Hamburg. Der 1. FC Heidenheim ist wie der FC St. Pauli den Topclubs der Zweiten Liga auf den Fersen. Was hinter der Erfolgsstory von der Alb steckt.

Am nordöstlichen Ende der Schwäbischen Alb liegt in einer Talweitung der Brenz bei der Einmündung des Stubentals Heidenheim an der Brenz. 49.342 Einwohner zählt die Stadt, die nächste Großstadt ist das 33 Kilometer entfernte Ulm. Es gibt ein Amtsgericht, den Sitz eines Landratsamtes und eines Dekans im Evangelischen Kirchenbezirk Heidenheim, zwei Weltkonzerne und den 1. FC Heidenheim, der den Ort erst so richtig in das Bewusstsein vieler Menschen gerückt hat.

Seit 2014 mischt der Club aus der ostwürttembergischen Provinz in der Zweiten Liga mit. Aus einem belächelten „Dorfverein“ ist über die Jahre ein re­spektiertes Mitglied der Liga geworden. „Das ist ein absolut reizvolles Spiel gegen einen guten Gegner, jeder von uns fährt gerne dorthin“, sagt Luca Zander vom FC St. Pauli, der am Sonnabend (13.30 Uhr/Sky) Tabellenplatz eins beim Sechsten verteidigen muss. „Niemand in der Mannschaft wird sie unterschätzen. Wir wissen alle, dass es dort sehr, sehr schwer ist.“

FC St. Pauli und Heidenheim führen die zweite Garde der Zweiten Liga an

Seit ihrem Aufstieg in die Zweite Liga haben die Heidenheimer die Klasse stets souverän gehalten. Platz 13 am Ende der Saison 2017/18 war die bislang schwächste Platzierung. 2020 verpassten sie als Dritter erst in der Relegation gegen Werder Bremen den Bundesligaaufstieg. Mit einem Umsatz von 37 Millionen Euro lag der Club in der Vor-Corona-Saison 2019/2020 auf Platz acht, unmittelbar hinter dem FC St. Pauli (47 Millionen). Beide Vereine sind damit nach einer Berechnung der ARD-„Sportschau“ die umsatzstärksten nach den langjährigen Erstligisten Schalke, Bremen, HSV, Düsseldorf, Hannover und Nürnberg.

Der Marktwert der Heidenheimer Mannschaft liegt laut „Transfermarkt“ bei 19 Millionen Euro, der des FC St. Pauli wird auf 21,35 Millionen taxiert. Der Millerntorclub gibt etwa 24 Millionen Euro für sein Personal aus, der 1. FC Heidenheim rund 16 Millionen. Der Verein kassiert durch seine Erfolge in den letzten Jahren in dieser Saison 12,422 Millionen Euro aus der TV-Vermarktung. Der FC St. Pauli muss sich dagegen mit 9,148 Millionen zufriedengeben.

Das zeigt die Möglichkeiten des „kleinen“ Vereins, der zudem die Unterstützung zweier in Heidenheim ansässiger Weltkonzerne genießt. Der Maschinenbaukonzern Voith (20.000 Mitarbeiter) und der Medizinprodukte-Hersteller Hartmann (11.000) sind seit Jahren als Unterstützer an Bord. Voith hat bis 2034 die Namensrechte am Stadion erworben, Hartmann ist Namenspartner des Nachwuchsleistungszentrums. Beide Konzerne gehören zudem dem Sponsorenpool des Vereins an. Haupt- und Trikotsponsor ist seit diesem Jahr das Porsche-Tochterunternehmen MHP, das in der IT-Beratung tätig ist.

Heidenheim-Trainer Frank Schmidt auf den Spuren Volker Finkes

Klein oder provinziell ist da also gar nichts mehr in Heidenheim. Zumal der Club auch noch 2019 für zwei Millionen Euro das Stadion plus umliegendes Gelände von der Stadt kaufen konnte, dessen Verkehrswert auf 18,4 Millionen Euro geschätzt wird. 2010 hatte die Stadt noch den größten Teil der 14 Millionen Euro für den Ausbau der Arena auf das Fassungsvermögen von 15.000 getragen.

Die Voraussetzungen für sportlichen Erfolg sind also gegeben. Es muss nur einer umsetzen. Und das macht Frank Schmidt (47). Der ehemalige Profi ist in der Stadt geboren – und will da offenbar auch nie wieder weg. Seit 2007 arbeitet er als Cheftrainer für den Verein und führte ihn aus der viertklassigen Regionalliga nach oben. In der vergangenen Woche hat er seinen Vertrag vorzeitig bis 2027 verlängert. „Schmidt ist die bedeutendste Persönlichkeit im sportlichen Bereich“, erklärte Heidenheims Vorstandsvorsitzender Holger Sanwald.

Schmidt ist der dienstälteste aktive Trainer in Deutschland. Rekordhalter ist Volker Finke, der 16 Jahre in Freiburg tätig war. „Heidenheim ist Industrie, Heidenheim ist Mittelstand, Heidenheim bedeutet malochen und arbeiten, damit es einem gut geht“, beschreibt der Trainer seine „Philosophie“ und betont: „Unsere erfolgreiche Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende.“