Hamburg. Die Verbindungen des Kiezclubs mit dem Eimsbütteler TV sind eng. Sogar der Spielplan wird aufeinander abgestimmt.
Beim Training am Mittwoch fehlte Fabian Hürzeler. Als die Profis in einem Miniturnier in drei Teams Vollgas gaben, schaute nur noch Loic Favé aus dem Trainerquartett dem engagierten Treiben zu. Cheftrainer Timo Schultz soll am Freitag aus seiner Corona-Quarantäne zurückkehren, bei Torwartcoach Matthias Hain wird es noch länger dauern. Aber wo war nun Hürzeler? Der wird doch nicht auch? Es dauerte etwas, bis der FC St. Pauli Entwarnung gab: Der 28-Jährige war auf einem Trainerlehrgang, alles gesund also.
Gemeinsam mit Favé hat Hürzeler in den vergangenen zwei Wochen Schultz auf dem Trainingsplatz vertreten und Siege gegen den 1. FC Nürnberg (3:2) und Schalke 04 (2:1) eingefahren. „Fabi und Loic haben das überragend gemacht“, lobte Stürmerstar Guido Burgstaller, der mit 32 Jahren vier Jahre älter ist als St. Paulis zwei Trainertalente.
„Das Lob wundert mich nicht“, sagt Khalid Atamimi. Der 30-Jährige ist seit Saisonbeginn Trainer der 1. Herren des Eimsbütteler TV, die die Landesliga 3 aufmischen und nach zehn Spieltagen mit 30 Punkten scheinbar unaufhaltsam dem Aufstieg in die Oberliga entgegenkicken. Fabian Hürzeler spielt, wann immer er kann, in der Mannschaft im Mittelfeld, war zuletzt sogar Kapitän. Sieben der bislang zehn Partien hat er bestritten. Der ETV versucht sogar, wenn nötig, seinen Spielplan an den der St.-Pauli-Profis anzupassen. „Er ist im Training sehr fordernd, sehr anspruchsvoll und hat unglaubliches Fußballwissen“, sagt Atamimi, „ich frage ihn auch mal nach seiner Meinung.“
FC St. Pauli und ETV: So helfen sich die Vereine
Aber vor allem will Hürzeler beim ETV spielen. „Dieser Ausgleich tut ihm sehr gut, glaube ich“, sagt Atamimi, „Fabi fühlt sich unheimlich wohl in unserer Mannschaft.“ Augenhöhe, Teamspieler, Gleicher unter Gleichen. Keine Texte über den St.-Pauli-Job und keine Allüren andererseits – „die Jungs lassen ihn damit in Ruhe“. Lieber feiert man nach Siegen zusammen. Das kann er auch, der Bayer, heißt es.
Hürzeler wurde als Spieler in der Jugend des FC Bayern München ausgebildet, merkte aber irgendwann, dass es mit der erträumten Bundesligakarriere wohl leider nichts wird. So konzentrierte er sich schon mit 22 Jahren auf die Trainerlaufbahn als Spielertrainer beim FC Pipinsried in Bayern, den er in die Regionalliga als Chefcoach führte. Von dort kam er im Sommer 2020 ans Millerntor. Schultz kannte ihn von einem Praktikum zwei Jahre zuvor in St. Paulis Nachwuchsleistungszentrum. „Es passte fachlich, und wir liegen menschlich auf einer Wellenlänge“, begründet Hürzeler seinen Gang in den Norden.
Für Michael Richter, den Abteilungsleiter beim ETV, ist „Hürzeler ein sehr wichtiger Spieler in einer sehr jungen Mannschaft. Für die Jungs ist es mega, dass da so ein erfahrener Mitspieler mit Ausstrahlung ist.“ Viele dieser überwiegend 18 bis 22 Jahre jungen ETV-Kicker wurden in der Jugend von Loic Favé ausgebildet. Und da schließt sich der Kreis zwischen ETV und St. Pauli.
FC St. Pauli und ETV: Die Verbindungen sind immer noch sehr eng
Die Verbindungen sind immer noch sehr eng. Favé hatte von 2012 bis 2020 höchst erfolgreich als Trainer und zuletzt als sportlicher Leiter der Jugendabteilung in Eimsbüttel gearbeitet. „Loic hat mich im Sommer 2020 gefragt, ob Fabian bei mir wohnen kann. Das ist ja besser als im Hotel“, erzählt Atamimi. Konnte er. Fast ein Jahr bestand diese Fußball-WG, zu der noch zwei weitere ETV-Trainer gehörten. „Wir sind inzwischen gut befreundet“, erzählt Atamimi, der 2011 zu der ETV-Mannschaft gehörte, die als Hamburger Pokalsieger nach Differenzen mit dem Vorstand den Verein verließ und auf das Spiel im DFB-Pokal verzichtete. „Ich bin sicher, dass unsere WG für Fabi gerade wegen der Corona-Beschränkungen das Ankommen in Hamburg sehr erleichtert hat.“
Favé seinerseits ist weiterhin eng mit seinen ehemaligen Mitstreitern beim ETV befreundet. Er war Ende September zu Gast bei der Eröffnung des neuen Sportzentrums in Lokstedt, besuchte die Premiere eines Dokumentarfilms über den ETV im Corona-Jahr. „Wenn er Zeit hat, dann schaut er sich auch regelmäßig die Spiele unserer U-19-Bundesligamannschaft an“, erzählt Richter. Der Oberligaaufstieg sei das erklärte Ziel der Eimsbütteler: „Unsere U-19-Spieler sollen eine Perspektive im Verein haben.“
Dass Fabian Hürzeler mit seiner spielerischen Klasse und Erfahrung dabei helfen kann – umso besser. Wie es weitergehen kann, das wollen sie demnächst mit den Trainern und Jugendvertretern besprechen. Und sicher auch mit einem Spieler wie Hürzeler. Einen ganz wichtigen Termin müssen sie beim ETV und dem FC St. Pauli übrigens auch noch festmachen: Beide Mannschaften werden gegeneinanderspielen, wenn wieder Zuschauer zugelassen sind. „Es steht ja noch das verabredete Ablösespiel für Loic Favé aus“, sagt Richter. Und wer weiß – vielleicht sind dann beide Clubs schon Aufsteiger.