Hamburg. Der Nachfolger wird nur zuständig für Finanzen und Organisation. Direktoren-Ebene soll Fachleute binden.
In der kommenden Woche soll beim FC St. Pauli das Geheimnis gelüftet und der Nachfolger des kaufmännischen Geschäftsleiters Andreas Rettig (56) präsentiert werden, der den Zweitligaclub aus privaten Gründen zum 30. September verlässt. Wie das Abendblatt erfuhr, wird es entgegen ursprünglicher Pläne keine gleichrangige Nachbesetzung geben. Vielmehr wird der neue Mann nicht im Range eines übergeordneten Geschäftsleiters angestellt, sondern auf einer neu geschaffenen Hierarchie-Ebene als „Direktor“. Auf diese Stufe werden im gleichen Zuge auch Marketing-Chef Martin Drust und Merchandising-Chef Bernd von Geldern befördert, die bisher Rettig unterstellt waren. Künftig hätten beide keinen direkten Vorgesetzten mehr.
Rettigs Nachfolger soll sich im Wesentlichen auf die Bereiche Finanzen und Organisation konzentrieren. Die Themen Vereins- und Sportpolitik, die Rettig seit seinem Amtsantritt im September 2015 mit Enthusiasmus und oft medienwirksam, wie etwa bei der TV-Geldverteilung und Erhalt der 50+1-Regel, ausgefüllt hatte, gehören nicht zur Aufgabe des neuen Mannes. Einzig verbleibende Führungskräfte im Range eines Geschäftsleiters blieben nach Rettigs Abschied der neue Sportchef Andreas Bornemann und der Amateursport-Geschäftsführer Thomas Michael.
Position soll aufgewertet werden
Die geplante Maßnahme, dass die anderen genannten Führungskräfte in Zukunft als „Direktoren“ arbeiten und keinem anderen hauptamtlichen Mitarbeiter mehr unterstellt sind, soll deren Position aufwerten und ihnen einen längeren Verbleib beim FC St. Pauli schmackhaft machen. Zuletzt hatte der Abschied des sehr geschätzten Medienchefs Christoph Pieper zum SV Werder Bremen der Vereinsführung verdeutlicht, mehr für die Bindung der eigenen Führungskräfte tun zu müssen.
Ausgelöst wurde die Entwicklung vor einigen Wochen, als der als Rettig-Nachfolger vorgesehene Wilken Engelbracht, von 2014 bis 2018 Finanzvorstand beim VfL Bochum, überraschend auf das vorgesehene Engagement am Millerntor verzichtete, obwohl es dem Vernehmen nach bereits einen unterzeichneten Arbeitsvertrag gab. Dies führte dazu, die beschriebene Umstrukturierung in der hauptamtlichen Führungshierarchie voranzutreiben und Rettig nicht mehr gleichrangig zu ersetzen.
FC St. Pauli ist eine Ausnahme
Vielmehr bleibt beim FC St. Pauli ein Thema, dass in der Zukunft auch Mitglieder des Präsidiums für ihre schon heute zeitintensive und von großer Verantwortung geprägte Tätigkeit finanziell entlohnt werden können. Bisher arbeiten sowohl Präsident Oke Göttlich als auch seine Vizepräsidentin und seine drei Vizepräsidenten ehrenamtlich für den Verein – genauso wie die zwölf Aufsichtsratsmitglieder.
Der FC St. Pauli bildet damit eine Ausnahme unter den deutschen Proficlubs der beiden höchsten Fußballligen. Angesichts eines Jahresumsatzes von zuletzt schon mehr als 50 Millionen Euro wird intern seit geraumer Zeit diskutiert, ob die vollständige Ehrenamtlichkeit an der Vereinsspitze noch das richtige Modell ist. Inzwischen soll eine Mehrheit in beiden Gremien dafür sein, eine Hauptamtlichkeit zumindest einzelner Präsidiumsmitglieder zu ermöglichen. Doch es gibt auch noch erklärte Gegner dieser „Revolution“.
Am Donnerstag verpflichtete St. Pauli den norwegischen Innenverteidiger Leo Östigard (19) wie erwartet auf Leihbasis für ein Jahr vom Premier-League-Club Brighton & Hove Albion.