Rostock. Kiezkicker sind nach der 0:1-Auswärtspleite im Ostseestadion nur noch Zweiter. Deutliche Kritik von Marcel Hartel nach dem Spiel.
Herber Rückschlag für den FC St. Pauli im Kampf um den Bundesligaaufstieg. Das Team vom Millerntor verlor am Sonnabendabend verdient das brisante Duell beim FC Hansa Rostock mit 0:1 (0:0) und verlor damit wieder die Tabellenführung in der Zweiten Liga. An diesem Sonntag droht gar der Sturz auf Rang drei. Dafür muss Werder Bremen nur Unentschieden gegen Sandhausen spielen.
Es war insgesamt eine der schwächsten Saisonleistungen der St. Paulianer, die defensiv anfällig und offensiv nicht zielstrebig genug waren. "Wir haben kein Konzept gehabt, sondern die Bälle einfach nur lang geschlagen", sagte Mittelfeldspieler Marcel Hartel. "Wir haben nicht mutig gespielt, so besteht man hier nicht."
St. Pauli verliert Tabellenführung: Rückschlag im Aufstiegskampf
St. Paulis Trainer Timo Schultz hatte seine Startelf gegenüber dem 1:0-Heimsieg gegen den 1. FC Heidenheim zwei Wochen zuvor auf drei Positionen verändert. Anstelle des an der Wade verletzten Eric Smith besetzte Afeez Aremu die wichtige Sechser-Position vor der Abwehrkette. Finn Ole Becker rückte auf die halbrechte Position in der Mittelfeldraute anstelle von Jackson Irvine, der nach seiner Corona-Infektion zwar schon das Lauftraining wieder aufgenommen hat, aber doch noch nicht wieder im Kader war. Und schließlich spielte Luca Zander als Rechtsverteidiger für Adam Dzwigala, der diesmal zunächst auf der Bank saß.
Das Spiel war kaum angepfiffen worden, da brach unter den rund 22.000 Hansafans im ausverkauften Ostseestadion schon frenetischer Jubel aus. St. Paulis Torwart Nikola Vasilj hatte einen Schuss von Svante Ingelsson aus kurzer Distanz zwar noch abwehren können, doch Simon Rhein brachte den Ball zu vermeintlichen 1:0 (3.) für Rostock im Tor unter. Vermeintlich deshalb, weil Schiedsrichter Benjamin Brand umgehend einen Hinweis vom Videoassistenten Guido Winkmann erhielt. Brand schaute sich die Szene am Bildschirm an und stellte fest, dass im Vorwege Hansa-Torjäger John Verhoek St. Paulis Innenverteidiger Jakov Medic gefoult hatte. Das Tor wurde entsprechend annulliert.
Verhoek wirkte übermotiviert gegen den Ex-Club
Verhoek wirkte in der Folge gegen seinen Ex-Club, für den er von 2013 bis 2016 gespielt hatte, ein wenig übermotiviert. Nachdem er an Vasilj gescheitert war (10.), sah er nach einem harten Einsteigen gegen Leart Paqarada die Gelbe Karte. Kurz danach wurde auch das rüde Foul von Rostocks Verteidiger Ryan Malone an Stürmer Simon Makienok mit Gelb bedacht (12.).
Nach dieser hektischen Anfangsphase, in der Guido Burgstaller (7.) die erste gute Chance für St. Pauli hatte und an Torwart Markus Kolke scheiterte, der den Ball noch zur Ecke lenkte, entwickelte sich ein abwechslungsreiches und sehenswertes Spiel, in dem St. Pauli mehr Ballbesitz (61 Prozent zur Pause) hatte, aber Rostock die besseren Torchancen. So zeichnete sich Vasilj mehrmals aus. Vor allem seine Parade mit der rechten Hand beim abgefälschten Schuss von Nico Neidhart (40.) war überragend. Für St. Pauli vergab Daniel-Kofi Kyereh aus aussichtsreicher Position (34.). Sein Schrägschuss aus halblinker Position ging weit über das Tor.
Pyrotechnik im Ostseestadion gezündet
In der Pause wurden außerhalb des Stadions etliche Böller und andere Feuerwerkskörper gezündet. Eine Leuchtrakete flog von hinten knapp neben den Gästeblock, in dem rund 2300 St.-Pauli-Fans standen, und landete in dem als Puffer eingerichteten, leeren Bereich zwischen den Fanblöcken.
Die zweite Halbzeit begann mit rund zwei Minuten Verspätung, weil nun im St.-Pauli-Block etliche Bengalos gezündet wurden. Schiedsrichter Brand wartete so lange, bis die Pyro-Fackeln gelöscht waren und sich der Rauch weitgehend verzogen hatte.
Wie Schultz in der Halbzeit reagierte
St. Paulis Trainer Schultz reagierte in der Pause auf die Unsicherheiten in der Defensive, wechselte Innenverteidiger James Lawrence für Mittelfeldspieler Becker ein und stellte auf eine Dreierkette in der Abwehr um. Die Hoffnung auf mehr Stabilität erfüllte sich durch diese Maßnahme allerdings nicht. Die Rostocker bestimmten fortan das Spiel, während St. Pauli praktisch keine gelungene Offensivaktion mehr hatte. So war es fast schon eine logische Folge, dass der FC Hansa in Führung ging. Die flache, aber scharfe Hereingabe von Calogero Rizzuto von halbrechts verpasste zwar Verhoek in der Strafraummitte, doch links rauschte Nico Neidhart heran und drückte den Ball über die Torlinie – 1:0 (59.).
Kurz danach beendete Trainer Schultz die Dreierketten-Variante schon wieder und wechselte offensiv. Rico Benatelli und Lukas Daschner kamen für Marcel Beifus und den immer müder werdenden Aremu.
St. Pauli mit guten Chancen auf den Ausgleich am Ende
Ein Kopfball von Daschner links am Tor vorbei (70.) und ein guter Freistoß von Leart Paqarada (74.) der nur knapp am linken Pfosten vorbeistrich waren bis in die Schlussphase St. Paulis beste Chancen auf den Ausgleich. "Wir waren alle heiß, haben aber zu viele direkte Duelle verloren", sagte Verteidiger Luca Zander.
Die einzig gute Nachricht an einem gebrauchten Abend für St. Pauli war, dass die von einer Sperre bedrohten Guido Burgstaller, Daniel-Kofi Kyereh und Marcel Hartel ohne weitere Verwarnung blieben und somit am kommenden Sonnabend (13.30 Uhr) im nächsten Nordderby gegen den SV Werder Bremen mitwirken können. Ein nur schwacher Trost nach einer unbefriedigenden Leistung und verdienten Niederlage.