Hamburg. Das Unentschieden gegen Nürnberg ist ein weiterer Rückschlag im Aufstiegskampf. Kyerehs Strafstoßtor reicht nicht zum Sieg.

Der erhoffte 16. Saisonsieg war für den FC St. Pauli zum Greifen nah, doch Nürnbergs Taylan Duman riss das Team mit seinem Tor zum 1:1 (0:0) in der Nachspielzeit aus allen Träumen. So war das 300. Unentschieden der Kiezkicker in der 2. Fußball-Bundesliga ein weiterer Rückschlag im Kampf um den Bundesligaaufstieg.

„Wir haben 1:1 verloren“, kommentierte St. Paulis Trainer Timo Schultz ebenso knapp wie treffend das Geschehen. „Es war jetzt der vierte oder fünfte Nackenschlag, den wir jetzt in den vergangenen Wochen hinnehmen mussten.“ Dabei dachte er unter anderem an die Spiele gegen Bremen und in Sandhausen, als sein Team ebenfalls eine 1:0-Führung nicht gehalten hatte. Schultz wirkte so niedergeschlagen wie noch nie in dieser Saison. Er gab auf die Frage, wie schwer es sei, jetzt sein Team wieder aufzubauen zu: „Ich muss mich erstmal selbst wieder aufbauen.“

Vor dem Spiel hatte St. Paulis Präsident Oke Göttlich Stellung zu den jüngsten, nach außen gedrungenen Querelen um ausstehende Pokalprämien und die noch nicht vereinbarte Aufstiegsprämie genommen. „Es haben einzelne ihre Interessen über die des Vereins gestellt“, sagte er. „Ich halte mehr davon, Unzufriedenheiten intern zu klären.“

St. Pauli patzt schon vor dem Anpfiff

Den ersten groben Schnitzer des Tages hatte sich der FC St. Pauli schon rund acht Stunden vor Spielbeginn geleistet. Per Twitter gratulierte der Verein seinem Torjäger Guido Burgstaller zum 33. Geburtstag. Wörtlich hieß in dem Tweet: „Wir wünschen Dir alles Gute und am besten heute Abend Deinen nächsten Treffer, lieber Guido.“ Dabei stand zu diesem Zeitpunkt längst fest, dass der 18-Tore-Mann wegen einer Muskelverletzung, die er sich bereits am Mittwoch im Training zugezogen hatte, nicht im Kader für das Spiel gegen Nürnberg stehen würde.

Laut „Bild“ hatte eine MRT-Untersuchung am Donnerstag die Befürchtungen bestätigt, dass der Österreicher für längere Zeit ausfällt. Was nun den FC St. Pauli einen Tag später noch bewog, per Twitter zu suggerieren, Burgstaller könne am Abend gegen Nürnberg spielen, blieb den Tag über unklar. Am Abend wurde von Vereinsseite beteuert, es habe sich um ein Versehen gehandelt, weil der Tweet schon Tage zuvor vorbereitet worden sei. Auf jeden Fall war es eine Desinformation auch gegenüber den eigenen Fans, die erst mit der Bekanntgabe der Aufstellung indirekt korrigiert.

Wieso St. Pauli mit einer Notelf antrat

Im Laufe des Freitags wurde dann auch noch klar, dass Kapitän und Abwehrchef nicht zur Verfügung steht. Der 29-Jährige hat sich mit dem Coronavirus infiziert. Diese weitere Hiobsbotschaft passte irgendwie ins Bild, denn Trainer Timo Schultz musste bekanntlich auch noch die gelbgesperrten Jackson Irvine und Marcel Hartel ersetzen. Als Alternative für Ziereis stand auch Marcel Beifus nicht zur Verfügung, nachdem er am vergangenen Sonntag im Regionalligaspiel von St. Paulis U-23-Team die Rote Karte gesehen hatte.

