Hamburg. Vorwurf einer verharmlosenden Darstellung seitens des Kiezclubs. Fanladen fordert die Opfer auf, Gedächtnisprotokolle zu schreiben.

Die Vorfälle nach dem Spiel am späten Sonnabendabend vor dem Rostocker Ostseestadion schlagen weiter hohe Wellen. Dort waren nach dem Schlusspfiff des Spiels zwischen Hansa Rostock und dem FC St. Pauli die Anhänger des Kiezclubs in einem eingezäunten Bereich von der Polizei festgehalten worden. Einige Hansa-Fans nutzten die Situation, um diese geballte und gleichzeitig gefangene Menschenmenge mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen von außen zu attackieren. Nachdem die Polizei dies zunächst nicht unterbunden hatte, setzte sie Pfefferspray und vor allem auch Wasserwerfer gegen beide Gruppen ein, obwohl zu diesem Zeitpunkt Minusgrade herrschten.

Polizeigewalt in Rostock? St. Pauli Fans äußern Kritik

Bereits am Sonntagvormittag hatten sich mehrere St.-Pauli-Fangruppen beklagt, dass es vonseiten des Vereins keine Stellungnahme zum Geschehen gebe. Diese folgte dann am Nachmittag. „Es ist gestern zu besorgniserregenden Vorfällen in der Halbzeit und nach dem Abpfiff gegen unsere Fanszene gekommen. Wir sind zur Aufarbeitung der Geschehnisse in Absprache mit dem Fanladen und sammeln aktuell alle Fakten“, hieß es darin. Diese Sätze allerdings trugen nicht unbedingt zur Beruhigung in der Fanszene bei. „Besorgniserregend ist, dass ihr 17 Stunden braucht, um überhaupt zu reagieren und dann so eine eine halb gare Grütze dabei rauskommt“, twitterte etwa der Nutzer „Pöbeltroll“.

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Zudem wurde die Vereinsführung aufgefordert, die Aktionen der Sicherheitsbeamten ebenfalls klar als „Polizeigewalt“ zu benennen. So twitterte die Fanhilfe St. Pauli: „Wenn #FCSP Fans durch die Polizei mit Pfefferspray, Schlagstöcken, Fausthieben und einem Wasserwerfer wahllos attackiert werden, dann sind das nicht nur ,besorgniserregende Vorfälle‘. Das ist Polizeigewalt!!!“

FC St. Paul-Fans sprechen von "Polizeigewalt"

Der Fanladen St. Pauli, der den Sonderzug nach Rostock organisiert hatte, hat die Betroffenen inzwischen gebeten, zeitnah individuelle Gedächtnisprotokolle über das Geschehen zu erstellen, um den „offensichtlich rechtswidrigen Polizeieinsatz, bei dem St. Paulianer/-innen gefährdet und verletzt worden sind, zu dokumentieren“.

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Auf Anfrage des Abendblatts zum Vorgehen der Polizei, teilte Achim Segebarth, der Leiter Polizeiinspektion Rostock, mit: „Grundsätzlich werden alle Einsätze im Nachgang evaluiert, um Schlussfolgerungen mit Blick auf künftige Einsatzlagen zu ziehen. So befinden wir uns momentan in der kritischen internen Nachbereitung rund um das Zweitligaspiel Rostock gegen St. Pauli. Bestandteil sind auch die von Ihnen angefragten Sachverhalte in der Nachspielphase sowie der Einsatz des Wasserwerfers.“ Zuvor war in einer Pressemitteilung von einem „konsequenten Einsatz“ die Rede, der ein direktes Aufeinandertreffen der Fangruppen verhindert habe.

Anlass für die Einkesselung war ein Organisationsfehler

Anlass für die Einkesselung war ein Organisationsfehler: Die St.-Pauli-Anhänger waren aufgefordert worden, nach dem Spiel zügig den Gästeblock im Stadion zu verlassen, um schnell mit den Bussen vom Stadion wegfahren zu können. Dem waren sie auch nachgekommen, während im benachbarten Block noch die meisten Hansa-Fans standen und die Mannschaft sowie später Trainer Jens Härtel feierten. Doch die vorgesehenen Shuttlebusse zum Rostocker Hauptbahnhof und zu den Parkplätzen standen nicht vor dem Stadion bereit.

Eine friedliche Abreise der Fans hätte also klappen können, wenn der Shuttleservice funktioniert hätte. Das war aber nicht der Fall. So war es überhaupt möglich, dass die in dem eingezäunten Bereich stehenden St.-Pauli-Fans von außen von einigen Rostocker Fans mit Feuerwerkskörpern und anderen Gegenständen attackiert werden konnten. Augenzeugen berichten, dass die Polizei dies zunächst nicht verhinderte. Später erfolgte der Wasserwerfereinsatz gegen beide Gruppen.

Unterdessen hat der FC St. Pauli beschlossen, dass auch die restlichen Saison-Heimspiele mindestens unter 2G-Bedingungen stattfinden. „Mit der Entscheidung möchten wir unseren Fans und Mitarbeiter/-innen gegenüber unserer Verantwortung gerecht werden“, sagte Präsident Oke Göttlich. Der Verein appelliert „im Sinne der Eigenverantwortung“ zudem, die FFP2-Masken nur auf den Plätzen abzunehmen und sich im Vorwege freiwillig testen zu lassen.