Hamburg. 19-jähriger Defensivmann wurde von dem Ticket fürs Trainingslager überrascht. Wie Frahm und die anderen Talente zu St. Pauli gelangten.
Der Anruf des FC St. Pauli erreichte Moritz Frahm im Urlaub mit der Familie in Chile. Er möge doch mit ins Trainingslager der Zweitligaprofis in Valencia kommen, wurde dem 19 Jahre alten Defensivspieler des U-23-Teams mitgeteilt. „Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet“, gesteht Frahm am Mittwoch, als er nach dem Mittagessen seine erste größere Gesprächsrunde mit Medienvertretern absolviert.
Und schon hieß es für ihn umzudisponieren. „Das Training in der U23 sollte ja erst am Montag starten“, sagt er. Nun aber ging es schon am Sonntagmittag für ihn mit dem Profiteam los nach Spanien.
Frahm gibt im Testspiel sein Profidebüt
Angesichts der Ausfälle mehrerer Innenverteidiger wollte Trainer Jos Luhukay noch eine weitere Option haben, entschied sich deshalb, neben Marvin Senger (20) auch Frahm mitzunehmen.
„Es macht riesigen Spaß. Ich habe ja noch nicht so häufig bei den Profis mittrainiert. Natürlich ist das Tempo hier höher als in der U23. Ich bin sehr glücklich, dass ich dabei bin“, sagt Frahm, der auch im defensiven Mittelfeld eingesetzt werden kann.
Heute (15 Uhr) dürfte der in Volksdorf groß gewordene und im Sommer 2014 aus Norderstedt zu St. Pauli gewechselte Frahm im Test gegen den SV Wehen Wiesbaden auch zu seinem ersten Einsatz kommen.
Andere Härte als in der U23
Gemeinsam mit Moritz Frahm absolvieren auch Senger und Mert Kuyucu (19) ihr erstes Trainingslager mit dem Zweitligateam. Beide standen zuletzt mehrmals bei einem Punktspiel im 20-Mann-Kader von Luhukay. Linksverteidiger Kuyucu kam in den Partien in Regensburg (0:1) und gegen Wehen Wiesbaden (3:1) zum Einsatz, in Regensburg auch gleich über volle 90 Minuten.
„Auch wenn ich jetzt schon etwas länger dabei bin als Moritz, lerne ich in jedem Training dazu. Nicht nur das Tempo, auch die Härte sind etwas anderes als in der U23“, sagt Kuyucu, der schon seit Juli 2013 bei St. Pauli ist, nachdem er in jungen Jahren beim SV Wilhelmsburg, danach beim FC Türkiye spielte.
„Aus der Zeit bei Türkiye kannte ich schon einige Spieler von St. Pauli, weil wir häufiger gegeneinander gespielt hatten“, erzählt er. Als er dann die Offerte bekam, fiel die Entscheidung nicht schwer, auch weil der Trainer seines neuen Teams mit Baris Tuncay ein türkischer Landsmann war.
Frahms Eltern waren erst in Sorge
Ein bisschen anders war dies bei Moritz Frahm. „St. Pauli hatte nicht mich direkt, sondern meine Eltern angesprochen. Die haben mir das zunächst gar nicht erzählt. Sie waren sich etwas unsicher, ob sie mir das mitteilen wollen“, verrät er. Es war wohl die Sorge, die Schule könnte unter dem umfangreicheren Training leiden.
Diese Angst hat sich inzwischen als unbegründet herausgestellt. Moritz Frahm hat, ebenso wie Marvin Senger, sein Abitur in der Tasche. „Ich habe auch schon ein Praktikum absolviert und könnte eine Lehre als Bankkaufmann oder in der Logistik beginnen“, erzählt Frahm, der sich erst nach einem Probetraining und mehreren Gesprächen für den Wechsel zu St. Pauli entschloss. Kürzlich unterschrieb er einen Vertrag bis Juni 2021.
Senger wird mit HSV-Vergangenheit aufgezogen
Marvin Senger ist seit Sommer 2016 bei St. Pauli, nachdem er von seinem ersten Verein SV Eichede zunächst für zwei Jahre zum HSV gewechselt war. Von dort ging es zu Eintracht Norderstedt. „Das war vielleicht ein Rückschritt, aber ich habe daraus mehr Positives als Negatives mitgenommen“, sagt Senger, dessen Weg ihn dann weitere zwei Jahre später zum FC St. Pauli führte.
„Ein paar Jungs wissen, dass ich beim HSV war – und ziehen mich damit auf. Aber das stört mich nicht“, sagt er lächelnd, der vom derzeitigen A-Junioren-Trainer Timo Schultz angesprochen worden war. Parallel zur Fußballkarriere denkt Senger daran, ein Studium zu beginnen.
St. Pauli will ein Signal setzen
Es ist keineswegs Zufall, dass erneut drei junge Spieler, die auf dem Papier noch nicht dem Profikader angehören, mit ins Trainingslager fahren und sich hier empfehlen dürfen. Dass dafür vier erfahrenere Profis, die einsatzfähig sind, daheim in Hamburg bleiben mussten, ist ein bezeichnendes Signal.
Namentlich sind es Marc Hornschuh, Yiyoung Park, Jakub Bednarczyk und Ersin Zehir, die in dieser Woche an der Kollaustraße mit St. Paulis U-23-Team trainieren. Offenkundig ist, dass die oft zitierte Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs- und Profibereich, die sich St. Pauli seit geraumer Zeit auf seine Fahnen geschrieben hat, mit Personalentscheidungen wie diesen dokumentiert werden soll.
Ziereis: Fans machen es den Talenten leicht
Luhukay unterstützt diese Politik, wie sich schon früh zeigte, als er gleich zu Beginn seiner Amtszeit im April auf den damals 18 Jahre jungen Finn Ole Becker setzte. Aber es gibt, wie einige Beispiele zeigen, auch den umgekehrten Weg. So spielt derzeit etwa Niklas Hoffmann, der zu Saisonbeginn sechs Pflichtspieleinsätze hatte, keine Rolle mehr im Profiteam.
„Ich finde es sehr gut, dass der Verein auf junge Spieler setzt“, sagt Verteidiger Philipp Ziereis, der mit seinen 26 Jahren inzwischen schon zu den älteren Spielern im Kader zählt. „Wir haben ja auch ein Publikum, das es jungen Spielern leicht macht, Fuß zu fassen, und ihnen auch Fehler verzeiht. Am Ende kommt es auf die Leistung an.“