„Ich habe immer noch genug Jungs da. Wir sind eine schlagkräftige Truppe“, sagte Trainer Timo Schultz vor dem Anpfiff bei Sky. „Wir haben sehr viele spielfreudige Jungs auf dem Platz.“ Gleich auf sechs Positionen hatte er gegenüber dem 1:2 gegen Darmstadt sechs Tage zuvor seine Startelf verändert. Außenverteidiger Luca Zander, Innenverteidiger James Lawrence, die Mittelfeldspieler Afeez Aremu, Christopher Buchtmann sowie die Stürmer Maximilian Dittgen und Lukas Daschner waren ins Team gerückt.

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FC St. Pauli vs. Nürnberg: Wildes Spiel

Von Beginn an ergab sich ein offenes, bisweilen wildes Spiel, in dem beide Teams deutlich machten, dass ihnen nur ein Sieg hilft, wenn sie noch ein Wort um den Aufstieg mitreden wollen. Dabei geriet St. Pauli nach einem Ballverlust von Aremu schon früh in Not und konnte froh sein, dass Jakov Medic gerade noch verhinderte, dass Nürnbergs Stürmer Pascal Köpke den Ball ins Tor schieben konnte.  Auf der Gegenseite dauerte es bis zur 18. Minute, ehe das Heimteam zu seiner ersten guten Torchance kam. Dabei verpasste Daschner, gegen Darmstadt noch Torschütze des Anschlusstreffers, das Zuspiel des engagiert spielenden Dittgen nur knapp.

St. Pauli musste noch in der ersten Hälfte einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Nachdem Afeez Aremu nach einem Foul an Johannes Geis von Schiedsrichter Bastian Dankert aus Rostock die Gelbe Karte gesehen und sich noch zwei weitere, kleinere Fouls geleistet hatte, sah sich Trainer Schultz gezwungen zu handeln. Er nahm noch vor dem Ende der ersten Hälfte den geknickt wirkenden Aremu vom Feld und brachte für ihn Rico Benatelli. Spätestens jetzt stand quasi eine Notelf auf dem Platz, die bis zur Pause noch Lino Tempelmanns Schuss über das Tor überstand.

St. Pauli erlebt Ernüchterung gegen Nürnberg

Auch im zweiten Abschnitt tat sich St. Pauli zunächst schwer, Torgefahr auszustrahlen. Fast aus dem Nichts kam das Team dann aber zu seiner bis dahin besten Aktion, als der bis dahin blasse Finn Ole Becker mit seinem schwächeren rechten Fuß von der Strafraumgrenze den Innenpfosten des Nürnberger Tores traf (57.). Der Ball sprang aber zurück ins Feld.

Dies aber war das Signal für die St. Paulianer, unterstützt von den meisten der 29.312 Zuschauenden im nicht ganz ausverkauften Millerntor-Stadion, energischer als zuvor auf den Führungstreffer zu drängen. Und dieser Einsatz wurde prompt belohnt. Als Zander im Strafraum Nürnbergs Asgar Sörensen den Ball wegspitzelte, wurde er von diesem am Fuß getroffen. Die Strafstoß-Entscheidung war unstrittig. Daniel-Kofi Kyereh verwandelte sicher unten links zum umjubelten 1:0 (74.).  Doch dieses Tor reichte nicht. Tayler Duman traf spät unten rechts zum 1:1. Der Rest war Ernüchterung. 

Die Statistik:

  • St. Pauli: Vasilj - Zander, Medic, Lawrence, Paqarada - Aremu (41. Benatelli) - Becker, Buchtmann (88. Ritzka) - Kyereh (89. Makienok) - Daschner (89. Amenyido), Dittgen (63. Matanovic). - Trainer: Schultz 
  • Nürnberg: Mathenia - Schindler, Florian Hübner, Sörensen (76. Duman) - Geis (63. Nürnberger) - Fischer (81. Schäffler), Handwerker - Krauß, Tempelmann - Schleimer (81. Schuranow), Köpke (46. Dovedan). - Trainer: Klauß
  • Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock)
  • Tore: 1:0 Kyereh (74., Foulelfmeter), 1:1 Duman (90.+2)
  • Zuschauer: 29.312 
  • Gelbe Karten: Aremu (4), Becker (3) -
  • Torschüsse: 15:10
  • Ecken: 7:1, Ballbesitz: 61:39 Prozent, Zweikämpfe: 128:114