkeiten, weil wir mit spielerischen Mitteln und dem sehr guten Plan des Trainers nach vorn kommen.

Sie selbst haben Ihre Torquote aus der vergangenen Saison, zwei Treffer, schon erreicht. Was können die Fans in dieser Hinsicht noch von Ihnen erwarten?

Das war ein Punkt, den ich mir vor der Saison vorgenommen habe. Es freut mich natürlich, dass ich jetzt schon so viele Tore geschossen habe wie in den Jahren zuvor in einer ganzen Saison. Ich gehe stark davon aus, dass da noch etwas kommt. Dafür arbeite ich auch individuell mit unserem Co-Trainer Loic Favé an den Torschüssen.

Braucht St. Pauli einen neuen Burgstaller?

Wünschen Sie sich noch einen Stürmertypen, der Guido Burgstaller mehr ähnelt?

Ich würde nicht sagen, dass wir etwas brauchen, was wir jetzt nicht haben. Wir müssen unsere Stürmer besser in Szene setzen, damit sie zu Abschlüssen kommen. Jeder unserer Stürmer hat Qualitäten im Abschluss. Das sieht man auch jeden Tag im Training. Da sind wir als Mittelfeldspieler gefordert.

Sie haben mit 107,9 Kilometern aktuell von allen Zweitligaspielern die zweitlängste Strecke in dieser Saison zurückgelegt, nur ihr Mitspieler Jackson Irvine gerade 200 Meter mehr. Lieben Sie es zu laufen?

Laufen an sich hat mir eigentlich noch nie wirklich Spaß gemacht. Von meiner Natur her ist es einfach so, dass ich ballverliebt bin. Ich will immer den Ball und Aktionen mit dem Ball haben, um das Spiel zu gewinnen. Da gehört Laufen einfach zu 100 Prozent dazu. Vielleicht fällt es mir auch etwas leichter als anderen.

Man sagt Kölnern, der Sie ja sind, nach, dass sie ganz besonders heimatverbunden sind. Trifft das auf Sie auch zu?

Ganz sicher. Irgendwann einmal, wenn meine Karriere beendet sein wird, geht es für mich und meine Familie auf jeden Fall zurück nach Köln. Das sieht meine Frau, die auch Kölnerin ist, ganz genauso.