Hamburg. Der FC St. Pauli steht durch das 3:1 gegen Sandhausen dank Topscorer Kyereh wieder an der Tabellenspitze.
Siebtes Heimspiel, siebter Heimsieg. Der FC St. Pauli feierte am Mittwochabend vor 23.401 Zuschauern nicht nur den 3:1 (2:0)-Erfolg im Nachholspiel gegen den SV Sandhausen, sondern auch die Rückkehr an die Tabellenspitze der Zweiten Liga. Nach einer euphorischen ersten Halbzeit und einer kurzen Phase unnötiger Lässigkeit stand am Ende ein verdienter Erfolg gegen einen insgesamt überforderten Gegner. „Vor allem der Auftritt in der ersten Halbzeit war stark. Da hätten es schon ein oder zwei Treffer Vorsprung mehr sein können“, sagte St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann zufrieden.
Trainer Timo Schultz hatte seine Startelf gegenüber dem 0:4 am vergangenen Sonnabend in Darmstadt gleich auf fünf Positionen verändert. Dabei war er gezwungen, neben dem an der Nase operierten Jakov Medic auch den kurzfristig erkälteten Außenverteidiger Luca Zander zu ersetzen. Für ihn spielte der Schwede Sebastian Ohlsson von Beginn an, während wie erwartet James Lawrence für Medic ins Team kam. Zudem ließ Schultz die Mittelfeldspieler Afeez Aremu und Jackson Irvine auf der Bank. Der leicht angeschlagene Etienne Amenyido war nach seinem Startelfdebüt in Darmstadt gar nicht erst im Kader. Für ihn stürmte der Däne Simon Makienok.
FC St. Pauli: Klar überlegen im Spiel gegen Sandhausen
Von Beginn an ließ aber auch diese veränderte Mannschaft keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie sich für das 0:4 in Darmstadt rehabilitieren wollte. Dies aber nicht etwa krampfhaft, sondern mit Einsatz, Laufbereitschaft und Spielfreude. Diese blitzte schon vor dem ersten Tor auf, als Daniel-Kofi Kyereh einen Steilpass erlief, per Hacke auf Guido Burgstaller spielte, der den Ball mit seinem vermeintlich schwächeren linken Fuß zum 1:0 genau ins linke obere Toreck zirkelte. Noch nicht ganz zwei Minuten waren da gespielt. Auch das 2:0 entsprang einer sehenswerten Kombination. Diesmal verwertete Kyereh die Vorlage von Marcel Hartel und erzielte aus zentraler Position sein viertes Saisontor.
Zur ganzen Wahrheit des hoch überlegenen und begeisternden Auftritts des FC St. Pauli in seinem siebten Heimspiel der Saison gehörte allerdings auch, dass sich die von Trainer Alois Schwartz defensiv eingestellten Sandhäuser in den ersten 45 Minuten völlig desolat präsentierten und ihren Gegnern immer wieder Platz zum Kombinieren anboten. 78 Prozent Ballbesitz und 12:3 Torschüsse standen zur Pause für St. Pauli zu Buche, dazu eine Passquote von 90 Prozent.
Eine Meisterschale für St. Pauli?
Einziges Manko aus St.-Pauli-Sicht war zu diesem Zeitpunkt, dass die Mannschaft aus ihrer Überlegenheit nur eine Zwei-Tore-Führung herausgeschossen hatte. Währenddessen drehte die Blindenfußballmannschaft St. Paulis, die Ende Oktober deutscher Meister geworden war, eine Ehrenrunde im Millerntor-Stadion und präsentierte dabei die Meisterschale. Die Fans feierten Torjäger Jonathan Tönsing und seine Mitspieler lautstark. Dabei mag der eine oder andere daran gedacht haben, dass am Saisonende auch die Zweitliga-Profimannschaft eine Meisterschale überreicht bekommen könnte. Wer nach 14 Spielen Tabellenführer ist, könnte es ja auch nach 34 sein.
Zunächst allerdings war dann doch noch Zittern angesagt, weil sich die St. Paulianer im Gefühl des Vorsprungs und der eigenen Überlegenheit doch zu bequem einrichtet hatten. Nach einer Ecke köpfte Sandhausens Innenverteidiger Immanuel Höhn viel zu freistehend zum 1:2-Anschluss (67.) ein. Diese Phase der Unsicherheit dauerte allerdings nur zwölf Minuten, weil der vom eingewechselten Igor Matanovic bei einem Konter mustergültig freigespielte Kyereh allein vor Sandhausens gutem Torwart Patrick Drewes die Nerven behielt und mit dem 3:1 (79.) für die Entscheidung sorgte. Allerdings machte es Videoassistent Patrick Alt spannend, weil er fast vier Minuten brauchte, um festzustellen, dass Kyereh nicht im Abseits war.
