Hamburg. Zwei späte Joker-Tore retten St. Pauli gegen Aue. Das Unentschieden ist für die Psyche wertvoller als für die Tabellensituation.

Am Ende waren gleich drei St.-Pauli-Profis, die Trainer Timo Schultz zunächst auf die Reservebank beordert hatte, die gefeierten Helden eines hochverdienten Punktgewinns, der angesichts seines Zustandekommens aber ebenso als glücklich anzusehen war.

„Es ist sicherlich ein Punkt für die Moral. Die Jungs haben nach vier verlorenen Spielen in Folge und einem 0:2-Rückstand nicht aufgegeben. Wir hatten extrem viele Torsituationen und sind am Ende belohnt worden, weil wir immer an uns geglaubt haben“, bewertete Timo Schultz eine halbe Stunde nach dem Abpfiff das 2:2 (0:1) seiner Mannschaft im Heimspiel gegen den FC Erzgebirge Aue am Sonntagnachmittag.

Zwei Joker-Tore retten St. Pauli

Die erst in der 80. Minute eingewechselten Maximilian Dittgen (81.) und Simon Makienok (89.) hatten mit ihren Toren aus kurzer Distanz jeweils im Anschluss an einen Standard (erst Ecke, dann Freistoß) durch den zum selben Zeitpunkt auf das Feld gekommenen Marvin Knoll den Zwei-Tore-Rückstand egalisiert und damit ihrem Team wenigstens einen Punkt gerettet.

Bei einer Bilanz von 20:9 Torschüssen, darunter auch ein Pfostentreffer von Daniel-Kofi Kyereh (73.) dokumentierte das bereits fünfte 2:2 eine immer noch mäßige Effektivität. Dieses Unentschieden aber bewahrte das Team davor, für einen neuen, clubinternen Negativrekord verantwortlich zu sein. Noch nie hat der Millerntorclub in der Zweiten Liga fünf Spiele hintereinander verloren.

Schultz: Ein Punkt für die Tabelle

„Es ist auch ein Punkt für die Tabelle“, betonte Trainer Schultz zwar, doch mit nun acht Zählern aus elf Spielen hat sein Team den Rückstand auf die Ränge 15 und 16 lediglich von vier auf drei verkürzt. Immerhin ist der Vorsprung auf Platz 18 auf ebenfalls vier angewachsen.

Der Spielplan will es, dass bereits am Mittwoch (18.30 Uhr) Schlusslicht Würzburger Kickers, das am Sonntag unglücklich spät 1:2 in Nürnberg verlor, den FC St. Pauli zum ersten Abstiegskrimi empfängt. Mit einem Auswärtssieg, dem ersten seit dem 2. März 2019, könnte St. Pauli den Aufsteiger aus Unterfranken auf sieben Zähler distanzieren.

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Schultz krempelt St. Pauli komplett um

Nach der enttäuschenden Vorstellung acht Tage zuvor beim 1:2 in Braunschweig hatte Schultz davon gesprochen, jetzt „Erbhöfe“ zu streichen und – in Anlehnung an Holger Stanislawski – die „Reset-Taste“ zu drücken. Diesen Worten ließ er auch Taten folgen und rotierte neben Stammtorwart Robin Himmelmann gleich vier weitere Profis wegen ihrer schwachen Vorstellung aus der Startformation. Namentlich Verteidiger Daniel Buballa, die Außenbahnspieler Maximilian Dittgen und Kevin Lankford sowie Stürmer Simon Makienok.

Dies hatte auch zur Folge, dass aus dem fünf Spieler umfassenden Mannschaftsrat nur noch Philipp Ziereis in der Anfangself stand und die Kapitänsbinde trug. Nach einer knappen Viertelstunde aber musste auch er das Feld verlassen – wegen Problemen an den Adduktoren. Für ihn kam der hinausrotierte Buballa zu einer früheren Rückkehr auf das Feld, als er hätte es selbst erwarten dürfen.

St. Paulis Trainer Timo Schultz brachte Kapitän Daniel Buballa diesmal nur als Joker.
St. Paulis Trainer Timo Schultz brachte Kapitän Daniel Buballa diesmal nur als Joker. © Witters

Die veränderte Formation rechtfertigte zwar insgesamt das in sie gesetzte Vertrauen mit einer engagierten und zumindest phasenweise auch fußballerisch ansprechenden Leistung, die allerdings von den beiden Gegentoren durch Pascal Testroet (10. Minute), nach einem Fehlpass von Finn-Ole Becker, und Florian Krüger (79.), nach einer auch von Videoschiedsrichter Pascal Müller nicht als Foul gewerteten Attacke gegen Leart Paqarada arg getrübt wurde.

St. Pauli wagt Experiment mit 17-Jährigem

„Wenn du bis zur 81. Minute 0:2 zurückliegst, unterschreibst du sofort, einen Punkt mitzunehmen. Auf der anderen Seiten hatten wir genug Chancen und haben auch ein gutes Spiel gemacht, sodass wir drei Punkte verdient gehabt hätten“, fasste Timo Schultz zusammen. Seine durchaus mutigen Veränderungen in der Startelf waren durchaus zielführend. Dazu gehörte auch, dass er mit seinen „Jokern“ diesmal wieder zusätzliche Torgefahr von der Bank ins Spiel bringen konnte, wie dies in der Anfangsphase der Saison mehrmals funktioniert hatte.

Am spektakulärsten war neben dem Torwartwechsel zweifellos, dass Schultz dem 17 Jahre jungen Stürmer Igor Matanovic das Vertrauen schenkte und ihn bis zum Abpfiff auf dem Feld ließ. Vier Torschüsse traute sich das 1,94 Meter große Talent zu. Dabei zwang er einmal Aues Torwart Martin Männel zu einer starken Parade.

„Bei Igor hat das I-Tüpfelchen noch gefehlt, dass er eine seiner Chancen reinmacht. Es war ein erster wichtiger Schritt in den Profibereich, er hat eine unfassbar gute Abschlussqualität“, beurteilte Schultz das Juwel. „Ich gehe davon aus, dass er sich von Spiel zu Spiel steigert.“ Trifft diese Prognose zu, könnte auch Matanovic bald die Rolle des Helden eines Spiels einnehmen.

Die Statistik:

  • St. Pauli: Brodersen - Ohlsson, Ziereis (15. Buballa), Lawrence, Paqarada (80. Dittgen) - Benatelli - Becker, Zalazar (80. Knoll) - Tashchy (63. Daschner), Kyereh (80. Makienok) - Matanovic. - Trainer: Schultz
  • Aue: Männel - John-Patrick Strauß, Gonther, Ballas, Rizzuto - Fandrich, Riese - Zolinski (60. Baumgart), Hochscheidt (68. Nazarov), Krüger - Testroet (74. Samson). - Trainer: Schuster
  • Schiedsrichter: Lasse Koslowski (Berlin)
  • Tore: 0:1 Testroet (10.), 0:2 Krüger (78.), 1:2 Dittgen (81.), 2:2 Makienok (89.)
  • Beste Spieler: Lawrence, Benatelli - Rizzuto, Gonther
  • Gelbe Karten: Buballa (2), Lawrence (2), Tashchy, Knoll - Riese (3)
  • Torschüsse: 20:9
  • Ecken: 8:2
  • Ballbesitz: 60:40 Prozent