Hamburg. Der Zweitligist reist mit der neuen Sportpsychologin Frauke Wilhelm ins Trainingslager nach Oliva Nova.
Ihre erste Dienstreise mit dem FC St. Pauli beginnt für Frauke Wilhelm am frühen Donnerstagmorgen. Um 7.30 Uhr trifft sich der Reisetross am Helmut-Schmidt-Flughafen in Fuhlsbüttel, um in das siebentägige Trainingslager nach Oliva Nova aufzubrechen. Anders als zunächst befürchtet bleibt der Kiezclub vom angekündigten Streik der Fluggesellschaft Ryanair verschont, sodass am Nachmittag planmäßig die erste Einheit unter der Sonne Spaniens steigen soll.
Es gibt wahrlich schlimmere Gegebenheiten, als sich bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen in eine neue Aufgabe einzuarbeiten. Seit vergangenen Sonntag gehört die Sportpsychologin zum Team des Tabellendritten der Zweiten Liga. Zuvor hatten Sportdirektor Uwe Stöver und Trainer Markus Kauczinski mehr als ein halbes Jahr lang nach der Ideallösung gesucht. An Erfahrung im Sport mangelt es der 45-Jährigen nicht. Die zweifache Mutter betreute bereits Athleten aus 25 Sportarten, von Eishockey über Motorsport bis hin zum Fußball. Im Junioren- und Seniorenbereich arbeitete Wilhelm bei Hannover 96. Dort hatte sie den heutigen Co-Trainer Markus Gellhaus kennengelernt. Darüber hinaus ist sie beim Olympiastützpunkt Niedersachsen aktiv und bietet seit zwei Jahren zudem Kommunikations-und Führungskräftetraining an.
Kennenlernphase zu Beginn
„Die erste Zeit mit ihr ist erst einmal eine Kennenlernphase. Die Jungs sind nicht nur Fußballer, sondern in erster Linie Menschen. Das ist kein Voodoo, sondern eine Chance, die Spieler noch intensiver zu betreuen. Ich will gar nicht alles wissen, was die Spieler mit ihr besprechen“, erklärt Kauczinski, der bereits während seines Engagements beim Karlsruher SC (2012 bis 2016) mit einem Sportpsychologen zusammengearbeitet hatte.
Öffentlich sprechen möchte Wilhelm, die parallel zum FC St. Pauli noch die U-19-Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes betreut, noch nicht. Erst einmal will sie sich ein umfangreiches Bild von den Spielern machen und die Gespräche, die bereits in dieser Woche begonnen haben, fortführen. Im Fußballgeschäft ist Mentaltraining häufig noch verpönt, dabei erklären Psychologen, dass das Gehirn genauso trainiert werden kann wie ein Muskel im Körper.
Anderer Blick auf die Mannschaft
Die Zusammenarbeit mit Wilhelm ist erst einmal auf ein halbes Jahr begrenzt, doch Kauczinski betont, dass eine längerfristige Arbeit angestrebt wird. „Es geht darum, einen anderen Blick auf die Mannschaft und den Einzelnen zu haben und da helfen zu können, wo wir nicht helfen können“, sagt Kauczinski: „Ich glaube nicht, dass sich ein Spieler zu 100 Prozent einem Trainer anvertraut und sich öffnet, weil ich die Leistung bewerte und über die Aufstellung entscheide.“
Für St. Pauli ist es nicht der erste Versuch, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten. 2014 war der ehemalige Bundesligaprofi Thomas Stickroth für kurze Zeit Mentaltrainer. Der damalige Cheftrainer und heutige Technische Direktor Ewald Lienen war dem Thema Sportpsychologie gegenüber nicht so aufgeschlossen, wie es Kauczinski ist. „Kurzfristige Effekte und Erfolge erwarte ich aber nicht. Jeder Spieler muss dabei selbst entscheiden, nicht alle sind dafür zugänglich. Frauke wird selbstständig und losgelöst von mir arbeiten, es wird aber auch Schnittmengen geben“, sagt der St.-Pauli-Trainer.
Alle Profis in Spanien einsatzbereit
Ob bis zum Ende der Transferfrist am 31. Januar noch zusätzliche Spieler kommen, um die sich Wilhelm kümmern könnte, ist aktuell noch nicht final entschieden. Außer dem langzeitverletzten Stürmer Henk Veerman (Kreuzbandriss) sind alle Profis in Spanien einsatzbereit. „Prinzipiell glaube ich, dass wir gut aufgestellt sind. Wir halten die Augen und Ohren offen, um vielleicht auch schon einen Vorgriff auf den Sommer zu machen“, erklärt Kauczinski. Derzeit sind Stürmer Alexander Meier und Frauke Wilhelm die einzigen neuen Gesichter bei St. Pauli.