Hamburg. Der interne Konkurrenzkampf bei St. Paulis Torhütern ist deutlich intensiver als zuletzt. Trainer Timo Schultz freut es.

Konkurrenz belebt das Geschäft, heißt es im Volksmund. Im Tor des FC St. Pauli konnte davon in der vergangenen Saison nicht wirklich die Rede sein. Robin Himmelmann (31) hatte seinen Posten als Keeper Nummer eins sicher, auch wenn ihn Trainer Jos Luhukay im Herbst 2019 kurz einmal infrage gestellt und mit der Degradierung zum Ersatzmann ausgerechnet im DFB-Pokalhit gegen Eintracht Frankfurt düpiert hatte.

In der anstehenden Saison könnte sich die Situation für den Schlussmann, der jetzt in sein neuntes Jahr beim Kiezclub geht, allerdings weit weniger entspannt darstellen. Vor allem hat es Himmelmann in der derzeitigen Saisonvorbereitung – jedenfalls nach aktuellem Stand – gleich mit zwei durchaus selbstbewussten Herausforderern zu tun, nachdem er zuletzt nicht befürchten musste, von dem aus dem sportlichen Rentnerdasein zurückgeholten Korbinian Müller verdrängt zu werden.

Neben Svend Brodersen (23), der seine schwere Schulterverletzung längst auskuriert hat und seit Monaten wieder voll trainiert, liebäugelt jetzt auch der gerade von Hertha BSC verpflichtete Dennis Smarsch (21) mit dem Platz im St.-Pauli-Tor. „Ich komme nicht hierher, um zu sagen: Ich will mal sehen, wie hier die Bank aussieht“, hatte der Berliner vor einigen Tagen gesagt und ebenso selbstbewusst über seine Stärken gesprochen.

Schultz schwärmt von Himmelmann-Konkurrent Brodersen

Dazu ließ zuvor schon der neue Cheftrainer Timo Schultz keinen Zweifel daran, dass er sehr viel von Eigengewächs Brodersen hält: „Ich bin ein absoluter Fan von Svend.“ Er ging sogar verbal noch einen Schritt weiter: „Wenn er in der Vorbereitung jeden Ball hält, keinen reinkriegt und überragende Leistungen zeigt, wüsste ich nicht, was dagegen spricht, dass er im Tor steht.“

Das klang wie eine Aufforderung an Brodersen, sich von seinen Wechselgedanken doch bitte zu verabschieden. Diese hegt der Eimsbütteler, weil er nach nunmehr fünf Jahren in St. Paulis Profikader den Anspruch hat, regelmäßig auf höherem Niveau, also oberhalb der Regionalliga, zu spielen. Laut seinem Berater Stefan Pluhar könnte er bei einem aktuellen Drittligaclub sofort die Nummer eins sein. Dazu gebe es auch interessierte Zweitligisten, bei denen er in einen offenen Kampf um die Position des Stammkeepers eintreten könnte.

Doch noch ist sein Transfer nicht wirklich in greifbarer Nähe. Mit jedem Tag, der bis zum ersten Pflichtspiel am zweiten Septemberwochenende (DFB-Pokal) vergeht, wird ein Wechsel auch schwieriger. St. Paulis Sportchef An­dreas Bornemann hat bereits betont, dass er einem Transfer Brodersens nur zustimmen werde, wenn er selbst noch Zeit genug habe, für einen adäquaten Ersatz zu sorgen. „Wenn ich egoistisch denken würde, würde ich aber sagen, Svend bleibt auf jeden Fall da“, sagte Trainer Schultz. Schon sein Vorgänger Jos Luhukay hatte geschwärmt: „Svend ist vielleicht der Spieler, der am meisten investiert, tagtäglich in die Trainingsarbeit und in die individuelle Arbeit für sich.“ Schultz ist vom internen Konkurrenzkampf unter den drei Keepern sehr angetan: „Die Torwartgruppe hat einen richtig guten Drive, der ganz anders ist als in der vergangenen Saison.“

Himmelmann ist seit drei Jahren gesetzt

Mittlerweile ist es mehr als drei Jahre her, dass sich Robin Himmelmann über einen längeren Zeitraum mit einem Platz auf der St.-Pauli-Ersatzbank anfreunden musste. In der Hinserie der Saison 2016/17 hatte er sich im Heimspiel gegen Kaiserslautern (0:0) verletzt und wurde gegen Philipp Heerwagen ausgetauscht. Auch als Himmelmann wieder genesen war, entschied der damalige Trainer Ewald Lienen, Heerwagen bis zum Saisonende im Tor zu belassen. Danach aber setzte sich Himmelmann wieder durch und musste seither auch nicht mehr ernsthaft befürchten, als Keeper Nummer eins verdrängt zu werden. Zudem steigerte er sich in der vergangenen Saison beim Abfangen von Flanken und Freistößen.

Auf der anderen Seite aber konnte Schultz’ Kritik an der hohen Zahl von Gegentoren nach Freistößen und Ecken des Gegners versteckt auch als Kritik an Himmelmann gewertet werden, dessen Aufgabe als Torwart es auch ist, seine Vorderleute bei gegnerischen Standards zu dirigieren. Diese Fähigkeit bezeichnet Dennis Smarsch im Übrigen als seine Stärke. Dennoch wird Himmelmann auch bei einem Verbleib Brodersens als Platzhirsch und Favorit ins Rennen um den Posten im Tor gehen. Nur der Druck auf ihn und die Notwendigkeit, sich in den Testspielen zu beweisen, sind ein gutes Stück größer geworden. Die erste Gelegenheit, eine Duftmarke zu setzen, bietet sich für einen oder zwei des Trios an diesem Sonnabend im Test bei Ligakonkurrent Holstein Kiel.