Hamburg. Rekord-Aufstiegstrainer Friedhelm Funkel analysiert im Podcast Millerntalk den Absturz des FC St. Pauli.
Sehr genau hinschauen wird Friedhelm Funkel, wenn der FC St. Pauli am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) sein letztes Saisonspiel gegen Fortuna Düsseldorf bestreitet. Schließlich war der heute 68 Jahre alte Funkel bis Januar 2020 vier Jahre lang Cheftrainer bei den Rheinländern. Aber auch für den FC St. Pauli empfindet er von jeher viel Sympathie, wie er jetzt im Abendblatt-Podcast Millerntalk verriet.
Sechsmal hat Funkel in seiner langen Trainerkarriere Mannschaften von der Zweiten Liga in die Bundesliga geführt, das ist nationaler Rekord. Der Mann weiß also, wovon er spricht, wenn er jetzt analysiert, warum der FC St. Pauli dieses große Ziel nach der souveränen Hinrunde doch noch verspielt hat und die Saison bestenfalls als Fünfter beenden wird.
„Sicher war ich mir auch nach 36 Punkten in der Hinserie nicht, weil dann eben eine Rückserie ansteht, in der man ein Stück weit diese Leistung wiederholen muss. Es hätten ja schon 25 oder 26 Punkte in der Rückrunde gereicht. Aber sie haben nicht die Kontinuität gezeigt, während die Punktausbeute der anderen Vereine stabiler geworden ist. Mit bisher 18 Punkten in der Rückrunde kann man eben nicht aufsteigen“, sagt er über den Einbruch des Millerntorteams. „Wenn man ganz ehrlich ist, war es eine verschenkte Saison, auch wenn man vorher mit Platz fünf sicher sehr zufrieden gewesen wäre.“
Warum die Erfolgsstory des FC St. Pauli einen Knick bekam
Funkel hat mehrere Gründe ausgemacht, warum die Erfolgsstory des Kalenderjahres 2021, zu der ja auch die Rückserie der Vorsaison gehörte, im Winter einen deutlichen Knick bekam. „Es kam so rüber, dass das Team nicht mehr so eine Einheit war wie im Jahr 2021. Wenn es Unstimmigkeiten gibt, können sich viele Kleinigkeiten zu etwas Großem summieren“, sagt er. Zudem sei es den Spielern in der zweiten Hälfte nicht mehr gelungen, wie in der Hinrunde an ihrem Leistungslimit zu spielen.
Der Streit über Prämien, die bis heute nicht vollzogene Vertragsverlängerung mit den Co-Trainern und die gezielt an die Öffentlichkeit getragenen Interna sind dabei die Punkte, um die es hauptsächlich geht. „Es ist klar, dass Spieler oft darüber sprechen, wenn Prämien zugesagt und noch nicht ausgezahlt sind. Das sind Kleinigkeiten, die aber in letzter Instanz ein paar Prozent Konzentration kosten können. Dann verliert man eben auch Punkte in den Schlussphasen“, sagt Funkel und denkt dabei an die jeweils in der Nachspielzeit verspielten 1:0-Führungen in Sandhausen und gegen Nürnberg.
Funkel: "Der Trainer ist der wichtigste Mann in einem Verein"
Bei Unstimmigkeiten zwischen Spielern und der Vereinsführung sei immer auch der Trainer gefordert einzugreifen, meint Funkel. „So etwas kann ein Trainer nicht von sich stoßen. Der Trainer ist der wichtigste Mann in einem Verein und muss versuchen auszugleichen“, sagt er aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Cheftrainer. Dagegen hatte Timo Schultz zuletzt auf Nachfragen immer wieder betont, dass er sich ganz auf das Sportliche und das nächste Spiel fokussiere.
Auch bei der Frage, wie man in der Öffentlichkeit seine eigene Zielsetzung formuliert, hat Funkel zuletzt vor der Saison 2017/18 mit Fortuna Düsseldorf eine andere Herangehensweise praktiziert und damit gute Erfahrungen gemacht. „Da haben wir vor der Saison das Ziel ausgegeben, im ersten Drittel zu landen. Das war realistisch. Nach der Hinrunde waren wir ganz vorn dabei, da haben wir im Trainingslager ganz offen mit der Mannschaft darüber gesprochen, dass wir jetzt das Ziel ausgeben müssen, aufsteigen zu wollen. Das haben wir dann auch geschafft“, berichtet er.
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Funkel hätte es auch gereizt, beim FC St. Pauli zu arbeiten
Bekanntermaßen ging St. Pauli auch nach seiner herausragenden Hinrunde äußerst defensiv mit dem Thema Aufstieg um. „Wir schauen nur auf das nächste Spiel“, hieß es immer. Friedhelm Funkel gesteht zu: „Das muss jeder für sich entscheiden. Welche Mentalität verspüren der Trainer und die Offiziellen in der Mannschaft? Kann die Mannschaft damit umgehen, ist sie erfahren genug? Meine Düsseldorfer Mannschaft war es und ist gut damit umgegangen“, sagt er.
Persönlich hätte es Funkel auch gereizt, beim FC St. Pauli zu arbeiten. „Leider hatte ich nie ein Angebot. St. Pauli hätte ich wirklich gern trainiert. Das Miteinander, die Fannähe – das ist das, was ich lebe. Ich habe immer gern mit den Fans gequatscht und nach den Spielen auch mal ein Bier getrunken“, sagt er. Doch was nicht war, kann noch werden, denn Funkel sieht sich selbst noch nicht ganz im Ruhestand. „Ich schließe nicht aus, mal wieder für ein paar Wochen auszuhelfen, wenn ich die Aufgabe für reizvoll halte“, sagt er. Den deutschen Fußball verfolgt er jedenfalls weiter intensiv.