Ein Weihnachtsgeschenk für die Fans
Zuvor hatte Sportchef Bornemann berichtet, dass er und Trainer Schultz derzeit über weitere Verstärkungen in der Winterpause nachdenken. „Es macht ja manchmal auch Sinn, Spieler schon mal hier zu haben, die ein halbes Jahr Eingewöhnung haben“, deutete er einen Vorgriff auf die kommende Saison an. Und auch die Verlängerung des Vertrages mit Trainer Schultz sei auf einem guten Weg. „Wir bewegen uns auf die Zielgerade zu. Wir sind einen großen Schritt weitergekommen. Zu Weihnachten wäre es ein schönes Geschenk für die Fans.“
FC St. Pauli: Vasilj – Ohlsson (74. Dzwigala), Ziereis, Lawrence, Paqarada – Smith (65. Benatelli) – Becker (74. Irvine), Hartel – Kyereh – Makienok (65. Matanovic), Burgstaller (90. Dittgen). SV Sandhausen: Drewes – Diekmeier, Höhn, Zhirov, Okoroji – Zenga – Ajdini (87. Soukou), Bachmann (35. Benschop), Ritzmaier (69. Conteh), Esswein (69. Ouahim) – Testroet. Schiedsrichter: Max Burda (Berlin). Tore: 1:0 Burgstaller (2.), 2:0 Kyereh (14.), 2:1 Höhn (67.), 3:1 Kyereh (79.). Z.: 23.401. Gelbe Karten: Dzwigala (2) – Ajdini (2), Höhn (3), Zenga (5). Statistik: Torschüsse: 20:5, Ecken: 8:2, Ballbesitz: 67:33 Prozent, Zweikämpfe: 97:93.
Einzelkritik: Burgstaller fuhr mit Sandhausens Abwehr Karussell
Vasilj: Fror in der ersten Halbzeit mangels Beschäftigung. Den Zusammenprall mit Zhirov überstand er unbeschadet. Beim Gegentreffer chancenlos.
Ohlsson (bis 74.): Rückte für den erkälteten Zander wieder ins Team und überzeugte mit einem grundsoliden Auftritt.
Dzwigala (ab 74.): Fügte sich gut ein.
Ziereis: Der Kapitän dirigierte von hinten heraus und war zur Stelle, wenn es nötig wurde. Stellte mit 33,77 km/h einen persönlichen Geschwindigkeitsrekord auf. Damit schnellster Spieler des Tages.
Lawrence: Was für ein Glück, wenn man für den verletzten Medic einen walisischen Nationalspieler bringen kann. Alles gut, alles sicher.
Paqarada: Lieferte sich viele Privatduelle mit Dennis Diekmeier, seine Flanken und Freistöße blieben diesmal aber eher harmlos.
Smith (bis 65.): Der Herrscher im Mittelfeld. Der Schwede leitete zahlreiche Angriffe ein, hatte eine glänzende Übersicht.
Benatelli (ab 65.): Zuverlässig, ballsicher, immer eine Bank.
Becker (bis 73.): Drehte in der stürmischen Anfangsphase auf wie die „Wilde Maus“. Trotzdem fehlte zu oft die allerletzte, erfolgreiche Aktion.
Irvine (ab. 73.): Fiel nicht mehr auf.
Kyereh: St. Paulis spielfreudiger Zehner wurde zur großen Attraktion. Seine Hackenvorlage vor dem 1:0 war schon ein Träumchen, das Tor zum 2:0 war Routine, der Treffer zum 3:1 brachte die große Erleichterung.
Hartel: Trickste im Mittelfeld herum. Tolles Zuspiel zu Kyerehs 2:0.
Burgstaller (bis 90.): Fuhr mit der SVS-Abwehr Karussell. Beweglich, schnell und mit einem Traumtor in den Winkel.
Dittgen (ab 90.): Gab Burgstaller die Chance zum Sonderapplaus und traf noch selbst den Pfosten. Makienok (bis 65.): Der Herr der Lüfte. Der lange Däne überzeugte bei seinem ersten Startelfeinsatz seit dem 11. September mit seiner Kopfballstärke.
Matanovic (ab 65.): Sehr präsent im Strafraum. Mit guten Aktionen, aber etwas zu überhastet.