Hamburg. Dejan Stojanovic will mit St. Pauli so schnell wie möglich aus der Abstiegszone. Warum ein Ex-Kollege neidisch auf den Torhüter ist.

Als Dejan Stojanovic am Mittwochmittag den Rasenplatz an der Kollaustraße verließ, blickte er ein wenig kritisch auf das Geläuf, das vom starken Regen der vergangenen Tage noch immer durchweicht war. „Während der Corona-Zeit bin ich zum Gärtner mutiert. Ich habe in meinem Haus in Middlesbrough versucht, einen schönen Rasen hinzubekommen. Zudem habe ich Tomaten gepflanzt“, sagte der neue Rasenexperte und Torhüter des FC St. Pauli. Ganz so schlimm, dass der Platz nur noch zur Nutzung als Gemüseacker taugt, ist die Lage auf dem Trainingsgelände noch nicht. Die gute Laune, das zeigte sein erstes Interview in Hamburg aber deutlich, ist beim 27-Jährigen zurück. Dabei liegen hinter Stojanovic sportlich durchaus komplizierte Monate.

Bis zum vergangenen Sommer war er beim englischen Zweitligaclub FC Middlesbrough die Nummer eins. Doch von einem auf den anderen Tag war er plötzlich nicht mehr gefragt. Lediglich im Ligapokal durfte er gegen den Drittligaclub Shrewsbury Town im September 2020 noch einmal zwischen die Pfosten. „Das war ein Schlag ins Gesicht. Kurz vor dem Saisonstart hat unser Trainer einen neuen Torhüter geholt. Keiner hat mich informiert oder das Gespräch gesucht. Da habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr viel spielen werde und etwas Neues brauche“, blickte Stojanovic zurück. Gar nicht so einfach in einer Zeit, in der auch der Profifußball in den Fängen der Corona-Pandemie steckt.

Dejan Stojanovic stand schon vor einem halben Jahr auf der Einkaufsliste des Kiezclubs

Der 1,96 Meter große Torhüter stand schon vor einem halben Jahr auf der Einkaufsliste des Kiezclubs. Stojanovic bestätigte, dass es damals bereits erste Sondierungsgespräche zwischen seinem Agenten und St. Pauli gegeben hatte. Das konkrete Angebot lag aber erst kurz vor dem Jahreswechsel vor. Um sich über seinen neuen Arbeitgeber zu informieren, sprach er vor allem mit Lukas Görtler (26).

Mit dem ehemaligen Profi des 1. FC Kaiserslautern hatte der Keeper einst in der Schweiz beim FC St. Gallen zusammengespielt. „Lukas war ganz neidisch. St. Pauli ist sein Lieblingsverein. Er hat mir viel über den Club erzählt. Vor allem über die Fans“, erklärte Stojanovic. Um die Namen seiner Mitspieler schnell zu lernen, hat er vor seiner Ankunft in Hamburg den St.-Pauli-Kader gegoogelt. „Mittlerweile klappt das mit den Namen aber gut“, sagte der ehemalige Juniorennationalspieler Mazedoniens.

Sein Start beim Kiezclub war allerdings alles andere als einfach. Stojanovic kam Anfang Januar inmitten der Aufregung um den vorzeitigen Abschied des langjährigen Stammkeepers Robin Himmelmann (31). Als St. Pauli über die sozialen Netzwerke den Transfer vermeldete, war der Tenor der aufgebrachten Fans in erster Linie: „Wir wollen Himmelmann behalten“ und nicht etwa: „Herzlich willkommen, Dejan“.

Trotz seiner Größe ist Stojanovic beweglich und reaktionsschnell

„Auf der einen Seite kann ich das verstehen, weil Robin hier achteinhalb Jahre viel für den Verein geleistet hat. Auf der anderen Seite möchte man natürlich auch die Unterstützung der Fans spüren. Aber die möchte ich mir jetzt mit Leistung erarbeiten“, sagte der Neu-Hamburger, der bei St. Pauli mit der Himmelmann-Thematik eine Art Déjà-vu-Erlebnis hatte. Bei seinem Engagement in St. Gallen wurde er einst Nachfolger von Daniel Lopar (35), der nach 13 Jahren den Schweizer Traditionsclub verlassen musste. Doch all das ist Vergangenheit. Seine Gedanken kreisen nur noch um den FC St. Pauli.

In seinen beiden Spielen gegen Holstein Kiel (1:1) und bei Hannover 96 (3:2) deutete Stojanovic bereits an, warum ihn Sportchef Andreas Bornemann (49) unbedingt verpflichten wollte. Trotz seiner Größe ist er beweglich und reaktionsschnell. Auch mit dem Ball am Fuß ist er für einen Keeper erstaunlich talentiert. Besonders auffällig ist aber die Lautstärke, mit der er sowohl im Spiel als auch im Training seine Vorderleute dirigiert. „Ich hatte das Glück, dass ich in der Jugendakademie in Vorarlberg war. Da hat man mich schon früh so trainiert, dass man als Torhüter die Kommunikation laut halten muss“, erinnerte sich Stojanovic.

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Dass er das Zeug zum Fußballprofi hat, wusste er spätestens mit 16 Jahren, als er beim österreichischen Zweitligaclub FC Lustenau seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte. „Ich habe früher auch Basketball und Wasserball gespielt. Als ich in Lustenau gespielt habe und anschließend nach Italien gewechselt bin, wusste ich, dass es wirklich etwas mit einer Profikarriere werden könnte“, sagte er.

Diese Profikarriere wird er nun zumindest bis Sommer in Hamburg fortsetzen. Am 30. Juni endet das Leihgeschäft zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Middlesbrough, wo er noch ein bis 2023 datiertes Arbeitspapier besitzt. „Mein Lebensmittelpunkt ist jetzt in Hamburg, aber mein Haus in England ist noch nicht gekündigt. Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über den Sommer zu sprechen. Es geht jetzt darum, dass wir so schnell wie möglich aus der unteren Tabellenhälfte kommen“, sagte Stojanovic.